Michael Baltus ist einer von drei Gründern des Tischtennisvereins PingPongParkinson in Dorsten. Er sagt: „Beim Tischtennis vergesse ich meine Krankheit.“ Beim Besuch in der Turnhalle trifft man an diesem Nachmittag auf sechs Männer, die an Schlägen und Körperbewegungen feilen, wie es andere Sportler auch tun. Es gibt eine Einschränkung: Es gibt einen zusätzlichen Gegner. Er sitzt im Gehirn der Betroffenen und sorgt dafür, dass Bewegungen eingeschränkt und Muskeln starr sind. Das ist oft schmerzhaft. Man sieht es den Bewegungen an, die oft leicht zeitverzögert wirken. So, als ob etwas hakt im Ablauf. In den Gesichtszügen von Michael Baltus spiegelt sich, dass es Kraft und Konzentration kostet, die Schläge zu platzieren. Hinzu kommen Wortfindungsstörungen.
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die die Nervenzellen schädigt. Jeder hier hat die Symptome in unterschiedlicher Ausprägung, sagt Michael Baltus und deutet auf seine Mitspieler. Der Tremor, das unkontrollierte Zittern von Armen und Beinen, ist das wohl bekannteste. Die kurzen, kleinen Bewegungen, wie sie beim Tischtennis üblich sind, kommen ihnen deshalb sehr entgegen, sagt Michael Baltus über einen Sport, zu dem er erst durch seine Erkrankung gekommen ist. Die Idee, dass Tischtennis die geeignete Sportart für Parkinsonkranke sein könnte, stammt aus den USA. 2020 kam sie nach Deutschland. Mittlerweile gibt es hier 200 Stützpunkte mit 1600 Mitgliedern.

15 sind es in Dorsten. Angeschlossen sind sie dem Tischtennisverein Hervest-Dorsten 1949. Die Trainerin ist die einzige Gesunde im Team. Sie ist verständnisvoll und fordernd zugleich. Michael Baltus gefällt das. Er will zurück zur alten Stärke, die Vorhand wieder aggressiver schlagen. So wie er sie noch vor der Operation im Februar übers Netz gezogen hat: Topspin, kaum zu erreichen für den Gegner. Bei der Weltmeisterschaft 2022 im kroatischen Pula hat er sich so die Bronzemedaille im Doppel erkämpft. Seit Februar kämpft sich der 56-Jährige wieder einmal zurück - an der Tischtennisplatte und im Leben. Zwei Elektroden sind ihm ins Gehirn implantiert worden und ein Schrittmacher unterhalb des Schlüsselbeins. Tiefe Hirnstimulation heißt dieses Therapieverfahren.
Implantate stimulieren Gehirnregionen
Das Zittern sei seitdem weniger geworden und er brauche ein Drittel weniger Medikamente, berichtet der Marler am Rande des Geschehens. Ihm sei „ein neues Leben geschenkt worden“ - so sieht Michael Baltus es. Seit seiner Diagnose 2016 beziehe sich alles nur noch auf seine Krankheit, sagt er. Jetzt ist es wieder so. Er freut sich über jeden Schritt, der nicht schmerzt - und er nicht aufstehen muss „wie ein Hundertjähriger“. Lange hat er Symptome und Krankheit verheimlicht. Bis es nicht mehr ging. Michael Baltus hat mehrere Bücher darüber und seine sportlichen Erfolge geschrieben. Seit 2021 ist er in Rente. Bis dahin war er Industriemeister bei Evonik in Marl.

„Mach den Schritt!“, ruft die Trainerin ihm im Einzeltraining zu. Sie fordert von Michael Baltus weniger statische Bewegungen. Das ist es ja. Der erste Schritt falle Parkinsonkranken besonders schwer, sagt sie. Und immer wieder die Vorhand. Eigentlich ist sie der Paradeschlag des 56-Jährigen. Er ärgert sich selbst, dass seine Schläge seit der OP an Schärfe verloren haben. „Das kommt wieder“, verspricht die Trainerin. Es wird Zeit.
Deutsche Meisterschaft im Mai
Anfang Mai finden die Deutschen Meisterschaften in Nordhorn und im Herbst die Weltmeisterschaft in Slowenien statt. Eigentlich, sagt Michael Baltus, rechne er sich gute Chancen aus. Es wird darauf ankommen, wie stark er seinen Vorhandschlag auf die Platte bringt.
Andere Betroffene, die auch Tischtennis spielen wollen, können mittwochs um 17.30 Uhr in die Turnhalle des St. Ursula Gymnasiums an der Brüderstraße 4 in Dorsten kommen.