Von GW Barkenberg zum Weltfußball Hassan Maatouk ist Star der Netflix-Serie „Captains“

Von Barkenberg in den Weltfußball: Hassan Maatouk ist Star der Netflix-Serie „Captains“
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„Als das Telefon klingelte und mir eine Frau erzählte, ihre Firma wolle einen Film über einen unserer Spieler für Netflix produzieren, hab‘ ich es zuerst nicht geglaubt“, erinnert sich Swen Coralic, Geschäftsführer des A-Ligisten SuS Grün-Weiß Barkenberg. „Ich hatte sofort meinen Kumpel Marc McVeigh im Verdacht und hab‘ das der Dame auch ziemlich deutlich zu verstehen gegeben.“ Doch die Frau am anderen Ende ließ nicht locker.

„Als sie den Namen Hassan Maatouk nannte, hat bei mir etwas geklingelt“, erzählt Swen Coralic weiter. Und während ihm die Mitarbeiterin der Produktionsfirma Fulwell 73 ihr Anliegen immer detaillierter schilderte, googelte Coralic gleichzeitig selbst am Computer und konnte sich so überzeugen: Es war kein Scherz.

Grün-Weiß Barkenberg würde eine Rolle in einer FIFA+-Dokumentation spielen. Wenn auch nur eine kleine. Die Hauptrolle bei „Captains“ spielen die Kapitäne von sechs Fußball-Nationalmannschaften auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Katar. Der Kroate Luka Modric etwa oder der Brasilianer Thiago Silva. Und der Libanese Hassan Maatouk.

Bürgerkriegs-Flüchtlinge

Maatouk, geboren 1987 in Beirut, kam als Siebenjähriger mit seiner Familie als Bürgerkriegs-Flüchtling nach Deutschland. In Wulfen-Barkenberg, der „Neuen Stadt“, die einst für 60.000 Menschen entworfen worden war und die nach dem Zechensterben viele freie Wohnungen bot, war Platz. Für Boat-People aus Vietnam, für Spätaussiedler aus der Sowjetunion und auch für die Flüchtlinge aus dem Libanon.

Hassan Maatouk musste sich in dieser neuen unbekannten Heimat zurecht finden, und der Sport half ihm dabei. Bei SuS Grün-Weiß Barkenberg wurde das Talent des schmächtigen Jungen mit den pechschwarzen Haaren schnell erkannt.

E-JUgend GW Barkenberg 1997
Die E-Jugend von SuS Grün-Weiß Barkenberg im Jahr 1997. Mit den Trainern Petra Krause (l.) und Maik Basmer (r.) und mit Hassan Maatouk (stehend rechts). © GW Barkenberg

„Man hat schon damals gesehen, dass aus Hassan mal ein Profifußballer wird“, sagt Leonard Shpatollaj, ein damaliger Teamkollege. Es seien „goldene Jahre“ gewesen für den Barkenberger Jugendfußball, erinnert sich auch Swen Coralic. Nicht nur wegen Hassan Maatouk: „Zwei bosnische Jungs, die bei uns gespielt haben, haben es in ihrem Heimatland später auch in die erste Liga geschafft.“

Leonard Shpatollaj
Leonard Shpatollaj spielte mit Hassan Maatouk zusammen in der Barkenberger Jugend. Er kommt auch in der Serie „Captains“ zu Wort. © Dominik Füting

Auch ein Arthur Fell kickte damals in der E-Jugend mit Hassan Maatouk und schaffte es immerhin bis in die Westfalenliga. Doch Maatouk ragte heraus. „Dabei war er der Kleinste von uns“, erzählt Leonard Shpatollaj: „Er war der Älteste, aber er war der Kleinste.“

Heute ist Hassan Maatouk 1,71 Meter groß. Er ist kein Hüne geworden, aber ein ganz Großer.

Der Vater wollte zurück

Denn als es Vater Ali Maatouk Ende der 90er-Jahre zurück in den Libanon zog und die Familie abermals ihren Lebensmittelpunkt neu finden musste, da war es in Beirut erneut der Fußball, der dem jungen Hassan Maatouk Halt gab. In der FIFA+-Serie zeigt er die Bolzplätze, auf denen er damals kickte und wo ihn seine Mitspieler den „Deutschen“ nannten. Von dort aus nahm seine Profikarriere ihren Lauf.

2005, mit 18 Jahren, gab er sein Debut in der libenesischen Premier League. Mit dem Club Al Ahed wurde er 2008, 2010 und 2011 Libanesischer Meister, gewann 2009 und 2011 den FA Cup und 2008, 2010 und 2011 den Elite Cup seines Landes. Viermal - 2005, 2008, 2010 und 2011 - holte er mit Al Ahed den libanesischen Supercup. 2011 uns 2021 wurde er mit dem Goldenen Schuh der Premier League ausgezeichnet.

Marseille hatte Interesse

2011 verschlug es Maatouk in die Vereinigten Arabischen Emirate. Ein Jahr später bekundeten mit Olympique Marseille, AC Ajaccio und OGC Nizza gleich drei französische Erstligisten Interesse an dem 25-Jährigen. Doch der entschied sich stattdessen für einen anderen Club aus den Emiraten. „Ich glaube, da wurde er besser bezahlt“, glaubt Leonard Shpatollaj, der mit seinem alten Teamkollegen aus Jugendzeiten noch viele Jahre über Facebook kommunizierte.

Hassan Maatouk im Länderspiel gegen Australien
2006 gab Hassan Maatouk sein Debüt im libanesischen Nationalteam. Inzwischen ist er Rekordnationalspieler und Rekordtorschütze. © imago/Icon SMI

Zu diesem Zeitpunkt war Hassan Maatouk schon längst auch Nationalspieler des Libanon. 2006 gab er sein Debut, bis zum ersten Länderspieltor dauerte es allerdings fünf Jahre, dann traf Maatouk 2011 im WM-Qualifikationsspiel gegen Bangladesch. Mittlerweile ist er mit 21 Treffern Rekordtorschütze der libanesischen Nationalmannschaft, genauso wie er mit 97 Einsätzen auch Rekordspieler ist. Und Kapitän. Und als solcher geriet er ins Visier der Serienmacher von FIFA+.

Nationalmannschaft Libanon
Hassan Maatouk (v.r.) fühlt sich als Kapitän der Nationalmannschaft auch für die Gesellschaft des Libanon verantwortlich. © imago sportfotodienst

Denn die wollten sechs Nationalmannschaften und vor allem deren Kapitäne auf dem Weg durch die Qualifikation zur WM 2022 begleiten. Und es sollten nicht nur große Fußballnationen eine Rolle spielen oder Weltstars. Und so geht es bei den „Captains“ neben Luka Mordic und Kroatien, Thiago Silva und Brasilien und Pierre-Emerick Aubameyang und Gabun auch um Andre Blake und Jamaika, um Brian Kaltack und den Inselstaat Vanuatu und um Hassan Maatouk und den Libanon.

Die Serie begleitet die sechs Mannschaften durch die WM-Qualifikation und zeichnet die wichtigsten Stationen nach: den dramatischen Gruppensieg der Kroaten ebenso wie die Corona-Probleme des Teams von Vanuatu oder das Scheitern der Gabuner. Aufschlussreich sind auch die internen Querelen der Jamaikaner, deren Coach das Filmteam zwischenzeitlich auffordert: „Macht die Kamera aus!“

13 Stunden Dreh in Barkenberg

Swen Coralic, Leonard Shpatollaj und ihre Barkenberger Vereinskollegen hatten beim Schauen der Serie natürlich ein besonderes Auge auf Hassan Maatouk und auf die Szenen, in denen ihr Verein vorkommt. „Das Filmteam hat mit uns einen ganzen Tag verbracht“, erzählt Coralic. 13 Stunden lang ging es quer durch Barkenberg, vom See bis zur Finnstadt und natürlich zum Sportplatz. „Da haben unsere aktuellen Jugendspieler nachgestellt, wie Hassan und die damalige E-Jugend aus der Kabine auf den Platz gelaufen sind.“

Swen Coralic am Mikrofon
Swen Coralic glaubte beim ersten Anruf der Produktionsfirma an einen schlechten Scherz. Jetzt ist er stolz, dass Grün-Weiß Barkenberg Teil der Dokumentation über Hassan Maatouk und die anderen Kapitäne ist. © BLUDAU FOTO

Am Ende taucht von diesen 13 Stunden Dreharbeiten in der Serie nur ein Bruchteil auf. Doch enttäuscht ist Swen Coralic nicht: „Das hatte uns das Filmteam schon gesagt. Wir sind froh, dass Grün-Weiß Barkenberg in einer so tollen Serie überhaupt eine Rolle spielt. Wir sind sehr stolz.“

Kapitäne geben viel preis

Nicht nur für die Barkenberger lohnt sich aber der Blick hinter die Kulissen der sechs Nationalteams. Die sechs Kapitäne geben in den acht Folgen auch viel über sich selbst und ihr Rollenverständnis preis. So spürt man die Motivation von Luka Modric, seine wohl letzte WM zu erreichen. Man fühlt mit Andre Blake, der dieses Ziel noch nie erreicht hat. Und man versteht, dass der Fußball für Hassan Maatouk und den Libanon eine Rolle spielt, die über den Sport hinaus reicht.

Explodierter Getreidesilo im Hafen von Beirut
Die Explosion eines Getreidesilos im Beiruter Hafen kostete über 200 Menschen das Leben, mehr als 300.000 mussten ihre Häuser verlassen. Das Unglück machte tief verwurzelte Korruption in der libanesischen Veraltung offenbar und führte zu massiven Protesten. © picture alliance/dpa

Die Explosion des Dünger-Silos im Beiruter Hafen habe Gräben in der libanesischen Gesellschaft aufgerissen, die noch immer nicht verheilt seien, erzählt Maatouk. Er sieht den Fußball als Mittel, die verschiedenen Gruppen in der Bevölkerung wieder zu vereinen, und sich selbst sieht er als Kapitän dabei in besonderer Verantwortung.

„Captains“, das ist geballter Fußball. Immer wieder lukt das Phrasenschwein um die Ecke. Es lebt in Nationalmannschafts-Kabinen offenbar genauso gut wie in der Kreisliga. Aber „Captains“ ist auch mehr. Die Serie ist sehenswert. Nicht nur für Barkenberger.

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