Steffen Schröder, Schiri-Chef im Fußballkreis Recklinghausen, ist sicher: „Der Ole wird seinen Weg gehen.“ Es ist vor allem das Tempo, das Richter vorlegt, welches nicht nur der Polsumer bemerkenswert findet. Zwischen seinem ersten Einsatz auf dem Feld am 7. August 2021 (es war ein D-Junioren-Spiel bei der DJK GW Erkenschwick) und seinem ersten Spiel bei den Senioren als verantwortlicher Spielleiter lagen nur 14 Monate. Doch egal welches Tempo im Spiel ist: Dass ein 15-Jähriger ein Bezirksliga-Spiel der Senioren leitet, bleibt eine große Ausnahme.
Es ist ein Tempo, das selbst erfahrene Schiedsrichter erstaunt. Wie Siegmar Tylinski. Der im Fußballkreis weithin bekannte Referee war beim ersten Einsatz von Ole Richter als 14-Jähriger als „Pate“ im Einsatz. Das heißt: Er coachte den Nachwuchs-Schiri. „Da war er noch sehr zögerlich und ängstlich“, schildert der Dattelner. Umso erstaunlicher ist die weitere Karriere des Gymnasiasten.
Vater leitet NLZ in Frankfurt und wird vom Sohn „belehrt“
Der Fußball ist Ole Richter in die Wiege gelegt worden, was kaum verwundert: Vater Alexander Richter zeichnete elf Jahre lang als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) beim VfL Bochum verantwortlich. Leon Goretzka, Lukas Klostermann, Ilkay Gündogan gingen in dieser Zeit durch die Bochumer Schule. Seit Sommer hat Alexander Richter diese Position bei Eintracht Frankfurt inne. Genug Fußball-Sachverstand ist damit vorhanden. „Und doch erklärt mir Ole, warum der Linienrichter die Fahne so spät gehoben hat“, berichtet der 51-Jährige. Vor dem Fernseher habe es schon viele leidenschaftliche Diskussionen gegeben - und immer habe sein Sohn recht, wenn es um die Schiedsrichter-Leistung geht.
Schon als kleiner Junge habe er sich Karten und eine Pfeife zugelegt, sei damit im Garten umhergelaufen und habe sie jedem vor die Nase gehalten, berichtet der Vater. „Irgendwie war ich immer fasziniert von dem, was die Schiedsrichter machen“, sagt Ole Richter. In seinem Jugendzimmer hängen etliche Autogrammkarten und ein Poster mit dem Motiv von Manuel Neuer. Als Fußballer hat sich Ole Richter für die Torwart-Position entschieden. Papa Alexander Richter schwante früh, dass sein Sohn dann doch nicht der neue Goretzka würde. Aber es kam noch doller. „Torwart und Schiedsrichter - ausgerechnet die Positionen, bei denen es am schlimmsten ist, wenn man Fehler macht“, habe er sich ausgesucht, sagt der Gymnasiast und muss dabei schmunzeln. Im NLZ des VfL Bochum hat er mal ein Jahr gespielt („Zu mehr hat es nicht gereicht“), aktuell hütet er bei den B-Junioren seines Heimvereins DJK SF Datteln das Tor.

Was Kreis-Schiri-Chef Schröder imponiert, ist die Souveränität, die der erst 15-Jährige auf dem Spielfeld zeigt. „Da ist er vielen eindeutig voraus“, sagt er. Seine Premiere bei den Senioren feierte Ole Richter am 6. Oktober in der Bezirksliga-Partie SV Heßler - SG Herne (3:1). Kurz darauf folgte gleich mit der Partie TuS Altenberge - SV Burgsteinfurt die nächste Bewährung im Seniorenfußball. Aber was heißt Bewährung? Viel schwerer als die 90 Minuten auf dem Feld sei es, die Fahrten zu organisieren: Als 15-Jähriger ist man halt nicht gerade mobil. Die Familie hilft. Immer. „Wenn ich Opa anrufe, dann sagt er jau“, erzählt Ole Richter. Von den wie immer zu knappen Spesen spendiert er dann auf der Rückfahrt eine Pommes oder einen Döner.
Doofe Sprüche kommen meist von Zuschauern
Obwohl er frisch dabei ist, weiß er, worauf es ankommt. „Man muss schon ein dickes Fell haben“, sagt er. Doofe Sprüche bekommt er, wie wohl fast jeder Schiedsrichter, oft genug zu hören, meist sind es Zuschauer, die meckern. Auf dem Spielfeld wisse er sich zu helfen. „Ich fange mit der langen Leine an, will, dass die Fußball spielen“, sagt er. Wenn‘s nicht anders geht, müsse er eben Karten ziehen. Sechs Rote Karten habe er gegeben in dieser Saison, das hält Ole Richter, Zehntklässler am Comenius-Gymnasium in Datteln, genau nach. Im November hatte er noch das umkämpfte Kreispokalfinale der U19 zwischen VfB Waltrop und TuS Haltern geleitet - und viel Lob geerntet. Einen großen Unterschied zwischen Senioren und Jugend macht er kaum noch. Bis jetzt, sagt er, habe er immer alles gut lösen können. „Vor dem Spiel gibt es gerne einen gemütlichen Dialog“, sagt er - und klingt dabei, als sei er, der 15-Jährige, schon zehn oder zwölf Jahre im Geschäft.
Wo soll‘s noch hingehen? An einen jungen Mann, der mit 15 schon bei den Senioren gelandet ist, kann sich niemand erinnern bei den Schiedsrichtern im Kreis. Ole Richter stehen alle Türen offen. „Lange werden wir den wohl nicht sehen hier“, glaubt Schiri-Chef Schröder. Zumal Ole Richter den notwendigen Ehrgeiz aufweist. „Der Traum ist die Bundesliga, klar, aber ein festes Ziel habe ich ehrlich gesagt nicht“, sagt Ole Richter. Felix Brych, Daniel Siebert, Deniz Aytekin - die deutschen Spitzen-Referees sind seine Vorbilder. „Von ihnen kann man sich eine Menge abschauen“, sagt er.
Bei Aktion „Danke, Schiri“ schon vorne dabei
Warum es ihn, den Torhüter, ausgerechnet in die Schiedsrichterei gezogen hat, kann er eigentlich gar nicht genau sagen. „Auf einmal war‘s da und ist nicht mehr weggegangen“, sagt Ole Richter über seine Leidenschaft. Steffen Schröder ist überzeugt vom jungen Dattelner. Jüngst erst gehörte Ole Richter zu den Preisträgern im Kreis bei der Aktion „Danke, Schiri“. Auch da war er mit seinen 15 Jahren ganz vorne dabei - wie eigentlich immer, wenn es um die Schiedsrichterei geht.
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