Pöbeln, Drohen, Schlagen - „Es wird mehr“ Fußballkreis und Kreissportbund setzen Arbeitsgruppe ein

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Dass Kreissportbund Recklinghausen und der Fußball- und Leichtathletikkreis gemeinsame Sache machen, kommt nicht alle Tage vor. Der Grund liegt auf der Hand: Die Sitten im Sport scheinen zu verrohen, Meldungen über Gewalt auf und neben den Spielfeldern bestimmen die Medien. Dass dabei Sportarten wie Rollkunstlauf oder Schwimmen weniger betroffen sind, liegt auf der Hand. „Wenn man ehrlich ist, ist das Thema Gewalt eins, das in erster Linie den Fußball betrifft“, sagt Karim Bouharrou. Der 50-Jährige ist beim Fußballkreis als Vereinsassistent tätig, Gewaltprävention ist eine seiner Aufgaben. Der Borkener ist auch als Schiedsrichter tätig - und das seit 27 Jahren.

Pikanterweise stand Bouharrou am vergangenen Wochenende selbst im Zentrum von Attacken, wurde angepöbelt und bedroht, wie er sagt. Er fertigte nach der Kreisliga-B-Partie Fenerbahce Marl - SC Marl-Hamm (3:0) einen Sonderbericht an, der jetzt vor dem Kreissportgericht verhandelt wird. Mit welchem Ergebnis, ist offen. Bouharrou weiß: „Es ist doch oft so, dass die Leute, die auffällig werden, irgendwie vom Himmel fallen. Am Ende will sie niemand kennen.“

So sei es auch im Marler B-Liga-Derby gewesen, als er während des Spiels und beim Gang in die Kabine von einem Zuschauer verbal attackiert worden sei, den er den Hammer Löwen, also den Gästen, zurechnete. „Da bekommst du dann einige nette Sachen an den Kopf geschmissen“, so der Borkener. Der Vorfall ist nur einer unter vielen in den vergangenen Monaten - und längst nicht der schlimmste. Auch wenn es im Kreis keine verlässlichen Zahlen gibt, hat der Funktionär erkannt: „Es wird mehr. Gefühlt haben wir mittlerweile jede Woche einen Abbruch.“

DFB-Studie weist mehr Spielabbrüche aus

Der Deutsche Fußball-Bund hatte im August 2023 eine Statistik veröffentlicht, laut der die Zahl der Abbrüche und der tätlichen Attacken bundesweit deutlich in die Höhe gegangen ist. Knapp 4.000 Vorfälle dieser Art flossen in der vergangenen Saison in die DFB-Statistik ein - allerdings würden in den einzelnen Landesverbänden die Qualität der Vergehen nicht einheitlich bewertet, heißt es, an einer Angleichung der Parameter arbeite man. Die Zahl der Spielabbrüche ist in den vergangenen Jahren um mehr als 40 Prozent gestiegen (von 672 in 2016/2017 auf 911 in 2021/2022). Auch ohne konkrete Zahlen zu haben, schätzt Karim Bouharrou, dass der Fußballkreis Recklinghausen hier keine Ausnahme bildet.

Karim Bouharrou ist Schiedsrichter und im Fußballkreis Vereinsassistent. Als solcher ist er mit dem Thema "Gewalt im Fußball" vertraut.
Karim Bouharrou ist Schiedsrichter und im Fußballkreis Vereinsassistent. Als solcher ist er mit dem Thema "Gewalt im Fußball" vertraut. © Olaf Krimpmann

Wie ordnet er damit den Vorstoß seines Fußballkreises und des Kreissportbundes ein? Neben einer gemeinsamen Resolution, die beide Verbände verfasst haben, wollen sie eine Kommission einsetzen, um die Auswüchse vor Ort zu bekämpfen. Vertreter aus den Sportarten sollen dabei sein, aus Politik und natürlich auch aus den Vereinen. „Ich bin bei der Sache nur ein Teil des Ganzen“, sagt Karim Bouharrou, der Mitglied der Arbeitsgruppe sein wird. Aber natürlich kann er mit seiner Erfahrung als Vereinsassistent viel beitragen. Mit etlichen Vereinen hat er in der vergangenen Saison und in dieser Spielzeit schon Kontakt gehabt, er leitete Anti-Gewalt-Seminare. „Wir sehen ja, dass die Probleme mehr werden“, sagt er.

Kommission soll Anfang 2024 ihre Arbeit aufnehmen

Die gemeinsame Kommission von Kreissportbund und Fußballkreis soll Anfang 2024 ihre Arbeit aufnehmen. Es werden dabei Mitstreiter gesucht, die sich einbringen wollen. Interessierte können sich bei Petra Völker, Geschäftsführerin im Kreissportbund Recklinghausen, unter info@ksb-re.de, melden, oder bei Karim Bouharrou vom Fußballkreis unter karim.bouharrou@flvw.de.

Die Erklärung von Kreissportbund und Fußballkreis im Wortlaut:

Gemeinsam gegen Gewalt im Kreis Recklinghausen

Der Kreissportbund Recklinghausen und der Fußball- und Leichtathletikverband Recklinghausen positionieren sich klar gegen Gewalt im Sport und suchen Mitstreiter.

Die Gewalt im Sport hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Es kommt immer häufiger zu verbalen, aber auch zu körperlichen Entgleisungen. Diese Entgleisungen gehen nicht nur von Aktiven aus. Auch Zuschauer sind daran beteiligt.

Das wollen die beiden Sportorganisationen nicht länger hinnehmen und möchten eine Projektgruppe ins Leben rufen, die sich mit der Problematik auseinandersetzt und Regelungen für einen gewaltfreien Sport im Kreis Recklinghausen erarbeitet. Dabei geht es in dieser Arbeitsgruppe nicht nur um Fußball.

Gewalt bei Aktiven und auch bei Zuschauer kommt leider immer wieder in vielen Sportarten vor. Aus diesem Grunde werden Mitstreiter aus allen Sportbereichen gesucht, die Lust haben, in dieser Projektgruppe mitzuwirken.

Zur Statistik des DFB in Sachen Gewalt und Spielabbrüchen geht es hier (externer Link).

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