Nachruf

Dortmunder Fußballer trauern: Bei Waltraud Mai hat schon fast jeder eine Currywurst gegessen

Die Dortmunder Fußballfamilie trauert um eines ihrer ganz besonderen Mitglieder: Waltraud Mai war nicht nur in ihrem Verein Phönix Eving eine Institution.

Dortmund

, 28.09.2020 / Lesedauer: 3 min

Waltraud Mai ist verstorben.

Früher war es oft so: Die Eltern unserer Freunde duzten uns Kinder, wir siezten die Erwachsenen. Waltraud Mai blieb in der sich dem informellen Du immer weiter öffnenden Sportwelt auch für sehr viele Erwachsene Frau Mai. Denn Frau Mai war ganz viel „Früher“. Ein schönes warmes Früher, in dem alles in Ordnung war oder alles wieder gut wurde.

Waltraud Mai ist tot. Sie ist am 24. September im Alter von 88 Jahren gestorben. Als Phönig Eving diese traurige Nachricht am Donnerstag per Facebook verkündete, reagierte die Welt, in der sich alle duzen, in der nicht immer alles gut wird, sehr betroffen. Waltraud Mai war Phönix Eving, Phönix Eving war für viele Waltraud Mai. Frank Hibbeln, Jahrzehnte das Gesicht von Phönix im sportlichen Bereich, sagte mal: „Frau Mai ist mit Geld nicht zu bezahlen. Sie hilft bestimmt seit 50 Jahren bei uns, kauft und brät die Würstchen und wäscht Kluften.“

Früher, so berichten die „alten“ Evinger, brachte Frau Mai die Fans mit ihrem VW-Bus zu den Auswärtsspielen. Wo sie war, war Nächstenliebe. „Mädchen für alles“, dieser Begriff würde der Grande Dame von Eving nicht gerecht. Sie gab den einfachen Dingen so viel Würde. Denn Waltraud Mai hatte Würde. Und ein wunderbares Lachen!

„Waltraud war eine Institution“

Jeder, der sich an die guten Phönix-Zeiten, als der Klub in der Landesliga kickte, erinnert, kam gerne ans Grävingholz. Schon alleine, weil Frau Mai da war. Keiner wäre auf die Idee gekommen, diese Persönlichkeit von sich aus zu duzen. Und doch waren alle, denen sie begegnete, sehr nahe. Frank Hibbeln war einer, der Waltraud zu Frau Mai sagen durfte. Er reagierte betroffen auf die Nachricht: „Waltraud war eine Institution. Ich habe mich informiert. Mit den 50 Jahren lag ich nicht richtig. Seit 1949 war sie in unserem Verein tätig. Eine tolle Frau!“

Wohl fast jeder Fußballer in Dortmund hat Frau Mais liebevoll zubereitete Wurst oder ihre Pommes genossen. Der Schreiber dieser Zeilen gibt gerne zu, dass er zu diesen Leuten zählte: „Ach, der junge Mann, eine Mettwurst für Sie habe ich schon beiseite gelegt. Und natürlich schneide ich die Wurst für Sie klein.“ Dann wieder dieses charmante Lächeln. Egal wer kam, Waltraud Mai war für ihn das schöne Früher. Ein Früher, in dem sich jeder wie ein umsorgtes Kind fühlen durfte – ganz egal, wie er oder sie aussah, wie alt er oder sie war, welche Herkunft er oder sie hatte.

Früher war es so: Wir Kinder waren uns sicher, dass die guten Menschen in den Himmel kommen. Stellen wir uns doch noch einmal vor, dass wir uns wirklich da oben wiedersehen: Die Mettwurst, kleingeschnitten, wird wieder ein Genuss. Viel wichtiger und schöner wäre es, noch einmal Waltraud Mais Lächeln sehen zu dürfen. Und dass alles so ist, wie im schönen warmen Früher!

Danke Frau Mai dafür, dass Sie der Mensch waren, der Sie waren.