Eigenständig, zielstrebig, ehrgeizig: Nina Braun ist Dortmunds schnellste Sprinterin

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Eigenständig, zielstrebig, ehrgeizig: Nina Braun ist Dortmunds schnellste Sprinterin

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Nina Braun ist Dortmunds schnellste Sprinterin. Sie hofft jetzt auf einen Staffelplatz bei der U23-EM in Schweden. Im Interview spricht sie über ihre Ziele und den Spagat zwischen Sport und Studium.

Dortmund

, 02.07.2019, 10:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Geballte Energie, die sich auf 1,63 Meter und 53 Kilogramm verteilen, das ist Nina Braun, mit 11,78 Sekunden Dortmunds schnellste 100-Meter-Sprinterin dieses Jahres. Bei den Deutschen Meisterschaften der WU23 erkämpfte die trittschnelle Athletin Rang sieben und befindet sich seitdem im Fokus des Bundestrainers für die 4x100-Meter-Staffel bei den Europameisterschaften der U23 im schwedischen Gävle. Die Position drei ist für die kleine Sprinterin wie geschaffen.

Nina Braun gelingt es dabei in erstaunlicher Weise, Leistungssport und Studium miteinander zu verknüpfen. Horst Merz hat mit ihr gesprochen.

Wie sind Sie aus dem Siegerländer Wilnsdorf nach Dortmund gekommen?

Nach meinem Abitur wurde mir im zentralen Vergabeverfahren ein Medizinstudienplatz in Bochum zugewiesen. Ich hatte über Gina Lückenkemper und Uli Kunst Kontakt zur LGO und habe mich dieser Trainingsgruppe angeschlossen. Seit 2016 trainiere ich bei Thomas Kremer, der schon im Jugendbereich mein Bundestrainer war.

Wie gelingt es Ihnen, Leistungssport und ein sehr zeitaufwändiges Studium unter einen Hut zu bringen?

Inzwischen hat sich eine gewisse Routine eingespielt. Man muss häufig abwägen, wie man seine Zeit einteilt, und ich musste einsehen, dass man nicht 100 Prozent Studium und 100 Prozent Leistungssport betreiben kann, sondern an der einen oder anderen Stelle seinen Ehrgeiz etwas zurückstellen muss. Durch optimales Zeitmanagement kann man beide Bereiche gut kombinieren. Richtig stressig wird es, wenn Klausurphasen und Meisterschaften in den gleichen Zeitraum fallen, und das ist fast in jedem Semester der Fall.

„Aufgeben war keine Option.“

Wie oft trainieren Sie mit welchen Schwerpunkten?

Ich hatte 2018 große gesundheitliche Probleme, die zwei Operationen erforderten. Ich habe lange gebraucht, um mich davon körperlich und mental zu erholen. Es lief einfach nicht rund. Aber Aufgeben war keine Option. Wesentlich hat mir auch die Gelassenheit, Geduld und Zuversicht meines Trainers Thomas Kremer geholfen, und ich bin ihm für sein Engagement sehr dankbar. Nach elf Monaten Wettkampfpause fiel es schwer, die erlernte Technik unter Stress umzusetzen und die Reaktionszeit ließ zu wünschen übrig. Jetzt in der Vorbereitungsphase trainiere ich sechsmal in der Woche und vor Wettkämpfen etwas weniger. Während der letzten Wochen haben wir den Fokus auf Starts und Beschleunigung gelegt und die Grundschnelligkeit gehört zu meinen Stärken.

Sind Sie eine trainingsfleißige, pflegeleichte Athletin oder müssen Sie angetrieben werden?

Seine Eigenarten und Macken bringt wohl jeder Athlet mit. Ich würde mich selbst als eigenständigen, zielstrebigen und ehrgeizigen Menschen bezeichnen, mit meinem Dickkopf stehe ich mir aber manchmal selbst im Weg. Ich hinterfrage häufiger Trainingsinhalte oder Methoden und schätze konstruktive Diskussionen. Klar hat jeder Sportler Momente, wo man am liebsten auf dem Sofa liegen bleiben würde, doch ich kann mir ganz gut selbst in den Hintern treten.

Wie weit sind Sie mit Ihrem Studium?

Derzeit studiere ich im achten Semester und habe bis jetzt alles in Regelstudienzeit geschafft. Ende Dezember schließe ich die letzten Klausuren an der Uni ab, danach stehen nur Praktika an den Krankenhäusern auf dem Programm. Im Oktober 2020 schreibe ich mein zweites Staatsexamen und dann folgt das Praktische Jahr. Wenn alles so weiter läuft, bin ich mit 24 Jahren fertige Ärztin.

Bleibt noch Zeit für Hobbys?

Ehrlich gesagt: „Nein.“ In der wenigen freien Zeit treffe ich mich gerne mit Freunden oder meiner Familie. Gemeinsames Kochen und Essen ist da sehr beliebt oder einfach mal die Seele baumeln lassen.

Was war Ihr bisher eindrucksvollstes Erlebnis?

2015 sind wir mit der U 20 Nationenstaffel Weltjahresbestzeit gelaufen und als klarer Favorit zur EM nach Schweden gefahren. Im Finale lagen wir weit in Führung als Lisa Mayer und Gina Lückenkemper das Staffelholz verloren haben. Das hat auf mich einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen, weil es einfach so bitter und ärgerlich war.

„Die Mentalität, sich zurückkämpfen zu können, wieder aufzustehen und weiterzumachen ist viel mehr wert als jede Medaille, darauf bin ich wirklich stolz.“

Welche Ihrer Leistungen bewerten Sie am höchsten?

Sportlich gesehen, war mein neunter Platz über 100 Meter bei der U20-EM 2015, als mir nur Hundertstel zum Finaleinzug fehlten am höchsten einzustufen. Für mich ist es aber viel wertvoller nach meinen gesundheitlichen Miseren wieder fit mit Freunden auf der Bahn zu stehen. Die Mentalität, sich zurückkämpfen zu können, wieder aufzustehen und weiterzumachen ist viel mehr wert als jede Medaille, darauf bin ich wirklich stolz.

Waren Ihre Eltern sportlich aktiv?

Unsere Familie hat der Leichtathletik-Virus gepackt. Meine Eltern und mein Bruder haben zwar nur Freizeitsport betrieben, haben aber mich und meine sehr erfolgreiche Schwester immer unterstützt. Ich bin froh, dass ich in der Familie diesen Rückhalt habe.

Wie stellen Sie sich nach Abschluss Ihres Studiums Ihren weiteren Weg vor? Ist dann der Lebensabschnitt Leichtathletik schon abgeschlossen?

Ein Prophet bin ich nicht und meine Zukunft habe ich zum Glück nicht bis ins kleinste Detail geplant. In meinen Praktika habe ich insbesondere Gefallen an der Neurochirurgie gefunden. Ganz mit der Leichtathletik abschließen werde ich hoffentlich nie.