
© Stephan Schütze
600.000 im Netz, 80 am Platz: Eine unvergessliche Woche endet für C-Ligist FC Dortmund
FC Dortmund
Der FC Dortmund war nur Wenigen ein Begriff, bevor der C-Ligist letzte Woche durch ein Facebook-Video ins Rampenlicht rückte. Eine fulminante Woche fand am Sonntag den passenden Abschluss.
Der Ball liegt schon zum Anstoß bereit, als die Spieler des FC Dortmund 18 e.V. plötzlich zu klatschen beginnen. Elf Spieler auf dem Platz, die Ersatzbank, ein gutes Dutzend Reservespieler an der Seitenlinie, sogar ein paar Zuschauer steigen mit ein. Vielleicht zehn Sekunden lang füllt der rhythmische Einklang die Luft an der Mendesportanlage im Dortmunder Norden, bis der Schiedsrichter die Partie anpfeift.
Die Gesichter der Gäste von Rot Weiß Germania 11/67 e.V. III sind zu diesem Zeitpunkt schon in tiefste Verwirrung über diesen filmreifen Stunt verfallen. Treffend, denn an der Seitenlinie wird tatsächlich mitgefilmt. Der WDR möchte die Kreisliga-Pöhler ins Fernsehen bringen.
Handyvideo ist Auslöser des Hypes
Um zu verstehen, wo solch ein Interesse an einer Mannschaft, die sogar in der Kreisliga C noch am unteren Ende der Tabelle agiert, herkommt, braucht es einen Rückblick in die vergangene Woche. Mit einem Handyvideo waren Kapitän Daniel Ulrich und seine Mannschaft über Nacht zum Internethit geworden (wir berichteten).
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Zu sehen war Ulrich, wie er vor dem Auswärtsspiel gegen den TuS Rahm III - umgeben von seinen Mitspielern - in der Kabine stand, und begleitet von AC/DCs „Hell‘s Bells“ eine Motivationsrede hielt, wie man sie sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Über 600.000 Menschen haben das Video mittlerweile gesehen.
Das Spektakel trug Früchte: Nicht nur der Sieg gegen Rahm, auch eine unvergessliche Woche im Medienzirkus, Ruhr Nachrichten, Bild-Zeitung, RTL, gipfelnd am Sonntag, zu Hause, vor der Fernsehkamera vom WDR.
„Das mit dem Klatschen machen wir vor jedem Spiel“, klärt Ulrich später auf. „Das war nicht nur für‘s Fernsehen.“ Für die Konzentration sei es gut, und für das Gemeinschaftsgefühl. „Dann wissen alle, dass wir jetzt nur noch an Fußball denken, keiner hat mehr irgendeinen anderen Scheiß im Kopf.“
Das Hinspiel endete in einer Klatsche
Dass das Ganze den Gegner aus dem Konzept bringen könnte, ist nur eine willkommene Nebenwirkung. Denn gegen die viertplatzierten Gäste ist jede Hilfe gern gesehen. Die Rot-Weißen hatten den frisch gebackenen Internetstars im Hinspiel eine ordentliche Klatsche verpasst, 0:10 ging das Spiel im Herbst verloren. Ist diese Ausgangssituation eine optimale Bedingung für den großen Fernsehauftritt?
Schnell fällt auf, dass die Sorgen unbegründet sind. Zum einen hält der FC Dortmund gut mit, zum anderen kann an solch einem Sonntag kein Ergebnis die einzigartige Atmosphäre schmälern. Gespielt wird - selbstverständlich - auf Asche, in der Mittagssonne fühlt sich der Februar-Sonntag eher nach Spätsommer an.
Kinder kicken hinter dem Tor der Heimmannschaft und ahmen ihre Idole auf dem Platz nach. Pommes, Bratwurst und Bier gibt es zur Genüge. Es fühlt sich alles irgendwie nach „Wilde Kerle“ an. Kreisliga eben.

Etwa 80 Zuschauer besuchten diesmal das Heimspiel des FC Dortmund statt der „zehn, fünfzehn Leute, die sich den Scheiß jede Woche angucken“ (Kapitän Daniel Ulrich). © Stephan Schütze
Aber nicht in jeder Hinsicht. Das hieße nämlich „Zehn, fünfzehn Leute sind da draußen, die sich den Scheiß jede Woche angucken“, wie Daniel Ulrich erst vor einer Woche seine Mannschaft erinnerte. Diesmal sind es eher achtzig, vielleicht hundert. Ausgerüstet mit Schals und Trikots feuern sie den FC Dortmund an, geht der Ball in Richtung Gästetor, dann bekommen die spazierenden Familien im umliegenden Fredenbaumpark das mit.
Dicht bei den Fans an der Seitenlinie reiht sich auch Florian Köhler ein, der erste Vorsitzende des FC Dortmund. Der Stolz in seinen Augen ist unverkennbar, während er beobachtet, wie das Team auf dem Platz, und die Fans daneben, auf der großen Bühne ein Statement setzen. „So viele neue Gesichter“, freut er sich, als er in der Halbzeitpause den Blick vom Platz abwendet. „Sonst waren hier echt nur 15 Leute, da hat Daniel nicht untertrieben.“, bestätigt auch er.
Der Erfolg auf Facebook macht sich nicht nur in Sachen Fan-Support bemerkbar, wie Köhler berichtet. „Spieler-Anfragen haben wir auch schon eine Menge bekommen, seit wir das Video gepostet haben“, lacht er. „Wir machen im Sommer sogar eine zweite Mannschaft auf. Das hatten wir eh überlegt, aber mit 30 Mann war das immer etwas knapp. Jetzt ist das aber gar keine Frage mehr“, freut er sich.
Derweil ist auf dem Platz die zweite Halbzeit in vollem Gange. Immer noch steht es 0:0, als ein Spieler des FC den Ball aus der Distanz an die Latte setzt. Spätestens ab diesem Moment ist klar: Hier wird auf Augenhöhe gespielt, gegrätscht, gekämpft - und zwar bis zur letzten Sekunde.
Ein Hauch von Bundesliga weht über den Platz
Als der Schiedsrichter zum finalen Pfiff ansetzt, ist seine Trillerpfeife kaum zu hören. Plötzlich sind nicht mehr elf, sondern locker 25 Spieler im Dress des Heimteams auf dem Platz, deren Jubel alles übertönt. Wer nicht von Beginn an dabei war, würde es nicht für ein Unentschieden halten.
Ein bekanntes Bild tut sich auf dem Platz auf, eine Traube von Fußballern versammelt sich um ihren Kapitän und hört sich an, was er zu sagen hat. Nur Feinheiten unterscheiden die Szene von der, die sich eine Woche zuvor in der Kabine abgespielt hatte.
Zum einen wäre da das Bier in der Hand jedes Beteiligten, klar, es gab ja Grund zum Feiern. Zum anderen unterscheiden sich die Worte aus Daniel Ulrichs Mund deutlich von denen seiner Motivationsrede: „Prost, ihr Säcke“, beendet er seine „Ansprache“ diesmal - seine Teamkameraden sind euphorisch. Mit einer Bierdusche bedankt sich die Mannschaft bei demjenigen, dem sie das ganze Spektakel zu verdanken hat, und macht sich nach und nach auf in Richtung Umkleide.
Zuletzt steht irgendwann nur noch Daniel Ulrich auf dem Feld und redet mit ein paar übrig gebliebenen Fans. Den Mikrofongürtel, der unter seinem Trikot versteckt war, hat er abgeschnallt. Einen Moment lang bleibt er noch und lässt alles sacken, dann macht auch er sich mit breitem Grinsen auf den Weg in die Kabine.