Fußballverein spielt auf Zuckerrohr und Hanf Der innovative und ökologische Kunstrasenplatz

Fußballverein spielt auf Zuckerrohr und Hanf
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Der Fußballverein VfL Sittensen aus Niedersachsen spielt seit einem Jahr auf einem innovativen und ökologischen Kunstrasenplatz: Die Grashalme sind aus Zuckerrohr, das Granulat aus einer Mischung aus Hanf, Kreide und Kautschuk.

Der Verein ist damit gut gerüstet für das Verbot des Verkaufs von mikroplastikhaltigem Kunststoffgranulat einer Kunstrasenanlage, das nach einer EU-Verordnung ab 2031 in Kraft tritt. Denn auch wenn es bis zum Verbot noch acht Jahre hin sind, geht bei vielen Vereinen nun schon das große Nachdenken los. Kunstrasenplätze halten bei optimaler Pflege etwa 15 Jahre - lohnt sich der Bau einer neuen Anlage mit Kunststoffgranulat dann überhaupt noch? Wohl eher nicht.

Moderne Kunstrasenplätze enthalten mittlerweile oft Sand oder Kork – der VfL Sittensen jedoch setzt auf eine ganz andere Mischung. Die Grashalme aus bestehen beim niedersächsischen Verein aus Zuckerrohr, der Granulatersatz aus Hanf, Kreide und Kautschuk. Naturprodukte also. „Das Ganze ist außerdem CO2-neutral zertifiziert und auch in dieser Hinsicht klimaneutral“, erklärt Egbert Haneke, Vorsitzender des VfL Sittensen.

Forschungsprojekt brachte Anlage

Dass ein Dorfverein wie der VfL Sittensen eine so moderne Anlage auf die Beine stellen konnte, hat eine ganz besondere Hintergrundgeschichte: 2018 hatte das Fraunhofer-Institut eine viel beachtete Studie veröffentlicht, in der die Verwehungen von Mikroplastik auf Kunstrasenplätzen um ein Vielfaches zu hoch berechnet und als wesentliche Quelle für die Belastung der Umwelt eingestuft wurden. Schnell war in den Medien von einem Verbot dieser Kunstrasen die Rede, viele Vereinsverantwortliche machten sich Sorgen. So auch Egbert Haneke vom VfL Sittensen – dem dann allerdings eine Idee kam.

Egbert Haneke, Vorsitzender des VfL Sittensen, brachte das Projekt der neuen Kunstrasenanlage ins Rollen.
Egbert Haneke, Vorsitzender des VfL Sittensen, brachte das Projekt der neuen Kunstrasenanlage ins Rollen. © VfL Sittensen

„Wir haben uns in das Thema eingearbeitet und bald gemerkt, dass die Studie aus verschiedenen Gründen nicht haltbar war“, so der Vereinsvorsitzende. Der Verein habe dann unter der Schirmherrschaft des niedersächsischen Umweltministers ein eigenes Forschungsprojekt zur Untersuchung von Mikroplastik auf deutschen Kunstrasenplätzen gestartet. Dabei wollte der Verein messen, wie viel Gummigranulat unter anderem ausgewaschen wird und in die Natur gelangt. Nach Gesprächen mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft fand der VfL Sittensen dann tatsächlich einen Industriepartner, der den Bau der modernen Kunstrasenanlage auf die Beine stellte.

Platz ist auch Forschungsanlage

Der Platz des Vereins wird mittlerweile seit einem Jahr bespielt und fungiert gleichzeitig als Forschungsanlage. „Unter dem Platz gibt es einen Keller, wo Teilabflüsse der Anlage gesammelt werden“, so Egbert Haneke. Die ersten Zwischenergebnisse seien vor zwei Wochen gesammelt worden. Die Feststellung: „Es ist zwar Mikroplastik vorhanden, aber in derart geringen Mengen, dass man niemals von einer Umweltbelastung sprechen kann“, so der Vereinsvorsitzende.

Der Platz des VfL Sittensen fungiert gleichzeitig auch als Forschungsanlage.
Der Platz des VfL Sittensen fungiert gleichzeitig auch als Forschungsanlage. © VfL Sittensen

Die Platzanlage des niedersächsischen Vereins ist laut Egbert Haneke nicht nur umweltfreundlich und zukunftstauglich, sondern besitze auch extrem gute Spieleigenschaften. Sogar Nachwuchsmannschaften des Hamburger SV oder von Werder Bremen hätten bereits auf der Anlage gespielt und seien begeistert gewesen. „Auch die haben gesagt, dass es sich fast so wie Rasen anfühlt, und dass sie noch nie auf so einer guten Anlage gespielt hätten“, so Haneke.

Die gute Nachricht für alle Vereine: Alle auf der Anlage verwendeten Materialien befinden sich in Serienproduktion. Deswegen ließe sich die Anlage des Vereins in ähnlicher Form problemlos nachbauen, erklärt Egbert Haneke.

„Uns geht es nicht darum, die modernste Anlage Deutschlands zu haben“, stellt der Vorsitzende klar. „Im Gegenteil: Wir hoffen, dass es bald einen Verein gibt, der das Ganze noch weiterbringt“, so der Sittenser weiter. Die Kosten seien nicht erheblich höher gewesen gegenüber einem herkömmlichen Kunstrasenplatz.

Andere Staaten, andere Bauformen

Sorgen über das Kunststoffverbot der EU müssten sich aber ohnehin vor allem andere europäische Länder machen, sagt Haneke. Manche Staaten hätten völlig andere Bauformen, die ein Verzicht von Kunststoffgranulat deutlich erschweren würden, so der Vereinsfunktionär. „Die deutschen Anlagen sehe ich da im Vergleich noch sehr gut vorbereitet“, erklärt Egbert Haneke.

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