Als der Schlusspfiff durch die traditionsreiche Rote Erde hallte, gab es kein Halten mehr. Borussia Dortmund hatte das Derby der Frauen-Westfalenliga gegen den FC Schalke 04 mit 2:1 gewonnen – vor der Rekordkulisse von 10.000 Zuschauern. Was sich auf dem Platz und auf den Tribünen entlud, war mehr als bloße Freude: Es war pure Erleichterung, Stolz, vielleicht auch ein Stück Geschichte.
Schon vor Anpfiff wurde deutlich, wie hoch der Stellenwert dieser Partie war: Ein großer Teil der BVB-Chefetage war anwesend. Neben Geschäftsführer Carsten Cramer verfolgten auch Hans-Joachim Watzke, Präsident Dr. Reinhard Lunow und Ehrenpräsident Dr. Reinhard Rauball das Spiel live im Stadion. „So viele Menschen, so viele Kinder, so viele Familien – ein tolles Gefühl“, sagte Cramer zur Halbzeit. Die Nervosität, die er zugab, wich nach 90 aufreibenden Minuten einem kollektiven Stolz.

Von Beginn an war klar, dass dieses Derby seinen eigenen Takt haben würde. Der BVB suchte die Offensive, Schalke setzte auf Nadelstiche. Beide Seiten nahmen die Intensität eines Revierderbys sofort an, ohne die Grenze der Fairness zu überschreiten. Die Atmosphäre auf den Rängen war friedlich und familiär – anders als oft bei den Männern, aber nicht weniger leidenschaftlich.
In der 38. Minute schien sich die Stimmung kurz zu drehen. Nach einem Fehler im Spielaufbau nutzte Schalkes Edina Habibovic die Gelegenheit eiskalt: Ihr Distanzschuss über die herausgerückte BVB-Torhüterin Sandra Schröer war ein Geniestreich. Die Schalker Jubeltraube bebte, der BVB stand kurz unter Schock.
Doch die Antwort folgte sofort. Nur drei Minuten später köpfte Dana Marquardt eine perfekte Flanke von Kapitänin Marie Grothe zum Ausgleich ins Netz. Marquardt nutzte einen Stellungsfehler in der Schalker Defensive eiskalt aus – und riss damit auch die 8500 schwarz-gelben Fans im Stadion wieder mit.

BVB dreht die Partie in Durchgang zwei
Nach der Pause war Schalke die aktivere Mannschaft. Besonders über Standardsituationen strahlten die Königsblauen viel Gefahr aus. Dilara Deli köpfte in der 47. und 61. Minute nur knapp am Tor vorbei. „Schalke hat es uns unfassbar schwer gemacht“, lobte BVB-Trainer Thomas Sulewski später. „Respekt, wie sie hier aufgetreten sind.“
Mitte der zweiten Hälfte schien das Spiel zu kippen, doch Dortmund überstand die Druckphase – auch dank der umsichtigen Defensivarbeit von Mia Böger und Hedda Wahle. Schalke ging teils ruppig zu Werke, die Schiedsrichterin fand jedoch eine gute Linie und behielt die Partie im Griff.

In der Schlussviertelstunde wuchs der BVB wieder über sich hinaus. Marquardt hatte in der 78. Minute die Riesenchance zur Führung, verzog aber knapp.
Als die Partie in die entscheidende Phase ging, brachte Thomas Sulewski frische Kräfte – eine Maßnahme, die sich auszahlen sollte. Die eingewechselte Marah Tayeh leitete den Angriff ein, Marquardt legte überlegt quer, und Annika Enderle stand plötzlich vor der großen Entscheidung: schießen oder noch einmal passen?
„Ich hatte super viel Zeit. Da habe ich überlegt: Passe ich noch mal oder schieße ich selber?“, schilderte Enderle nach dem Spiel. Sie entschied sich für den Abschluss – und traf. Das 2:1 in der 89. Minute ließ das Stadion beben. Sulewski und sein Trainerteam stürmten auf den Platz, um Enderle in die Arme zu schließen.

Mit dem Schlusspfiff entlud sich die Anspannung in grenzenlosem Jubel. „Die Nummer eins im Pott sind wir“, sangen die Fans aus voller Kehle.
Für Schalke, das bis dahin in der Liga ungeschlagen gewesen war, war die Niederlage bitter. „Wir wollten alle aufsteigen. Es ist einfach die Enttäuschung“, sagte Joana Merten unter Tränen. Kapitänin Shari Noffke ergänzte: „Wir haben gekämpft ohne Ende und das Herz auf dem Platz gelassen.“
BVB-Trainer Sulewski wollte den Blick schnell wieder nach vorn richten. „Wir lassen uns das nicht mehr nehmen“, sagte er über den angestrebten Aufstieg. Gleichzeitig warnte er vor Nachlässigkeit: „Der komplette Druck ist gerade weg. Wir werden die richtigen Worte finden, dass die Mädels das nicht zu locker angehen.“ Schon am Donnerstag wartet das Kreispokalfinale gegen den TV Brechten.
Dass dieser Tag größer war als das Ergebnis, daran ließ Carsten Cramer keinen Zweifel: „Wir stehen komplett hinter dem Frauenfußball. Wir wollen in die Bundesliga, am besten so schnell wie möglich.“
Mit vier Punkten Vorsprung und noch drei ausstehenden Spielen hat der BVB nun beste Karten, den nächsten Schritt zu gehen. Aber unabhängig von Tabellenständen bleibt der 27. April 2025 in Erinnerung – als der Tag, an dem 10.000 Menschen kamen, um den Fußball in seiner besten Form zu feiern: leidenschaftlich, ehrlich, und doch größer als jede einzelne Mannschaft.