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Früher mischte der Vater Dortmunds Amateurfußball auf, sein Sohn tut es nun in der Oberliga
Amateurfußball
Der Vater ist jedem bekannt in Dortmunds Amateurfußball. Sein Sohn wohl noch nicht so vielen. Und das, obwohl er mit dem TuS Bövinghausen und Türkspor Dortmund verhandelte. Eine Home-Story.
Es gibt Gastfreundschaft. Dieser Begriff alleine reicht allerdings nicht aus, um das zu beschreiben, was Besucher im Hause von Osman Erdogan (48) erwartet. Türkischer Kaffee duftet im schicken, blitzsauberen Wohnzimmer. Der Tisch füllt sich im Nu mit Leckereien verschiedener Geschmacksrichtungen. Da kann der Gast noch so höflich ablehnen: Die Erdogans fahren richtig auf. Dabei sollte es nur um Fußball gehen. Der Papa nimmt Platz, lächelt milde und erinnert sich an die Zeiten, in denen er im Dortmunder Amateurfußball einer der bekanntesten und erfolgreichsten Spieler war. Höflich ergänzt Sohn Lokman ein paar Eckpfeiler in Papas Karriere.
Der Älteste von Vieren hat aber auch einiges zu erzählen. Er hat in seinen 25 Jahren schon so viel erlebt, dass er den ganzen schönen Nachmittag hätte füllen können. Die Frage, warum er nach seinen fünf Jahren in der Türkei zu Westfalia Herne ging und nicht zu einem Dortmunder Klub, obwohl er nicht unweit des Elternhauses in Kirchderne mit seiner Frau Vildan in Lanstrop wohnt, löst er später auch auf. Sauberkeit bedeutet im Hause Erdogan bestimmt nicht sterile Kälte. Nicht nur das Spontan-Buffet, auch der bald reinstürmende Berkay (14) zeugen von großer menschlicher Wärme. Ein Teil der Fußballerfamilie, um den es in dieser Homestory geht, ist also da.
Und das heißt: Der Rahmen steht, das Programm darf beginnen. Also schwelgt zunächst der Papa in Erinnerungen: „Die schönste Zeit war die beim SC Fatih. Wir stiegen zweimal auf. Aber ich war auch gerne beim TuS Eving-Lindenhorst. Schade, dass es diese Vereine in der Form nicht mehr gibt.“ Zudem spielte Osman Erdogan für Holzwickede in der Oberliga, Hombruch. Zeit für Lokman, das erste Mal dem Vater zu soufflieren: „Papa hat mit Axel Schmeing, der heute Lünen trainiert, zusammengespielt. Der wohnt hier um die Ecke.“
Osman lächelt. Ständig fallen jetzt Namen aus der Zeit, als er aktiv war. Wohl jeder, der sich für den Dortmunder Fußball interessiert, hat sie schon gehört. Eckehard Eigenwillig, Salvatore d’Amato, Hakan Tasli oder Dimitrios Kalpakidis. Osman kennt sie fast alle persönlich. Das Kind des FC Merkur wohnte Jahrzehnte in der Nähe des Nordmarktes. „Viele aus der Nachbarschaft spielten in einem der alten Traditionsvereine.“ Dennoch: Vor ein paar Jahren wollte der Industriemechaniker seiner Familie ein ruhigeres Umfeld mit mehr Grün gönnen.

Eine Erinnerung aus alten Tagen. © Archiv
Hier im schmucken Reihenhaus ist Platz für „uns Familienmenschen“. Osman erinnert sich an Zeiten, als seine Gattin und er früher auf anderen Grünflächen mit dem kleinen Lokman spielten. Mama schaukelte den Sohnemann immer so, dass der vom Papa gerollte Ball vor den linkem Fuß kam. Klein-Lokman gluckste vor Freude. Und die Familie hatte einen weiteren Linksfuß. „Das ist unser Markenzeichen“, greift Osman auf Lokmans Geschichte vor. Und dazu: „Wir spielten oder spielen beide zentral: ich offensiv, Lokman auf der Sechs oder Acht. Und wir übernehmen beide Verantwortung.“
Osman beendet die Karriere wegen Lokman
Aus dem Kleinkind mit dem starken Linken wurde schnell ein großes Talent. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Erdogan-Stamm. „Wegen ihm habe ich meine Karriere beendet“, erklärt der Papa. Denn die Wochenenden verbrachte die zunächst noch kleine Familie unterwegs für Lokmans Spiele, unter anderem für den VfL Bochum. Preußen Münster wurde auf den Junior aufmerksam. Wäre nur die vielen Verletzungen nicht gewesen. Irgendwann fing es an, dass der Weg des Talentes immer steiniger wurde. Nach einigen Einsätzen in der Preußen-Reserve lockte ihn die Sonne. Fünf Jahre lang versuchte Lokman Erdogan in der Türkei sein Glück. „Selbst wenn ich mich wegen diverser Verletzungen nie richtig durchgesetzt hatte, möchte ich die vielen schönen Erfahrungen nicht missen.“
Die U21 von Antalyaspor, Kemerspor, Etimesgut, Ofspor, Bergama hießen die Stationen. Viele junge Männer trauern den verpassten Chancen nach. Lokman Erdogan nicht: „Ich habe meine Frau gefunden und im Fußball immer die positiven Dinge mitgenommen.“ Jetzt meldet sich der Vater unterstützend zu Wort: „Wir sind gläubige Menschen. Aus allem Schlechten entsteht Gutes, heißt es.“ Der Sohn nickt.
Da es für den ganz großen Fußball nicht mehr reichen würde, bastelte Erdogan Junior am Plan B. Er kam nach Deutschland zurück und überlegte, wo er welche Ausbildung beginnen könnte. Da passt es gut, dass er Kontakte zu Spielern von Westfalia Herne hatte. „Und auch den damaligen Trainer Christian Knappmann kannte ich schon gut.“
Obwohl Lokman Erdogan locker hätte einen ambitionierteren Verein gefunden als das Oberliga-Schlusslicht. Aber da war ja Plan B. Und Herne vermittelte ihm den gewünschten Ausbildungsplatz in der Automobilbranche. Die Frage, warum nicht seine Heimatstadt Dortmund, hat sich damit fast schon erledigt. Aber der begehrte 25-Jährige fügt hinzu: „Ja, ich hatte nette Gespräche mit TuS Bövinghausen und Türkspor Dortmund, interessante Vereine, aber ich wollte lieber in die Oberliga.“ Mittlerweile ist Erdogan in Herne Kapitän, aber der Abstieg droht. „Wir kämpfen bis zum Schluss“, verspicht er. „Wir“ meint das Team, zu dem er sich trotz Schultereckgelenkprengung zählt. Wieder ist er verletzt. Wieder die Gelassenheit! „Ich habe mit Herne verlängert, weil der Verein mich trotz Verletzung unterstützt. Ich komme bald wieder!“

Schwelgen in Erinnerungen des Vaters: die Erdogans. © Nähle
Jetzt nickt der Papa zustimmend. Und wenn der Sohn den Papa so betrachtet, denkt er doch an eine Dortmunder Zukunft, eine Zukunft in seinem Revier. Beide betrachten ein schönes Pressefoto im ordentlich gepflegten Album. Darauf zu sehen ist ein jüngerer Osman, der einen kleinen Lokman in den Armen hält. „Das waren gerade in der Halle tolle Zeiten“, muss der Papa seinem Filius erst gar nicht den Mund wässrig reden. Denn der heute Erwachsene ergänzt: „Ich war immer dabei, wollte mit. Papa war dreimal Torschützenkönig. Und ja, auch ich liebe es, in der Halle zu zocken. Damals 2000, heute über 4000 Leute an einem Tag der Endrunde. Wahnsinn! Das möchte ich erleben.“
Jetzt spielen Papa und Sohn verbalen Doppelpass von Couch zu Couch. „Nirgendwo war es so schön wie in Dortmund. Das Interesse am Fußball und der Zusammenhalt sind einzigartig. Ich habe ja mal für Hohenlimburg gespielt. Hagen ist auch eine große Stadt. Aber das kommt an Dortmund nicht heran“, sagt Osman. Lokmans Augen leuchten. Seine Augen verraten ihn. Er hält auch nicht damit hinterm Berg: „Ich bleibe jetzt in Herne. Doch dann kehre ich vielleicht zurück, besonders wegen der Halle.“
Den Papa wird es freuen. Wenn es die Zeit zulässt, ist er jetzt ständiger Begleiter des Sohnes: „Papa ersetzt mir den Berater. Auf ihn höre ich.“ Osman sagt, der Junge wisse aber auch selbst, was gut für ihn sei. So klingt wechselseitiges Vertrauen. Und dann meldet sich Berkay zu Wort, der sich für den netten Plausch im Wohnzimmer extra aus der Schule beeilt hatte. „Lokman ist mein Vorbild. Und Papa kommt auch zu meinen Spielen.“ Der fröhliche Berkay kickt übrigens für den VfL Kemminghausen.
Serkan Erdogan spielt beim SC Osmanlispor
„Ich hatte sieben Geschwister, wollte selbst viele Kinder haben“, sagt der lachende Herr Papa. Dieses Ziel hat er erreicht, denn den 23 Jahre alten Serkan, die Nummer zwei, gibt es ja auch noch. Er ist übrigen im Kader des Kreisligisten SC Osmanlispor die Nummer eins. „Und dann haben wir auch doch noch ein Mädchen bekommen“, legt Osman alle mögliche Wärme in seine Worte. „Ich bin aber die Nummer drei“ stellt Berkay klar.
Draußen scheint die Sonne. Osman zückt sein Handy mit Trabzonspor-Hülle. „Ich komme aus Trabzon. Ich lebe gerne hier. Aber die Sonne fehlt mir. Das gute Wetter macht aus uns entspannte Menschen.“ Kann gut sein, dass er irgendwann, wenn alle Kinder groß sind, zurück in die Türkei geht. In der Fußballerfamilie ist aber nicht auszuschließen, dass eins der vier Erdogan-Kinder so attraktiv spielt, dass der Papa doch lieber bei ihnen bleibt. Familie geht für ihn immer vor. Und der türkische Kaffee schmeckt nun wirklich auch in Kirchderne ganz ausgezeichnet.
Dortmunder Jung! Seit 1995 im Dortmunder Sport als Berichterstatter im Einsatz. Wo Bälle rollen oder fliegen, fühlt er sich wohl und entwickelt ein Mitteilungsbedürfnis. Wichtig ist ihm, dass Menschen diese Sportarten betreiben. Und die sind oft spannender als der Spielverlauf.
