Was sind die Sorgen, die Nöte, die Herausforderungen des Amateurfußballs in Deutschland? Diesen Fragen näherte sich Sabine Poschmann, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Dortmund, im Gespräch mit rund 70 Vertretern der Dortmunder Amateurfußballklubs. Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf, extra aus Frankfurt angereist, wohnte der Veranstaltung „Poschmann, Pils und Pöhler“ im Dortmunder BierCafé West bei, stellte sich den Fragen und Anregungen der Amateurfußball-Vertreter. Hohe Stromkosten, Probleme des Ehrenamts und zu wenig Schiedsrichter: Neuendorf diskutierte über zwei Stunden mit den Vertretern der Amateurfußballklubs über die Herausforderungen des Amateurfußballs.
Auch das Thema „Funino“, die neue Spielform für Kinder und Jugendliche, kam zur Sprache. Neuendorf machte sich stark für die Spielform, auch wenn es in einigen Klubs einen Mangel an Trainern gebe, um die Spielform auszuüben: „Die Frage, die wir uns gestellt haben, ist, wie wir Kinder und Jugendliche in den Vereinen halten können. Wir wollen, dass viele Kinder in dem Alter Spaß am Fußball haben und bei unserem Sport dauerhaft bleiben. Wir wollen, dass die Kinder permanent am Ball sind. Wir haben die Schwelle, Trainer zu werden, deutlich abgesenkt. Es gibt das Kindertrainer-Zertifikat“, sagt Neuendorf.
Vor der Diskussionsrunde stellte sich der DFB-Präsident unserer Redaktion für ein paar kurze Fragen. Thema dabei war neben den Chancen der EM 2024 in Deutschland für den Amateurfußball auch das Gewaltproblem auf den Amateurfußballplätzen der Region. „Die Amateurfußball-Vereine profitieren immer von einer EURO oder WM. Das haben wir schon 2006 so erlebt. Da war der Zulauf in den Vereinen sehr groß. Das wollen wir 2024 mit der EM wieder erreichen. Dortmund stellt einen der Spielorte mit den meisten Spielen. Alle Erfahrungen zeigen, dass die Begeisterung bei Kindern und Jugendlichen groß sein wird“, sagt Neuendorf im Gespräch mit dieser Redaktion. Dies habe zuletzt auch die Europameisterschaft der Frauen gezeigt, bei der das deutsche Team bis ins Finale einzog, dort aber dem Gastgeber England unterlag.
„Die Frauen-EM aus dem vergangenen Jahr kann man als gutes Beispiel nehmen. Wir erleben, dass seither die Zuläufe von Frauen und Mädchen deutlich gestiegen sind. Vor allem in Dortmund. Waren es im Jahr 2021 noch 208 Erstregistrierungen bei den Frauen, waren es 2021/22 in absoluten Zahlen 518. Das ist eine Steigerung um fast 150 Prozent“, sagt Neuendorf im Gespräch mit Blick auf reine Dortmunder Zahlen.
Den gleichen Effekt erhoffe sich der DFB-Präsident nun auch von der anstehenden Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Die befürchtete Delle an Mitgliederinnen und Mitgliedern der Amateurfußballklubs in Corona-Zeiten sei ausgeblieben. „Die Lust auf Fußball ist ungebrochen. Die Anmeldezahlen sind hoch. Das hat aber auch Konsequenzen. Es gibt bestimmte Erwartungen an Vereine, Politik und DFB. Wir brauchen mehr Trainer, mehr Spielstätten“, sagt er.

Der DFB plane dafür mehrere Projekte mit den zehn Host-Cities der EM, um die Amateurfußballklubs mitzunehmen. „Ein Projekt sieht so aus, dass wir zusammen mit Landesverband und Kommune speziell in den Ausrichterstädten den Klubs bei der Vereinsentwicklung helfen möchten. Schon seit 2020 haben der DFB und seine Landesverbände ein flächendeckendes Netzwerk an Klubberatern aufgebaut. Denn gerade in ländlicheren Regionen verlieren die Klubs Mitglieder. Die Kosten für diese bundesweite Vereinsberatung, bei der für den Verein auch eine Philosophie entwickelt werden kann, trägt der DFB“, sagt Neuendorf.

Dazu konfrontierte diese Redaktion den DFB-Präsidenten auch mit der Zunahme an Gewaltvorfällen auf den Amateurfußballplätzen. Jagdszenen, Schläge, Tritte waren in der Hinserie der laufenden Amateurfußballspielzeit keine Seltenheit. Neuendorf fand klare Worte dazu: „Prävention ist ganz wichtig für uns. In der Vergangenheit habe ich als Präsident des Fußball-Verbands Mittelrhein einen runden Tisch einberufen mit allen Playern wie den Schiedsrichtern und diversen Vereinsvertretern. Wir haben Anlaufstellen für Gewalt- und Diskriminierungsfälle gegründet“, sagt Neuendorf dazu.
Außerdem mache sich der DFB-Präsident für De-Eskalationstrainings der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter stark. Neuendorf betont zudem: „Es ist wichtig, wie man als Verein einen Schiedsrichter empfängt. Findet er eine ordentliche Kabine vor? Stellt man ihm eine Flasche Wasser zur Verfügung? Es geht um die ganz einfachen Dinge. Wenn man sich vor dem Spiel die Hand gegeben hat, dann ist die Schwelle zur Gewalt höher“, sagt der Präsident und formuliert, wie er selbst sagt, einen romantischen Wunsch an die Klubs und Spieler.
Dazu nimmt er aber auch den DFB und die Landesverbände in die Pflicht, nennt eine klare Forderung: „Außerdem brauchen wir mehr De-Eskalationstrainings. Die sind schon bei der Kinder- und Jugendausbildung wichtig. Wir fördern und begrüßen das, was in den Landesverbänden praktiziert wird. Wir hoffen, dass sich die Vorfälle minimieren lassen. Was aber auch klar ist: „Wir müssen, was die Anlaufstellen angeht, bekannter werden“, sagt der DFB-Präsident.
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