Jahrelange Sperren nach Kung-Fu-Tritten Verfahren gegen attackierten Spieler eingeleitet

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Diese Szenen vom Sportplatz am Hallenbad in Nette erschütterten den Dortmunder Amateurfußball. Fußballer der DJK Saxonia II attackierten ihre Gegenspieler von der DJK SF Nette III per Kung-Fu-Tritt.

Wenige Augenblicke zuvor hatte der Schiedsrichter das C-Liga-Spiel, das Nette mit 4:3 gewann, abgepfiffen. Bei der Verhandlung vor dem Kreissportgericht Dortmund (KSG) spielten auch der Unparteiische und der attackierte Spieler eine Rolle.

Weil die Vorfälle per Video dokumentiert wurden, machten sie noch am Abend des Geschehens (22. Oktober) die Runde. Die Aufnahme tauchte auch im Sozialen Netzwerk TikTok auf und generierte dort innerhalb von Minuten eine große Reichweite.


Am Mittwochabend verhandelte das KSG den Fall schließlich. Das hatte das Sportrechtsverfahren in Eigeninitiative einleiten müssen, weil der Schiedsrichter die Vorfälle nicht im Spielbericht eingetragen und keine Gewaltvorkommnisse gemeldet hatte.

Die drei Saxonia-Spieler, 22, 23 und 24 Jahre alt, eröffneten das Verfahren mit ihren Aussagen. Der 24-jährige Fußballer gab an, keine Tätlichkeit begangen zu haben. Er selbst sei von einem Gegenspieler angegangen worden und habe einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen.

DJK Saxonia Dortmund: „Impulsreaktion“

Ein Schlag war auf dem Video nicht zu erkennen, merkte das KSG an. Ihn verurteilte es später wegen einer Unsportlichkeit zu vier Spielen – es sollte die mit Abstand geringste ausgesprochene Strafe im Vereinsheim des FC Brünninghausen bleiben.

Der 22 Jahre alte Saxonia-Fußballer, der im Video eine sichtbare Tätlichkeit begeht, entschuldigte sich dafür und sprach von einer „Impulsreaktion“: „Es war definitiv die falsche Entscheidung, so draufzuspringen“.

DJK Saxonia: Spieler bittet um Entschuldigung

Anschließen erteilte das KSG dem Spieler der Gäste das Wort, von dem der erste Kung-Fu-Tritt ausging. Anschließend ist zu sehen, wie der 23-Jährige versucht, auf einen am Boden liegenden Nette-Akteur einzuschlagen. In beidem Fällen ist der gleiche SF-Spieler das Ziel seiner Attacken.

Er bat um Entschuldigung und pflichtete dem Sportgericht bei, dass es keine Erklärung oder Entschuldigung für seinen Wutausbruch geben könne – merkte aber auch an, dass er das ganze Spiel über provoziert worden und das Video zurechtgeschnitten sei. Insgesamt sei seine Erinnerung lückenhaft.


Die vermeintlichen Provokationen Nettes rückten anschließend in den Fokus der Verhandlung. Die DJK Saxonia hatte mehrere Spieler als Zeugen benannt, die von einem provokanten Jubel bei Abpfiff, weitere Provokationen und auch Beleidigungen berichteten.

Mehrere Saxonia-Spieler zeigten unabhängig voneinander die obszöne Geste, mit der ein Nette-Akteur in Richtung der unterlegenen DJK gejubelt haben soll. Dazu gab es die Schilderung einer passenden Beleidigung. Der Schiedsrichter verteilte 15 Gelbe- und zwei Gelb-Rote-Karten und bestätigte damit den Eindruck einer Partie, die nicht urplötzlich nach Schlusspfiff eskalierte.

DJK Saxonia: Ärztliches Attest dokumentiert Verletzungen

Ein Saxonia-Fußballer behauptete sogar, selbst von einem Nette-Spieler „eine abbekommen“ zu haben. Er legte am Mittwoch dem Kreissportgericht ein ärztliches Attest vor, dass eine Gesichtsprellung und eine aufgeplatzte Lippe belegen sollte.

Die Suche nach einem konkreten Auslöser der Eskalation verlief letztlich allerdings erfolglos. Das gilt auch für das genaue Zustandekommen der Szenerie, bei der das Video einsetzt. Das KSG äußerte die Vermutung, dass schon vor dem Aufnahmestart etwas geschehen sein müsse.

DJK SF Nette: Attackierter Spieler gerät in den Fokus

Schließlich waren da schon mehrere Ordner und der eigentlich des Feldes verwiesene Nette-Fußballer, der Opfer der Sprungattacken wurde, wieder mitten auf dem Platz. Dabei sollten sich die Geschehnisse eigentlich unmittelbar, also eher Sekunden als Minuten, nach Abpfiff ereignet haben.

Auch die Rolle des attackierten Nette-Spielers blieb am Mittwoch nicht restlos geklärt. Er bestritt den Vorwurf, selbst gewalttätig geworden zu sein. Die Saxonia-Zeugen zeigten sich verwundert, dass er nach Abpfiff mit auf links gezogenem Trikot so schnell wieder mitten auf dem Platz gestanden habe.


Das widerlegte der Nette-Fußballer in typischer Kreisliga-Manier: Er habe sein Trikot umgedreht, um nach seinem Platzverweis rauchen zu können – das koste ansonsten Strafe in die Mannschaftskasse.

Der Nette-Spieler beteuerte, er habe nur einen heraneilenden Saxonia-Fußballer von einem Teamkollegen „weghalten“ wollen. Zudem gab es Unstimmigkeiten über seinen Aufenthaltsort. Der Vorsitzende Sportrichter Patrick Neumann hatte „ernste Zweifel“ an seiner Aussage. Damit war die Beweisaufnahme geschlossen.

Patrick Neumann als Vorsitzender und das Kreissportgericht verhandelten den Fall am Mittwochabend.
Patrick Neumann als Vorsitzender und das Kreissportgericht verhandelten den Fall am Mittwochabend. © Timo Janisch

Der Fußballkreis Dortmund beantragte, die Saxonia-Fußballer für sechs und vier Jahre zu sperren – da pustete der Kung-Fu-Springer erstmal kräftig durch. Die Saxonia-Verantwortlichen verwiesen in ihrem Schlusswort darauf, dass die eigenen Spieler noch nie auffällig geworden seien.

Das Kreissportgericht blieb unter den Anträgen des Kreises. Es leitete sogar ein gesondertes Verfahren gegen den Nette-Fußballer wegen eines „tätlichen Angriffs nach Provokation“ ein. Patrick Neumann erklärte, dass der Nette-Fußballer nicht nur in Schutzhaltung agiert habe, sondern auch selbst aktiv Gegenspieler angegriffen habe.

Jahrelange Sperren gegen DJK Saxonia

Natürlich gab es trotzdem lange Sperren gegen die beiden Haupt-Beschuldigten. Das KSG sperrte den Spieler, von dem der erste Kung-Fu-Tritt ausging, für drei Jahre und den anderen Saxonia-Fußballer für zwei Jahre. Weitere Strafen, etwa gegen die Vereine, verhängten Neumann und seine Kollegen Alfred Sellung, Jürgen Oelker und Hasan Kayabasi nicht. Das Rückspiel stellten sie unter Kreisaufsicht.

Der Schiedsrichter, der die Vorkommnisse nicht protokolliert hatte, spielte am Mittwochabend nur eine Nebenrolle. Ihm konnte nicht nachgewiesen werden, sich entgegen seiner Äußerungen zu Beginn der Auseinandersetzungen noch in Sicht- und Hörweite befunden zu haben.