Drei Akteurinnen im Sport fordern echte Gleichberechtigung Das ist kein „Frauenthema“

Gleichberechtigung ist kein „Frauenthema“
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Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist weiblich, in Deutschland sind es 51,7 Prozent. Und doch hat die Mehrheit – auch im männerdominierten Sport – noch an vielen patriarchalischen Fronten zu kämpfen. Was haben die Frauen bisher erreicht, wo drückt noch der Schuh?

Wir haben drei Frauen, die sich seit langem im und für den Breiten- und Leistungssport engagieren, drei Fragen gestellt und neun interessante Antworten erhalten: Bundestags-Abgeordnete Sabine Poschmann, Ruder-Bundestrainerin Sabine Tschäge und Ute Mais, Bürgermeisterin der Stadt Dortmund.

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Sabine Poschmann, Sabine Tschäge und Ute Mais

Poschmann (56) ist Betriebswirtin aus Dortmund, sitzt seit 2013 für die SPD im Bundestag und ist seit 2021 sportpolitische Sprecherin ihrer Partei und gehörte dem Sport- und Wirtschaftsausschuss an. Sie wurde gerade erneut in den Bundestag gewählt. Ihr Ziel: Den deutschen Spitzensport zurück auf absolutes Top-Niveau bringen.

Tschäge (54) aus Mülheim, erste hauptamtliche Trainerin im Männer-Riemenbereich des Deutschen Ruderverbandes und damit des Deutschlandachters, coachte den leichten Doppelzweier 2021 bei den Olympischen Spielen zu Silber und wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund als „DOSB-Trainerin des Jahres“ ausgezeichnet.

Mais (61), seit 2020 Bürgermeisterin der Stadt Dortmund sowie sport- und kulturpolitische Sprecherin der CDU im Rat der Stadt. Freiberuflich arbeitet Mais als Fachübungsleiterin im Kinder-, Reha- und Seniorensport und setzt sich in der Sportpolitik besonders für moderne Sportstätten und Integration von Sport in Kindergärten ein.

Worüber müssen wir Frauen im Sport zum Weltfrauentag dringend reden?

Sabine Poschmann: Nicht nur am Weltfrauentag, sondern jeden Tag sollten wir uns um Gleichberechtigung im Sport kümmern! Frauen leisten Großartiges – auf dem Platz, auf der Bahn, im Wasser. Doch sie bekommen nicht die gleiche Aufmerksamkeit, nicht die gleiche Anerkennung wie Männer. Das muss sich ändern!

Sabine Tschäge: Im Sport sind wir immer noch zu wenige Trainerinnen im High Performance/Elite-Bereich. Viele Frauen arbeiten im Nachwuchs- und Anschlussbereich. Auch in den höchsten Entscheidungsgremien beziehungsweise Vorstandsämtern gibt es ein Ungleichgewicht. Es sollte zum Beispiel selbstverständlich sein, dass Frauen auch Männermannschaften trainieren. Das erlebe ich noch anders.

Ute Mais: Frauen müssen darüber reden, dass sie im Sport oft noch immer weniger verdienen, weniger mediale Aufmerksamkeit bekommen und schlechtere Trainingsbedingungen haben. Es geht nicht nur um den Profisport – auch im Breitensport gibt es Hürden, sei es durch fehlende Vorbilder, Stereotype oder ungleiche Förderung. Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen, mehr Anerkennung und gleiche Chancen auf allen Ebenen.

Sabine Tschäge steht vor einem Haus und lächelt in die Kamera.
Sabine Tschäge wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund als „DOSB-Trainerin des Jahres“ ausgezeichnet. © IMAGO/Sven Simon

Aus eigener Erfahrung: Wo hakt es noch beim Thema Gleichberechtigung?

Sabine Tschäge: Wie ich es eingangs schon beschrieben habe, sind es überwiegend Männer, die in Schlüsselpositionen arbeiten. Es fehlen Vorbilder und Netzwerke für Frauen. Ich selber bin die einzige Frau, die in unserem Verband als Bundestrainerin arbeitet, ich denke, das ist leider in vielen Verbänden der Fall, ich bilde da keine Ausnahme.

Ute Mais: Gleichberechtigung ist kein Selbstläufer – sie muss erkämpft und verteidigt werden. Ich sehe immer noch, dass Frauen häufiger unterbrochen werden, sich stärker beweisen müssen und oft unterschätzt werden. In vielen Bereichen ist es schwerer für Frauen, Karriere und Familie zu vereinbaren, weil alte Rollenbilder weiterwirken. Auch die ungleiche Bezahlung ist ein Dauerthema. Wir brauchen klare Strukturen, die Frauen wirklich voranbringen.

Sabine Poschmann: Der Sport ist noch immer strukturell auf Männer ausgerichtet: In den Verbänden sitzen überwiegend Männer, sportwissenschaftliche Forschung orientiert sich am männlichen Körper, und Männersport dominiert die TV-Sendezeiten. Frauen müssen sich ihren Platz oft erkämpfen – ob als Athletin, Trainerin oder Funktionärin. Im Breitensport sind nur 40 Prozent der Vereinsmitglieder weiblich. Ein Grund ist, dass Frauen immer noch mehr Care-Arbeit übernehmen und Sport für sie oft hinten anstehen muss. Und weil es noch zu oft heißt: „Mädchenmannschaften? Haben wir leider nicht.“ Sport für Frauen muss selbstverständlich sein – überall! Positiv stimmt mich, dass es Fortschritte gibt: In der Forschung wird inzwischen diverser gearbeitet – ein Beispiel sind zyklusbasierte Trainingspläne für Frauen. Solche Entwicklungen zeigen, dass Veränderung möglich ist, wenn wir dranbleiben!

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Weltfrauentag

Am Weltfrauentag rücken wir Dortmunder oder in Dortmund tätige Frauen in den Fokus, die im Sport eine wichtige Rolle spielen. Im Dortmunder Lokalsport veröffentlichen wir an diesem Tag nur Inhalte, in denen Frauen im Zentrum stehen.

Ute Mais spricht in ein Mikrofon.
Ute Mais ist sport- und kulturpolitische Sprecherin der CDU im Rat der Stadt. © IMAGO/Funke Foto Services

Was können Frauen selber tun und was die Männer?

Sabine Poschmann: Frauen dürfen gerne mutiger sein, es geht aber nicht ohne die Solidarität der Männer! Gleichberechtigung ist kein Frauenproblem, sondern eine Aufgabe für alle. Wer mehr Frauen im Sport sehen will, muss sie sichtbar machen: in Führungspositionen, in der Berichterstattung, in den Vereinen.

Sabine Tschäge: Frauen, die in Führungspositionen im Sport streben, sollten sich von blöden Sprüchen und Frotzeleien der Männer nicht abschrecken lassen. Der Klassiker ist ja, wenn man erzählt, dass man Trainer ist, kommt die Frage, was man sonst noch so macht. Einen Jürgen Klopp hätte man doch auch nicht gefragt, oder? Wichtig ist auch, wenn es sportlich mal einen Misserfolg gibt, nicht zu kritisch mit sich selbst sein. Männer machen genau so viele Fehler, weisen sie meines Erachtens nach aber meistens geschickter und selbstsicherer von sich weg. Männer sollten akzeptieren, dass Frauen Projekte anders angehen und zum Ziel führen. Machtkämpfe und Rudelbildungen mit einem Leitwolf wollen Frauen nicht, sie finden es nicht hilfreich, und sie brauchen auch nicht die Ränkekämpfe.

Ute Mais: Frauen sollten sich gegenseitig unterstützen, Netzwerke bilden und sichtbar sein. Sich nicht entmutigen lassen und selbstbewusst ihren Platz einfordern. Männer können aktiv mithelfen, indem sie Gleichberechtigung nicht nur befürworten, sondern auch leben – zum Beispiel in Meetings darauf achten, wer gehört wird, und Verantwortung in Familie und Haushalt selbstverständlich übernehmen. Gleichberechtigung ist kein „Frauenthema“, sondern eine Frage der Gerechtigkeit für alle.