Frauenfußball-Boom in Dortmund dank BVB-Engagement? Es gibt auch harsche Kritik

Frauenfußball-Boom in Dortmund dank BVB-Engagement?: Das sehen nicht alle nur positiv
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Im Jahr 2021 war es nach langer Zeit der Spekulationen so weit: Mit dem BVB beschloss auch der größte Dortmunder Fußballverein den Einstieg in den Frauenbereich. Dabei entschied man sich gegen das Erwerben einer Lizenz eines hochrangigen und etablierten Frauenfußballklubs – und für den organischen Aufbau aus der Kreisliga heraus.

Nun, drei Jahre später steht der Klub mit seiner Frauenmannschaft vor der ersten Westfalenliga-Saison der Vereinsgeschichte und auch die Zweitvertretung darf in der Landesliga agieren.

„Der Einstieg des BVB hat dem Dortmunder Frauenfußball merklich gutgetan, das können wir mit steigenden Zahlen nachhaltig belegen“, weiß Kreisvorsitzender Andreas Edelstein. So seien vor allem Mitgliederzahlen teils merklich in die Höhe gegangen, was auch Svenja Schlenker, Abteilungsleiterin Frauenfußball bei Borussia Dortmund, freut: „Sollte dieses Wachstum im Zusammenhang mit dem BVB stehen, wäre das ein toller Nebeneffekt.“

TV Brechten kritisiert den BVB

Kritik ist dagegen vor allem aus den Reihen einiger Liga-Kontrahenten der BVB-Damen zu vernehmen. „Die Voraussetzungen sind natürlich nicht fair. Die Dortmunder haben deutlich bessere finanzielle Möglichkeiten und eine höhere Strahlkraft, obwohl die übrigen Teams ebenfalls eine richtig gute Arbeit machen“, kritisiert beispielsweise Christian Sommer, Trainer des TV Brechten.

Zur Erklärung: Der TV Brechten kämpfte im vergangenen Jahr in der Landesliga aufgrund massiver BVB-Dominanz einzig um den zweiten Rang, in diesem Jahr wartet die Zweitvertretung auf die Mannschaft von Christian Sommer und gilt dabei ebenfalls als großer Aufstiegsfavorit.

Der Tv Brechten bei der HSM gegen den BVB
TV Brechten gegen den BVB: Im vergangenen Jahr war das meist ein eindeutiges Duell. © Stephan Schuetze

Auf Anfrage unserer Reaktion bestätigt auch der BVB, dass man sich der Kritik einiger Klubs am gewählten Weg der Borussia immer bewusst gewesen sei.

„Für einige Teams, die ansonsten um den Aufstieg mitspielen würden, sind das praktisch verschenkte Jahre. Das nimmt natürlich auch merkbar die Motivation, wenn man weiß, dass man eigentlich nur noch um den zweiten Rang spielen kann“, spielt Sommer auf die Gegebenheiten von nur einem bestehenden Aufstiegsplatz an. So sei ausnahmslos jedes Team froh gewesen, die BVB-Frauen nun nicht mehr in der Liga zu haben.

TuS Eichlinghofen zeigt Verständnis

Jürgen Engelhardt, Sportlicher Leiter des TuS Eichlinghofen, sieht das Dortmunder Engagement dagegen als weniger problematisch: „Wenn ich diese Möglichkeiten hätte, würde ich ziemlich sicher genauso handeln. Aus Sicht der Vereine muss man da nun mal ein paar Jahre durch, da Geld einfach den Fußball regiert.“

Ähnliche Argumente bringt auch der BVB vor und erklärt: „Sollten wir unseren Weg so erfolgreich fortsetzen können, wird es bald auch sportlich wieder spannender für Mannschaften mit Aufstiegsambitionen“, so Svenja Schlenker.

Andreas Edelstein zeigt ebenfalls Verständnis für die schwierige Situation einiger Klubs, doch hebt vor allem die veränderten Voraussetzungen hervor: „Die übrigen Dortmunder Klubs gehen größtenteils in den Breitensport-Bereich. Mit dem BVB haben wir nun endlich auch eine Spitze, die den Standort Dortmund für den Frauenfußball attraktiv macht.“ Das sei bislang nie der Fall gewesen, sei aber essenziell, damit starke Dortmunder Fußballerinnen nicht den Weg in umliegende Städte antreten müssten.

Andreas Edelstein
Andreas Edelstein ist Kreisvorsitzender des FLVW Dortmund © Stephan Schuetze

Doch wie zuletzt etwa die Abstiegsserie des SV Berghofen aufgezeigt hat: Die Folgen des BVB-Einstieges sind bereits jetzt klar erkennbar. „Zu sagen, dass sie am Vereinssterben schuld sind, wäre zu viel. Aber natürlich hat es negative Auswirkungen auf die übrigen Klubs, wenn auf einmal der BVB so viel attraktiver wird als man selbst“, so Brechtens Christian Sommer.

Engelhardt und auch Edelstein verweisen dagegen etwa auf die positive Entwicklung der Hallen-Stadtmeisterschaft. So durften die Frauen im vergangenen Januar ein erstes Mal ihre Endrunde auf großer Bühne in der Helmut-Körnig-Halle austragen und auch ein deutlich höheres Sponsoren-Interesse sei seit dem BVB festzustellen. Laut Svenja Schlenker habe vor allem bei Heimspielen auch jeder Gegner von Eintrittsgeldern und Catering-Einnahmen profitieren können.

Frauen-Fußball boomt in Dortmund

Was für Jürgen Engelhardt bei aller für ihn verständlicher sowie unverständlicher Kritik am BVB-Engagement allerdings klar ist: Der Frauenfußball in Dortmund boomt, allen voran auch bei ihm in Eichlinghofen: „Was bei uns aktuell zahlentechnisch passiert, ist wirklich unvorstellbar.“

Der TuS geht so in der kommenden Spielzeit mit zwei Frauen- sowie drei Mädchen-Mannschaften in die Saison. „Es ist natürlich schwer zu sagen, wo dieser Zulauf herkommt, es ist aber wahrscheinlich eine Mischung aus dem BVB-Boom und unserer eigenen Initiative“, mutmaßt Engelhardt.

Die Spieler des TuS Eichlinghofen jubeln in der Halle
Der TuS Eichlinghofen darf sich mittlerweile über eine große Frauen-Abteilung freuen © Stephan Schuetze

Auch Andreas Edelstein sieht den Dortmunder Frauenfußball im westfälischen Vergleich stark aufgestellt – und das mittlerweile sogar auf einem Niveau mit den Männern: „Wenn wir uns die überkreislichen Teams bei den Frauen und bei den Männern anschauen, sind wir etwa bei derselben Quote“, erklärt er. So seien die Dortmunder Teams, prozentual zu allen spielberechtigten Mannschaften in den Ligen, bei beiden Geschlechtern ähnlich häufig vertreten.

Doch perfekt ist noch lange nicht alles: „Viele Vereine müssen einfach ihre Einstellung ändern und den Fokus nicht einzig auf den Männerbereich legen. Dann sind wir bald hoffentlich noch besser aufgestellt“, resümiert Jürgen Engelhardt passend.

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