Wir sind Basketball-Weltmeister! In der Dortmunder Korbjäger-Szene herrscht immer noch so etwas wie ungläubiges Staunen über dieses historische Märchen von Manila. „Der WM-Titel fühlt sich für mich noch ein Stück weit surreal an, gefühlsmäßig ist das irgendwie noch weit weg. Die haben als Mannschaft funktioniert und so viel Euphorie und Emotionalität ausgestrahlt, Wahnsinn“, sagt Christian Podszuk, der Abteilungsleiter des TVE Barop und gleichzeitig Jugendwart des Basketballkreises Dortmund.
Basketball-Boom in Dortmund
Sein Verein gehört seit Jahren in die exklusive Top-Ten der mitgliederstärksten Basketball-Vereine in Deutschland. 606 Basketballer dribbeln bei der Einigkeit in 28 Mannschaften, darunter 21 Jugendteams. Zum WM-Finale hatte der TVE spontan ein Rudelgucken in der Baroper Ostenberg-Grundschule organisiert, und über 100 Korbjäger aus allen Mannschaften des Vereins hatten „eine Menge Spaß“, wie Podszuk schmunzelnd berichtet.
Löst der größte Erfolg im deutschen Basketball nun einen Boom in den Vereinen aus? 1993, als die DBB-Riesen bei der Heim-EM Europameister geworden waren, versandete die große Nachfrage am Ende, weil es an Hallenkapazitäten und Trainern mangelte. Wie sieht es 2023 in Dortmund aus?
„Die Nachfrage ist groß, das fing während der WM schon an und geht aktuell weiter. Das gesteigerte Interesse fing aber eigentlich schon nach der Corona-Zeit an, da haben wir gut 100 Basketballer dazugewonnen. Das geht auch anderen Vereinen in Dortmund so. So stellt der Basketballkreis Dortmund zum ersten Mal seit bestimmt zehn Jahren wieder eine eigene Kreisliga im Jugendbereich, da haben wir keine Kooperationsligen mehr nötig“, berichtet Barops Abteilungschef. Nach den Herbstferien zum Beispiel startet beim TVE eine neue U8.
Die hohen Mitgliederzahlen junger Korbjäger im südlichen Stadtteil kommen nicht von ungefähr: Der TVE Barop unterhält alleine Kooperationen mit 30 Schulen, bietet AGs an. „Die Koordination der Aktivitäten ist ein Vollzeitjob, vier haben inzwischen vier Angestellte“, berichtet Podszuk, der aber die Gefahr sieht, „dass wir die frische Euphorie des WM-Titels nicht komplett nutzen können.“

Die Stadt Dortmund bemühe sich um Hallenzeiten, aber zum Beispiel fehlen in vielen Sporthallen für das Kindertraining absenkbare Körbe (von 3,05 auf 2,60 m). Außerdem gebe es viel weniger Ehrenamtliche als früher. „Wir müssen deshalb versuchen, den Trainer-Job attraktiver zu machen. Das ist auch eine Geldfrage, es geht um adäquate, marktgerechte Finanzierung. Nur über Mitgliedsbeiträge ist das nicht zu stemmen“, weiß der Funktionär.
Es gebe zwar eine Vielzahl an Förderprojekten, vor allem in der Nach-Corona-Zeit, aber Beantragung und spätere Dokumentation sind in der Regel sehr aufwendig. „Aber wir müssen das tun. So engagieren wir uns stark im Projekt ,Sport vernetzt, das soziale Aspekte des Sports in den Mittelpunkt stellt.“
Henrik Sojka, Abteilungschef des ranghöchsten Dortmunder Männer-Klubs SVD 49, der, einstmals Bundesligist, heute in der 2. Regionalliga auf Korbjagd geht, hat ähnliche Erfahrungen gemacht wie sein Baroper Kollege. „Wir merken die Auswirkungen des WM-Titels, es gibt gerade eine ungewöhnlich hohe Nachfrage, nicht nur von Kindern, sondern auch von Jugendlichen, jungen und jung gebliebenen Erwachsenen. Es hatte sich schon nach der Corona-Zeit angedeutet, dass die Menschen enormen Nachholbedarf nach gemeinsamem Sporttreiben hatten. Jetzt gab es durch die WM noch einmal einen zusätzlichen Pushfaktor“, berichtet Sojka.
Der SVD hat aktuell fünf Jugendmannschaften zwischen U10 und U18. „Besonders bei den jüngeren Jahrgängen haben wir durchaus noch Kapazitäten frei. Die Hallensituation ist nach der Kern-Sanierung der Brügmannhalle jetzt etwas entspannter. Aber auch uns fehlen, wie eigentlich allen Vereinen, helfende Hände.“ Hinzu kämen integrative und pädagogische Probleme am Standort: „Die Nordstadt ist teilweise ein schwieriges Einzugsgebiet, wo die Sprachbarriere und fehlende Unterstützung aus den Elternhäusern unsere Nachwuchs-Arbeit manchmal erschweren“, sagt der 49ers-Chef. Das solle einem Boom aber nicht im Wege stehen.

Christian Bockelbrink steht der Basketball-Abteilung des ASC 09 vor, auch er hätte gegen einen neuen Boom in Dortmund nichts einzuwenden. Die Aplerbecker Abteilung unterhält 17 Mannschaften, darunter zehn Nachwuchs-Teams zwischen U8 und U18, insgesamt 350 Aktive sind am Ball. „Nachfragen kommen jede Woche, eigentlich ging das aber auch schon nach Corona los. Wir freuen uns über jeden, der Lust auf Basketball hat, wir weisen niemanden ab“, sagt der Pädagoge mit einladender Geste. Der Hallen-Raum sei grundsätzlich kein Problem, aber auch der ASC kämpft ums betreuende Personal.
Ehrenamt noch ausbaufähig
„Wir haben einen festen Kern an Ehrenamtlern, aber zu jeder neuen Saison müssen wir uns fragen: Wie geht es diesmal weiter?“ Viel mehr als eine Aufwandsentschädigung sei für Trainer nicht drin, und man wolle die Mitgliedsbeiträge ja auch nicht erhöhen. Die Mitarbeit im Verein sei am Ende ein Dienst an der Gesellschaft, und die müsse sich Gedanken machen, was ihr das wert sei, so Bockelbrink.

Besonders begeistert hat ihn das Auftreten der deutschen Korbjäger bei der zurückliegenden WM, „diese Leistungsbereitschaft, dieser Zusammenhalt, dieser tolle Basketball. Dieses Team hat etwas zu sagen, es strahlt so viel Freude und Teamgeist aus. Das habe ich zuletzt bei den DFB- und auch BVB-Fußballern vermisst. Ich hoffe einfach, dass Basketball in Deutschland durch diesen Erfolg mehr Präsenz bekommt und der Sport auflebt“.