Mit einem Bündel an Maßnahmen will der Fußballkreis Recklinghausen gegen die Auswüchse auf den Fußballplätzen in der Region angehen. Ab dem kommenden Freitag (11. November) wird es ernst für die Klubs. Sie müssen eine Reihe von Auflagen im Spielbetrieb erfüllen. So ist jeder Verein verpflichtet, bei Spielen in den Kreisligen der Senioren zwei Ordner abzustellen. Die Innenräume der Stadien werden zum „Sperrgebiet“: Nur noch im Spielbericht vermerkte Personen dürfen sich dort aufhalten. Durchsetzen will der Kreis das zur Not mit Ordnungsstrafen.
Nicht nur pro forma eine gelbe Weste tragen
Das Maßnahmenpaket war noch gar nicht in Kraft, da zog der Vorsitzende des Bezirksligisten FC Marl bereits erste Konsequenzen. Zum Spiel der zweiten Mannschaft gegen den SV Altendorf-Ulfkotte, wahrlich kein Risikospiel, brachte Claus Lanczek leuchtend gelbe Westen mit und bestimmte zwei Ordner. So wie es Pflicht ist ab Sonntag.
So richtig begeistert wirkte er dabei allerdings nicht. „Ich habe Verständnis für den Kreis. Dass er ein Signal setzt, ist nachvollziehbar. Allerdings habe ich Zweifel, ob die Maßnahmen auch wirklich etwas bringen.“ Sich pro forma eine Weste überziehen, um eine Ordnungsstrafe abzuwenden, damit sei es nicht getan. Die Vorgaben des Kreises müssten auch umgesetzt werden.
Mit Blick auf den Einsatz der Ordner fragt sich Lanczek auch: „Wie offiziell ist das alles eigentlich?“ Gehören die Ordner zum Spiel wie der Schiedsrichter oder die Kicker auf dem Platz? Genießen sie im Falle eines Falles auch Versicherungsschutz? „Wer kommt auf, wenn ein Ordner auf uneinsichtige Personen trifft und in Mitleidenschaft gezogen wird?“ Alle Personen vom Spielfeldrand zu verbannen, sei, abhängig von den Gegebenheiten einer Sportanlage, mitunter nicht einfach: „Gerade auch bei Jugendspielen, wo auch mal quer gespielt wird.“
Keine Bande: Wo beginnt der Innenraum?
Schwierige Platzverhältnisse für die neuen Vorschriften hat etwa der BVH Dorsten. Zwischen Zuschauertribüne und Naturrasenplatz gibt es eine Aschebahn, aber keinerlei weitere Begrenzung. Wo fängt da der Innenraum an? Beim vereinsinternen Derby zwischen der zweiten und dritten Mannschaft der Holsterhausener war die Begrenzung der Personen rund um die Trainerbänke am vergangenen Sonntag auch noch kein Thema. Bei den Oldies der Dritten hatten sich zu dem besonderen Spiel zahlreiche Akteure eingefunden, „die vorher jahrelang nicht mehr beim Training waren“, so Trainer Matthias Knoblauch. Viele standen als Zuschauer neben der Spielerbank. Sie ab sofort auf die Tribüne schicken? Zumindest gewöhnungsbedürftig.

Auch Uwe Matecki, Vorsitzender des Recklinghäuser A-Ligisten SW Röllinghausen, macht sich beim Thema Ordnungsdienst seine Sorgen. „Es gibt doch immer weniger Ehrenamtler, die bei Spieltagen in Doppel- und Dreifach-Funktion im Einsatz sind. Wer will sich denn im Härtefall dann einmischen, auch wenn es nur darum gehen soll, verbal deeskalierend einzuwirken?“ Für seinen Verein sieht Matecki nicht sofort ein großes Problem. Geschäftsführer Martin Isenbort übernimmt jetzt auch die Aufgabe des Leiter Ordnungsdienstes. „Doch bei kleineren Vereinen wird es schwierig, das so umzusetzen“, prophezeit Matecki.

Solch ein kleiner Verein ist der FC Spvgg. Oberwiese aus Waltrop, der nur eine Herrenmannschaft in der Kreisliga B4 stellt. Neulich war der Klub Gastgeber des Waltroper Derbys gegen Teutonia SuS Waltrop II (2:1.) Mehr als 400 Zuschauer verfolgten das Prestigeduell. Ordner zu finden, war für den Klub aber kein Problem. Schon weit vor Anpfiff trugen gleich vier Ordner ihre Westen. Und wenn nötig, könne man schnell reagieren und weitere stellen, hieß es vom Vorstand.
Zustimmung zum neuen „Ampelsystem“ im Fußballkreis
Für eine gute Idee hält Röllinghausens Vorsitzender Uwe Matecki das vom Kreis jetzt eingeführte „Ampelsystem“. Es beinhaltet, dass bei Rudelbildungen oder tätlichen Angriffen Mannschaften verschärft unter Beobachtung stehen. „Ampelstufe gelb“ heißt Beobachtung, bei „orange“ wird die Teilnahme an einem Anti-Gewaltseminar verpflichtend und auch ein „Ansprechpartner zur Gewaltprävention“. Bei „rot“ wird Kreisaufsicht angeordnet - auf Kosten des Vereins. „Das ist vollkommen in Ordnung.“
Das sieht auch Thomas Droste vom Hertener A-Ligisten SuS Bertlich so. Der Hertener befürwortet den Vorstoß des Kreises komplett: „Jetzt müssen die Vereine was machen und es kann das nicht mehr jeder selbst entscheiden.“ Während des Derbys gegen BWW Langenbochum II (1:0) am vergangenen Sonntag hat Droste immer wieder Zuschauer dazu angehalten, sich hinter die Bande zu stellen. „Wir gucken schon, dass wir das heute einführen“, sagte er am Rande des Spiels. „Das ist für uns doch kein Mehraufwand.“
Widerspruch aus Rhade: „Unbedingt zurücknehmen“
Widerspruch gegen die neue Regelung kommt dagegen von Ludwig Schulte-Huxel vom SSV Rhade, der sich seit Jahren für den Mädchen- und Frauenfußball in seinem Verein und im Fußballkreis engagiert. Sein Argument: „Im Frauenfußball ist mir in den letzten 20 Jahren keine Rudelbildung oder ein Angriff auf den Schiedsrichter bekannt. Die Maßnahme ist deshalb in diesem Bereich völlig überzogen und sollte dort unbedingt zurückgenommen werden.“