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„Halt die Fresse“: Dortmunder Fußballer brachte beim Länderspiel den Störer zum Schweigen
Deutschland - Argentinien
Als jemand in der Schweigeminute vor dem Länderspiel zwischen Deutschland und Argentinien die Nationalhymne anstimmte, rief ihn ein Dortmunder zur Ordnung - und erhielt deutschlandweit Applaus.
Stille in einem mit zehntausenden Zuschauern besetzten Stadion ist etwas besonderes. Denn dass so viele Menschen gleichzeitig schweigen, kommt gerade bei einem Fußballspiel selten vor. Doch am Mittwoch war es vor dem Länderspiel zwischen Deutschland und Argentinien in Dortmund mal wieder so weit.
„Halt die Fresse“
Der Anlass war der antisemitische Angriff auf eine Synagoge in Halle an der Saale mit zwei Toten. 45.196 Zuschauer schwiegen, um der Opfer zu gedenken, nur einer meinte, es wäre eine gute Idee, in die Stille hinein die Deutsche Nationalhymne zu singen.
Weit kam er allerdings nicht, kurz bevor das Wort „Vaterland“ an der Reihe gewesen wäre, wurde er jäh gestoppt: „Halt die Fresse“ schallte es durch den Signal-Iduna-Park, gefolgt von einem warmen Applaus der Zuschauer und einem Schmunzeln des späteren Torschützen Serge Gnabry.
Anstand bedeutet manchmal auch etwas direkter zu reagieren, wenn sich jemand bewusst in aller Oeffentlichkeit daneben benimmt.
— Sascha Pallenberg 潘賞世 (@sascha_p) October 10, 2019
Dank #haltdiefresse weiss ich wieder, dass bei den Menschen im Pott das Herz am richtigen Fleck sitzt!pic.twitter.com/OtcuvOJWlP
Verantwortlich für den Ruf war der Dortmunder Fußballer Jens Jäkel. Der 33-Jährige war mit ein paar Freunden im Stadion und konnte in dem Moment, in dem der Störer die Hymne sang, nicht mehr an sich halten: „Das sprudelte einfach aus mir raus“, sagt der Akteur vom Bezirksligisten VfR Sölde, der zuvor jahrelang für Westfalia Wickede gespielt hatte. „Als es draußen war, hab ich erst kurz gedacht: Oh, oh, war das jetzt richtig? Aber der Applaus hat ja dann gezeigt, dass es die richtige Reaktion war.“
Nicht nur der Applaus, sondern auch eine Welle der Unterstützung im Internet. Der Hashtag #haltdiefresse macht als Anti-Nazi-Slogan die Runde, Videos von Jäkels Ruf werden millionenfach geteilt, mittlerweile gibt es sogar T-Shirts mit dem Hashtag zu kaufen. Von einem Instagram-Account mit 121.000 Abonnenten wird er als „Man of the Match“ vorgeschlagen.
Jäkel selbst bekommt das alles zunächst gar nicht mit: „Wir waren danach noch feiern. Erst am nächsten Morgen schrieb mir ein Kollege, dass mein Ruf wohl bei Sport1 auf der Website steht und ich mal bei Twitter und Instagram reingucken sollte. Ich dachte, der will mich verarschen.“ Doch ein kurzer Blick in die sozialen Netzwerke später weiß Jäkel: Er hat der Zeitgeist getroffen, weil er sich getraut hat, gegen Dummheit die Stimme zu erheben. Weil er aufgestanden ist, als andere sitzen blieben.

Jens Jäkel ist Fußballer beim VfR Sölde. © Stephan Schuetze
„Ich würde mich jetzt nicht unbedingt als politikinteressiert bezeichnen. Aber wenn es um Ausländerfeindlichkeit oder rechte Geschichten geht und wenn die dann noch in der Öffentlichkeit passieren, würde ich nie den Mund halten und immer dazwischengehen“, sagt Jäkel.
Zweifel erstmal groß
Im Netz sind die Zweifel zunächst trotzdem groß, als er sich unter den Beiträgen zu erkennen gibt. „Es ist natürlich schwer nachzuweisen, dass ich das war. Ich kann nur die Jungs nennen, mit denen ich im Stadion war. Aber ich würde mich bei solch einer Sache auch nicht mit fremden Federn schmücken“, sagt Jäkel. Seine Kollegen bestätigen die Geschichte.
Die meisten Nachrichten, die er bekommt, sind allerdings wohlwollend: „Ich war sehr positiv überrascht von den ganzen Reaktionen. Das war der Wahnsinn“, sagt Jäkel. Am Freitag interviewt ihn auch noch die 11Freunde.