„So ist das Quatsch“ Diskussionen im Kreis über neues Konzept zur Vermeidung von Spielabbrüchen

„So ist das doch Quatsch“: Stopp-Konzept des FLVW sorgt im Kreis für Diskussionen
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Der Fußballverband Westfalen (FLVW) hat in dieser Saison das „Stopp-Konzept“ eingeführt. Dabei soll es Schiedsrichtern möglich sein, besser auf Vorkommnisse auf und neben dem Platz reagieren zu können. Die Idee dahinter: Der Schiri schickt bei Rudelbildungen oder bei Pöbeleien von außen beide Mannschaften in die eigenen Strafräume, quasi um die Gemüter zu beruhigen. Gelingt das nicht, folgen Strafen. Ist „Ruhe“, geht es weiter.

Thomas Bäger ist Lehrwart bei der Kreisschiedsrichtervereinigung Recklinghausen, er hat das Konzept den Referees mehrfach präsentiert. Die Reaktionen darauf seien kontrovers gewesen, berichtet der Marler: „Ob die Maßnahme immer zum Erfolg führt, etwa wenn sich zwei Mannschaften übelst bekriegen und es immer wieder zu Rudelbildungen kommt, weiß man nicht. Kommt es von außen zu Beleidigungen gegen Schiedsrichter oder zu verbotenen Äußerungen, etwa rassistischen, kann ich mir schon vorstellen, dass das eine gute Sache ist.“ Ähnlich sei der Tenor unter den Schiedsrichtern.

Der Fußballverband Württemberg hatte das Stopp-Konzept bereits umgesetzt. Bäger: „Da funktioniert es.“ Die Zahl der Spielabbrüche soll demnach signifikant gesunken sein. Taugt Württemberg damit als Blaupause für Westfalen? So weit will Thomas Bäger nicht gehen: „Wir müssen abwarten, wie sich die Sache in der Praxis bewährt.“ Bislang, so der Lehrwart, seien ihm keine Vorkommnisse zu Ohren gekommen.

Für was ist der Trainer verantwortlich?

Bis zum Wochenende. Bei der Stadtmeisterschaft in Dorsten ist das Konzept zum Tragen gekommen. Leidtragender war Steffen Kölnberger, Trainer des Bezirksliga-Aufsteigers SV Lembeck. „Ehrlich gesagt: Ich wusste gar nicht, dass es das Konzept gibt“, so der Trainer zu Wochenbeginn. Beim Kreis-Staffeltag Anfang Juli war das allerdings kommuniziert worden.

Kölnberger war im Gruppenspiel gegen BVH Dorsten von Schiedsrichter Dominik Nosing per Ampelkarte des Innenraums verwiesen worden. Die Hintergründe sind für den Lembecker Trainer nach wie vor unklar. „Das Spiel war unterbrochen worden nach einer strittigen Szene (eine Abseitsentscheidung, Anm. d. Red.), die auf dem Feld aber schon gar nicht mehr strittig war“, berichtet Kölnberger aus seiner Sicht. Beide Mannschaften seien in die jeweiligen Strafräume geschickt worden, Schiedsrichter Nosing sei dann auf ihn zugekommen und habe ihm die Gelbe Karte vor die Nase gehalten.

Reichlich Diskussionsbedarf gab es bei der Stadtmeisterschaft in Dorsten. Hier spricht Schiedsrichter Dominik Nosing mit den Mannschaftsverantwortlichen Stefan Bahde (r., SV Lembeck) und Nico Genieser (M., BVH).
Schiri-Lehrwart Thomas Bäger (Mitte), hier bei seinem Abschiedsspiel als aktiver Referee, will die ersten Erfahrungen mit dem DFB-Stopp-Konzept abwarten. © Olaf Krimpmann

Was den Unparteiischen offenbar störte, waren pöbelnde Zuschauer in der Nähe der Lembecker Bank. „Und da ich dafür verantwortlich sei, was an der Bank passiere, habe ich Gelb gesehen“, so Kölnberger. Doch damit nicht genug. Unmittelbar nach der Gelben Karte habe es aus den Reihen der Zuschauer einen weiteren Ruf gegeben. „Da hat einer geschrien: ,Beweg dich mehr, dann siehst du auch mehr‘. Keine Ahnung, wer das war. Alle Leute, die da standen, kannte ich nicht, konnte ich auch gar nicht kennen“, schildert Lembecks Trainer. Nosing schickte daraufhin den Übungsleiter per Gelb-Rot aus dem Innenraum. Die Partie konnte dann fortgesetzt werden.

„Respekt schwindet immer mehr“

Lembecks Trainer sagt: „Ich kann doch nicht auf alle aufpassen, die hinter der Bande stehen.“ Intern kam ihm der Platzverweis teuer zu stehen. „20 Euro für eine Gelbe Karte wegen Meckerns, 50 für Gelb-Rot - dazu eine Kiste Bier“, zitiert der Lembecker Trainer aus dem Strafenkatalog der Mannschaft. Auch wenn er die Strafe zahle, steht für ihn fest: Der Schiedsrichter habe überreagiert. „Die Szene war längst erledigt. So, wie sie bei uns ausgelegt wurde, ist diese Regel Quatsch.“

Lehrwart Bäger sieht die Sache differenzierter: „Es ist nun mal so, dass der Respekt immer mehr schwindet. Von daher ist es gut, dass der Schiedsrichter ein weiteres Instrument zur Verfügung hat.“ Letzten Endes ersetze das Stopp-Konzept aber nicht das Fingerspitzengefühl. „Aber das war ja auch vorher schon wichtig“, findet der Marler. Der ahnt: „Wenn es auf dem Spielfeld zur Sache geht und eine Rudelbildung nach der nächsten kommt, dann werden die dich als Schiedsrichter eh nicht wahrnehmen.“ Die Folge könne dann nur das sein, was das Konzept eigentlich vermeiden sollte: der Spielabbruch.