Dortmunderin gewinnt Medaille in Paris „Diese superverrückte Zeit übertrifft alles“

Dortmunderin gewinnt Bronze-Medaille in Paris: „Diese superverrückte Zeit übertrifft alles“
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Nach einem wilden olympischen Ritt durch ihre persönliche Ruder-Geschichte braucht Tabea Schendekehl erst einmal ein paar Tage Abstand. Die Bronze-Medaillengewinnerin mit dem deutschen Doppelvierer urlaubt kurz an der französischen Atlantikküste, „aber zur Schlussfeier der Spiele bin ich wieder in Paris, das will ich unbedingt mitnehmen, um die Reise abzurunden“, sagt die 25-jährige Athletin vom Ruderclub Hansa Dortmund. Im Interview erzählt sie von aufregenden Tagen und einem besonderen Fangirl-Moment.

Ende April haben Sie mit einem Rippenbruch noch um Ihren Paris-Start gebangt, jetzt hängt bei ihrem Olympia-Debüt eine Medaille um Ihren Hals. Was ist das für ein Jahr für Sie?

Es ist eine superverrückte Zeit, die alles übertrifft, was ich mir vorher vorgestellt habe. Mit der Medaille bin ich super happy, das ist alles, was ich mir erträumt habe. Ich habe so viele Nachrichten bekommen, langsam arbeite ich sie alle ab (lacht). Jetzt brauche ich mal ein paar Tage Auszeit, um wieder runterzukommen.

Was war das Verrückteste, was Sie bisher in Paris erlebt haben?

Ach, es gab so viele überwältigende Eindrücke und Emotionen, die da auf uns eingeprasselt sind. Nachdem wir aus dem Boot gestiegen sind, ging es erst richtig los. Siegerehrung, Fotosession, dann Pressekonferenz. Anschließend sind wir von TV-Sender zu TV-Sender gewandert, ARD, Eurosport. Erst sieben Stunden nach dem Rennen konnten wir zum ersten Mal duschen. Dann ging´s weiter ins Deutsche Haus zum Feiern.

Und, wie ausgiebig fiel die Bronze-Party aus?

Es war einfach schön, von so vielen Menschen gefeiert zu werden. Meine Eltern waren da, mein Bruder, mein Onkel Georg (Georg Kreimeyer, Präsident des RC Hansa/die Red.), der mich damals zum Rudern gebracht hat, meine Tante, Freundinnen und Freunde. Am nächsten Morgen ging´s zur PK des DOSB, dann zum Podcast der ARD. Aber das Verrückteste war der Medal Walk im Champions Park am Eiffelturm.

Inwiefern war das verrückt?

Wir wurden auf eine Art Laufsteg geschickt, gesäumt von 13.000 Menschen, die uns lautstark zugejubelt haben, es gab sogar Autogrammwünsche. Ehrlich, wir kommen aus einer Randsportart, das sind wir wirklich nicht gewohnt. Auch bei den Wettkämpfen in Vaires-sur-Marne waren die Tribünen selbst bei den Vorläufen früh morgens schon mit tausenden von Menschen gefüllt, das habe ich noch nie erlebt. Es war schön, diese Wertschätzung für unseren Sport zu spüren.

Der deutsche Frauen-Doppelvierer um Tabea Schendekehl und die weiteren Medaillengewinner auf dem Medal Walk in Paris.
Der deutsche Frauen-Doppelvierer um Tabea Schendekehl und die weiteren Medaillengewinner auf dem Medal Walk in Paris. © AFP

Die deutschen Ruderer haben im Olympischen Dorf gewohnt, haben Sie dort auch andere Sportler getroffen, die Sie bisher nur aus dem Fernsehen kannten?

(lacht) Ich hatte tatsächlich meinen kleinen Fangirl-Moment. Als ich mir morgens einen Kaffee geholt habe, stand plötzlich Wout van Aert vor mir, der belgische Rad-Weltmeister. Es war toll, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Ich bin auch mal an Turnerin Simone Biles vorbeigelaufen. Aber es sind auch die kleinen Momente, die mir in Erinnerung bleiben werden, zum Beispiel, wenn wir unsere Olympia-Pins mit Sportlern aus anderen Nationen tauschen und kurz mit ihnen ins Gespräch kommen. Ich bin froh, dass wir im Dorf untergebracht waren. Diese Begegnungen machen Olympia aus.

Es wurde viel über die recycelbaren Betten im Olympischen Dorf berichtet, waren die wirklich so schrecklich?

Die waren zwar in der Tat ziemlich hart, aber ich konnte gut darauf schlafen, also alles kein Problem.

Haben Sie sich inzwischen auch schon andere Sportarten angeschaut?

Ich war zum Beispiel bei den Handballern bei ihrem Sieg gegen Spanien.

Tabea Schendekehl (2. v. r.) erlebte eine unvergessliche Zeit in Paris.
Tabea Schendekehl (2. v. r.) erlebte eine unvergessliche Zeit in Paris. © AFP

Dann waren Sie ja eine Glücksbringerin ...

(lacht) Bei meinem Bruder Adrian, der Handball-Trainer beim TV Brechten ist, hat das mit mir als Maskottchen bisher nie funktioniert.

Noch einmal zurück zum Final-Rennen. Direkt vor dem Start haben Sie in sich hineingelächelt und eine Handbewegung gemacht. Klären Sie uns auf ...

Ich habe mit den Händen ein kleines Herz geformt, weil es so viele Menschen gibt, die hinter mit stehen, die an mich glauben. Und das Lächeln habe ich von meiner Trainerin an der University of Washington in Seattle gelernt. Einatmen, ausatmen, lächeln, das beruhigt die Nerven. Außerdem fahre ich Ruderrennen, weil es mir Spaß macht, daran möchte ich mich in diesem Augenblick erinnern.

Es war insgesamt eine schwierige Saison für Sie mit großem internen Konkurrenzkampf und Ihrer Rippenfraktur im April. Nach dem Finalrennen wirkten Sie extrem glücklich und befreit....

Hat man mir das angesehen? Ja, so war es tatsächlich, nachdem ich sogar Zeiten hatte, wo ich ganz mit dem Rudern aufhören wollte. Es hat sich alles gelohnt, was man dafür reingesteckt hat. Der ganze Verzicht, die ganzen schweren Stunden. Das fühlt sich grandios an.

Und jetzt beginnt die Vorfreude auf Olympia in Los Angeles 2028?

Jetzt brauche ich erstmal Abstand, ich fahre im September nach Seattle, ein paar Freunde aus der Studienzeit besuchen. Und dann überlege ich nochmal neu.