
© Stephan Schuetze
Chris Herwig: Die Erklärung, warum es bei Wickede nicht läuft „ist einfach“
Amateurfußball
Westfalia Wickede ist nicht gut in die Spielzeit 2020/2021 gestartet. Chris Herwig, Innenverteidiger bei der Westfalia hat eine einfache Erklärung für die Situation.
Westfalia Wickede hatte zuletzt gewiss große Probleme. Typen wie bis vor kurzem Marcel Großkreutz oder bis heute Anil Konya standen aber wie Felsen in der wilden Wickeder Brandung. Konya hält den Kopf hin, stellt sich vor die Mannschaft. Dafür verdient sich der Langzeitkäpt’n auf dem aus Dortmunder Sicht zum Glück noch nicht sinkenden Schiff viel Aufmerksamkeit. Neben ihm aber erledigt einer ordentlich seinen Job, ein im Fokus der Fußballbetrachter eher unauffälliger Innenverteidiger.
Christopher Herwig (23). Schon bei seinen ersten Seniorenstation Mengede 08/20 und BSV Schüren fielen immer eher geläufigere Namen erfahrener Spieler. Ginge es nach den Trainern aber, verdient sich „Chris“ Herwig genau dieses folgende Interview. Wir nähern uns einem nur für Außenstehende unauffälligen Typen.
Chris Herwig, um Ihnen schon einmal mit Hilfe aus erster Hand näher zu kommen, baten wir Ihren Nebenmann Anil Konya um ein paar nette Worte über Sie. Er schildert Sie als lieben, respektvollen Jungen, der relativ weit vom Kopf her sei, obwohl er Ihnen Ihr junges Alter manchmal noch anmerkt. Lassen Sie das als Einstieg in unser Gespräch so stehen?
Ja, Anil muss es ja wissen.
Da darf ich gleich einhaken. Offenbar haben Sie noch mehr Qualitäten. Anil sagt, mit Ihnen könne er sehr gut um die Häuser ziehen und sich dann am kommenden Tag darüber kaputtlachen, was alles passiert sei. Gehen Sie mit Ihrem Kollegen immer noch d’accord?
Ja, was soll ich sagen? Auch das muss Anil ja ganz gut wissen. Er ist im Nachtleben ja auch nicht ganz unerfahren. Ich darf aber dazu sagen, dass ich schon, seitdem ich 20 bin, im Eventmanagement der Disko Nightrooms tätig bin. Daher bin ich von Berufs wegen öfter unterwegs. Momentan studiere ich Eventmanagement in Essen.

Chris Herwig glaubt daran, dass die Wickeder noch die Kurve kriegen. © Nils Foltynowicz
Sie wohnen aber in Dortmund?
Ja, bei meinen Eltern in Dorstfeld. Der DSC ist auch mein erster Verein. Dann ging ich zum TSC Eintracht, zu BG Schwerin, zum VfB Waltrop, zu Mengede, dann nach Wickede, von da nach Schüren, und jetzt bin ich wieder bei der Westfalia. Dorstfeld passt aber. Da komme ich gut nach Essen und nach Wickede.
Wie ist es für Sie, wenn viel häufiger als Ihrer die Namen Ihrer Mitspieler fallen. Fühlen Sie sich vernachlässigt?
Nein, ich lebe ziemlich gut damit. Ich musste ja auch immer wieder wegen meines Rückens passen. Ich habe bereits zwei oder drei Bandscheibenvorfälle. Da tat es ganz gut, nicht gleich ständig im Fokus zu stehen. Ich gönne den anderen Jungs auch die Präsenz. Von Anil, aber auch Marcel Großkreutz kann ich eine ganze Menge lernen. Im ersten Jahr war es schwer, mich neben Anil und Marcel durchzusetzen. Gerade auch wegen meiner Verletzung habe ich dann eben die guten Dinge meiner Kollegen für mich aufgenommen. Auch in Schüren hatte ich Leute wie Sotirios Stratakis im Team, die mir eine ganze Menge beigebracht haben. Die verdienen das alle schon, im Mittelpunkt zu stehen. Denn es sind einfach wertvolle Fußballer.
Sowohl in Mengede als auch in Schüren und in Wickede hören wir niemanden über Sie schimpfen. Das ist ja vielleicht auch ein Vorteil, neben bekannten Typen zu spielen. Wir möchten aber jetzt von Ihnen mehr über Ihre Stärken erfahren. Erzählen Sie mal…
Ich sehe mein Kopfballspiel, mein Zweikampfverhalten und meine Schnelligkeit als Stärken an.
Ohne Ihrem von uns sehr geschätzten ehemaligen Teamkollegen Marcel Großkreutz nahetreten zu wollen, gehen wir aber mal davon aus, dass Sie die Sprintwertungen im Training immer gewonnen haben. Also haben Sie da schon glänzen können, oder?
Nochmal: Marcel ist ein überragender Verteidiger. Technisch ist er stark, er hat eine gutes Auge. Und ja, die Geschwindigkeit fällt auch nicht so ins Gewicht, weil er gefühlte 50 Metern hinter den anderen verteidigt. Das sage ich natürlich mit einem Augenzwinkern. Ich war übrigens, bevor mich Thomas Gerner damals zum Verteidiger umschulte, Sechser. Daher passte das mit der Aufteilung.
War Thomas Gerner, der 2017 von Mengede zu Wickede ging, ein Grund für Sie, den Dortmunder Westen zu verlassen?
Ja, damals bin ich mit ihm gegangen. Aber als ich 2019 vom BSV Schüren erneut nach Wickede wechselte, war Thommy ja nicht mehr da. Ein ganz wichtiger Grund heißt Finn-Jona Heinings, mein bester Kumpel. Ich habe aber noch weitere gute Kollegen hier in Wickede, wegen derer ich zurückgekehrt bin. Das soll nicht heißen, dass es in Schüren nicht stimmte. Im Gegenteil: Der BSV ist ein sehr gut geführter Verein mit vielen engagierten Leuten am Platz. Auch in der Mannschaft kam ich gut klar. Wickede ist aber auch wegen der Menschen im positiven Sinne sehr speziell.
Nun steht aber auch Ihre Zeit in Wickede zumindest im gesamtsportlichen Kontext unter keinem guten Stern. Nachdem Sie während der Vorsaison wegen der Coronakrise in der Westfalenliga bleiben durften, stehen Sie schon wieder ganz weit unten. Was ist denn da los? Wickede war doch immer eine Truppe, die mit Ihrem Herz Berge versetzte?
Wer sich unsere Spiele, aber auch unsere Trainingsleistungen ansieht, wird sich auch wundern. Letztendlich ist die Erklärung einfach. Wir machen immer wieder individuelle Fehler, da nehme ich mich gar nicht aus. Ein Beispiel: das verlorene Derby gegen Brünninghausen, als wir bestimmt nicht so schlecht waren, aber die gerade von mir genannten Schwächen auftraten. Wir verloren 1:3. Klar, wir hätten auch unsere Chancen konsequenter nutzen müssen. Aber wenn wir immer wieder diese Patzer dabei haben, nutzen uns auch irgendwann die besten Chancen wenig.
Wie sieht es in Ihnen aus, wenn die Ergebnisse so ernüchtern ausfallen?
Das ist schon eine schwierige Zeit, eigentlich schon, seitdem ich zurückgekehrt bin. Aber es hilft ja auch nicht, nur das Negative zu sehen. Die Jungs hier sind schon in Ordnung. Nicht nur Finn, auch die anderen haben mich von Beginn an gut aufgenommen. Wir finden doch auch die Zeit, gemeinsam zu lachen. So einfach es klingen mag: Wir müssen konzentrierter sein, die Fehler abstellen und vor dem gegnerischen Tor abgeklärter spielen.
Müssen klingt ziemlich nach Druck. Wie bewahren Sie da die gute Stimmung und finden Ihre netten Kommentare über Ihre Kollegen?
Spaß gehört auf dem Fußballplatz einfach dazu. Um das Blatt zu wenden, sollten wir ihn nicht verlieren, wir brauchen aber nun auch den nötigen Ernst. Noch mal: Die Jungs sind okay, haben Potenzial, nicht nur guten, sondern auch erfolgreichen Fußball zu spielen.
Das dürfen Sie aktuell nicht beweisen? Wie vertreibt sich ein Mensch, der Spaß auf dem Fußballplatz und in den angesagten Adressen des Dortmunder Nachtlebens hat, die Corona-Zeit?
Wir machen das, was erlaubt ist. Mit einem Kollegen darf ich ja laufen gehen. Ich treffe immer wieder mal einen Kollegen, dann komme ich auch nicht ganz ohne Playstation aus, aber ich versuche auch mein Spielverhalten gesellig zu gestalten.
Wie sieht das dann aus?
Ich verbringe viel Zeit mit meiner Freundin. Sie mag Brettspiele.
So ganz traditionell?
Ja, und die machen tatsächlich viel Spaß.
Was passiert, wenn Sie der älteren Spielergeneration wie Ihren Kollegen Konya und Großkreutz davon erzählen?
Das sind dann doch eher die Leute, mit denen ich dann wieder vor die Tür gehe, wenn wir dürfen.
Dann feiern Sie, dass Wickede noch die Kurve kriegt?
Ich bin mir sicher, dass uns das gelingt. Denn wir wollen.
Und wir hören dann öfter von Ihnen und nicht nur in erster Linie von den Nebenleuten?
Ich hoffe doch. Seit Längerem hält mein Rücken. Wenn ich gesund bleibe und im Stamm neben unserem Kämpfer Anil spiele und wir dann auch den Klassenerhalt realisieren, darf das so sein.
Dortmunder Jung! Seit 1995 im Dortmunder Sport als Berichterstatter im Einsatz. Wo Bälle rollen oder fliegen, fühlt er sich wohl und entwickelt ein Mitteilungsbedürfnis. Wichtig ist ihm, dass Menschen diese Sportarten betreiben. Und die sind oft spannender als der Spielverlauf.
