Angreifer überraschte Hannes Wolf mit einer Absage „Aber Geschichte mit dem Hund stimmt“

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Er war immer ein wenig anders. Selbst der damalige ASC-Spielertrainer Hannes Wolf und heutige DFB-Trainer wusste ihn nicht immer zu greifen. Alle aber, die mit Christian Kinder (heute 42) und seinem damals kongenialen Partner Danny Woidtke zu tun hatten, werden sich schmunzelnd an Kinders ganz eigene Art, Klassefußball zu zeigen und zu leben, erinnern.

Ein schönes Beispiel: Mit einem gewissen Abstand bestätigt Christian Kinder, der sich im ASC-Dress immer mehr steigernde Angreifer, grinsend die Geschichte, die den jungen schon damals rhetorisch starken Hannes Wolf fast zur Weißglut brachte. „Christian Kinder konnte nicht trainieren, weil er auf seinen Hund aufpassen muss“, erklärte Wolf im Gespräch für die Spielvorschau. Der Klassiker eigentlich, der damals für Ausreden stand, wie der SV Meppen für die 2. Liga. Die Krux an der Sache: Die Geschichte stimmte. „Ja“, erzählt Kinder in seiner ureigenen Gelassenheit, „wir hatten einen kleinen Welpen. Den wollten wir nicht alleine lassen. Daher wird das so gewesen sein.“

Und doch wurde Kinder von 2008 bis 2010 zu einem der wichtigsten Spieler seiner Zeit. Der in Lünen aufgewachsene Kinder machte nach dem Durchmarsch der Aplerbecker in der Westfalenliga die Tore, die sein Kumpel Woidtke vorbereitet hatte. „Danny war damals einer der besten Fußballer der Stadt. Ich war vorne derjenige, der davon profitierte.“ Und wie!

Noch so eine Geschichte aus der Zeit, deren Details der Protagonist heute nicht mehr kennt. Der ASC hatte ein Spiel fast zweistellig gewonnen, Kinder auf zum Teil spektakulärste Weise fast alle Tore erzielt. Und was suggerierte Wolf den anwesenden Reportern: „Ich hoffe, ihr habt das auch gesehen: Dennis Hense überragend!“ Nun war Hense Innenverteidiger in der damals noch modernen Viererkette. Und dieser hatte in diesem Spiel nur Momente, wenn er mal bei Standards aufrückte. Das war wohl Wolfs Retourkutsche für den Gassigang. Und auf so manche Marotte.

„Aber so war ich eben“, sagt Kinder. „Auf dem Platz ein Arsch. Ich brauchte immer Kebbeleien mit den Gegnern, um auf Betriebstemperatur zu kommen, aber im Team mit Spaß unterwegs.“ Er hatte aber tatsächlich auch eine gewisse Zeit gebraucht, um in Aplerbeck anzukommen. Kinder hatte als Kind bei Preußen Lünen, praktisch vor seiner Haustür, seine ersten Spiele absolviert. Vom BV Brambauer über Lüner SV und Davaria Davensberg kam er im Paket mit Woidtke nach Aplerbeck. „Ich hatte schon einige Schwierigkeiten im ersten Jahr.“ Sein Spielverständnis, sein Instinkt und nicht zuletzt seine Torgefahr blitzten noch zu selten auf, selbst wenn kaum jemand an seiner Klasse zweifelte. „Dass Hannes nicht begeistert von mir war, verstehe ich ja.“

Mächtig Lack von Wolf

Zeit für die dritte Wolf/Kinder-Anekdote, die selbst in der Redaktion nach einem knappen Sieg in Olpe und einem ungewöhnlichen Telefonat in Erinnerung blieb. „Glückwunsch, Hannes, zum Sieg!“ Seine Antwort: „Das meinst du nicht ernst, oder?“ Was war passiert? Kinder hat diesen Tag noch in guter Erinnerung, denn er hatte mächtig Lack abbekommen. „Hannes hat sich wegen Rückenbeschwerden wohl zu viel Finalgon draufgeschmiert. Das muss unwahrscheinlich gebrannt haben. Das befeuerte ihn wohl nach einer zugegebenermaßen echt schlechten ersten Halbzeit, nach der wir zurücklagen, uns komplett zusammenzustauchen. Hannes hat auch mich mächtig zur Sau gemacht.“ Der ASC drehte die Partie. Die Spieler feierten, der Trainer hatte aber auch beim Dienstagstraining noch Redebedarf.

Am Ende wurde der ASC in der ersten Westfalenliga-Saison seiner Geschichte Dritter hinter der TSG Sprockövel und dem DSC Wanne-Eickel. Mit 87 Treffern aber erreichten die Aplerbecker den Spitzenwert. Auch Kinder hatte seinen Anteil daran. Details interessierten den distanzierten Typen damals weniger. Dass diese Aplerbecker Mannschaft trotz der noch folgenden größeren Erfolge einen besonderen Platz in den Herzen der ASC-Fans hatte, lag an den vielen Toren, aber auch an den Typen. Selbst einen Kinder vertrug dieser so bunte ASC gut.

2003 trug Christian Kinder noch das Trikot des BV Brambauer.
2003 trug Christian Kinder noch das Trikot des BV Brambauer. © Goldstein

Und dann flogen die Aplerbecker Feierbiester nach Gran Canaria. „Das war für mich die Zeit, die mich aber wirklich mit dem Verein verbinden sollte. Auf der Insel habe ich mich auch in anderen Disziplinen gut eingebracht und wurde so wirklich ein fester Teil dieser Mannschaft.“ Wolf ging zum BVB, der ASC versuchte es mit den Trainern Thorsten Schmugge und Andreas Przybilla. „Für mich war das ein gutes Jahr in einer Super-Truppe.“ Nur landete der ASC nur auf Rang zehn, noch hinter dem Hombrucher SV mit Trainer Samir Habibovic.

„Größter Fehler meiner Karriere“

Von unten kam Westfalia Wickede als dritter Verein in die Westfalenliga hoch. „Was mich bewog, zur Westfalia zu gehen, weiß ich heute auch nicht mehr. Ich sage nur, dass es der größte Fehler meiner Karriere war. Ich kam da überhaupt nicht klar, ging schnell wieder und habe sogar die Lust am Fußball völlig verloren.“ Richtig warm wurde er mit seinem Sport auch bei seinen späteren Kurz-Stationen TuS Eving-Lindenhorst, VfK Weddinghofen und Kirchhörder SC nicht mehr. „Ich habe dann 2014 aufgehört und mich aus dem Geschäft komplett zurückgezogen.“

Auch für den Kirchhörder SC war Kinder (l.) aktiv.
Auch für den Kirchhörder SC war Kinder (l.) aktiv. © Günther Goldstein

Mit einem gewissen Abstand und weniger Härte gegen sich selbst gesteht er sich zu, dass er es lieber anders gehabt hätte. „Wäre ich doch in Aplerbeck geblieben, hätte ich mich weiterhin mit den coolen Leuten damals und dem Fußball gut vertragen. Vielleicht wäre ich dabei gewesen, wenn Dominik Altfeld und Tim Schwarz mit ASC-Identifikationsfiguren die Zweite gründeten. Ich spiele heute noch in den Alten Herren bei Preußen Lünen. Das macht mir sogar Spaß. Aber ich habe eben damals diesen Schritt gemacht und mich ansonsten gedanklich aus dem Amateurfußball verabschiedet.“ Mit Danny Woidtke, der in Düsseldorf lebt, ist Kinder aber noch heute befreundet.


Der Christian Kinder der Gegenwart ist seit fünf Monaten Familienvater, der kleine Tom macht ihm viel Freude. Er lebt in einem eigenen Haus in Lünen, arbeitet bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse im Immobilienbereich und ist auch ohne großen Bezug zum Fußball glücklich. „Ich war zuletzt mal vor zwei Jahren beim Hecker-Cup, verfolge ab und an die Ergebnisse meiner alten Vereine, mehr aber nicht. Das alles fehlt mir auch nicht.“

Der kleine Tom könnte ihn vielleicht doch wieder dem Sport näherbringen. Aber die Gelassenheit, die er sich früher selbst zugestand, gönnt er auch seinem Filius: „Der soll das ganz alleine entscheiden. Wenn er spielen möchte und er das wünscht, begleite ich ihn dabei.“ In seiner Art zu reden, hat sich Christian Kinder kaum verändert. Viele, die den Kinder von damals kennen, werden schon ein wenig hoffen, dass noch manche Anekdote des etwas „verpeilten“, aber doch sehr liebenswerten Charakterkopfs dazukommt.

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