„Ein Pass muss ankommen“ Frühere Schalke-Ikone Heinz van Haaren ordnet seine Zeit ein

„Ein Pass muss ankommen“: Frühere Schalke-Ikone Heinz van Haaren ordnet seine Zeit ein
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Das Jahr 2024 war für Heinz van Haaren bislang nicht das beste. Gesundheitliche Probleme setzen dem mittlerweile 84-Jährigen zu. „Das ist eben das Alter“, sagt van Haaren. Ein Stück weit sind er und seine Frau Rita froh, dass sie nicht ein anderes Schicksal ereilt hat: Etliche ihrer alten Weggefährten sind dement, tot oder waren bis zu ihrem Tode dement. „Schrecklich“, sagt Rita van Haaren.

Von ihrem Penthaus im Stadtteil Bulmke-Hüllen gibt es einen schönen Blick über die Dächer. „Da hat der Libuda gewohnt, da Nigbur“, zeigt Rita van Haaren. Es sind Namen aus einer Schalker Ära, die lange vorbei ist. Heinz van Haaren, der detailliert und lebhaft erzählen kann, ist dabei niemand, der sagt: Früher war alles besser. Ob die Schalker Mannschaft, in der er gespielt hat, in der er Stratege im Mittelfeld war, oder wie Klaus Fichtel es sagte, der „heimliche Kapitän“, die beste aller Zeiten war, mit Vizemeisterschaft und Pokalsieg 1972? Würde er so nicht unterstreichen. „Was die Mannschaft um Kuzorra mit den Meisterschaften vor dem Krieg geleistet hat, war sensationell. Ich denke, man muss das immer in der jeweiligen Zeit sehen.“

Die jeweilige Zeit, das ist im Fall von Heinz von Haaren auch die in seiner Heimatstadt Marl. Schon in der Jugend des VfL Drewer gab es Erfolge am Fließband. Nach einem Jahr bei der SpVg. Marl („Das konnte nichts werden - die spielten in schwarz-gelb“) dann der Wechsel zum TSV Marl-Hüls, damals eine Macht im Kreis und in Westfalen.

Am Gänsebrink wurde „poussiert“

Ohne den TSV hätte er wohl auch nicht seine Frau Rita kennengelernt, Schwester seines Mitspielers „Pele“ Nowak. Am Gänsebrink hätten sie als Unverheiratete seinerzeit „poussiert“, wie es heißt. Die Sitten waren streng in den 60er-Jahren. Schlosser war er bei den CWH, wie der heutige Chemiepark Hüls damals genannt wurde. Er hätte die Meisterschule besuchen können, doch dann lockte ihn Trainer Rudi Gutendorf, sein Mentor schon zu Hülser Zeiten, zum MSV Duisburg. Der spielte in der neuen Bundesliga, der TSV hatte den Sprung nicht geschafft.

Van Haaren ist ehrlich genug zu sagen: „In der Meisterschule hätte ich zwei Jahre lernen müssen, aber das wollte ich nicht.“ Vier Jahre TSV, vier Jahre MSV Duisburg, vier Jahre Schalke 04: Obwohl Heinz van Haaren, später selbstständig als Physiotherapeut, dann doch in Gelsenkirchen blieb, dort eine Immobilie baute, bleibt er Marl verbunden. „Wir könnten sofort zurück, das ist Heimat, hier lebt die ganze Familie“, sagt seine Frau Rita. Ob sie‘s machen, jetzt, wo sie‘s so gut getroffen haben? Eher nicht.

Nach seiner Zeit beim TSV Marl-Hüls ging's für Heinz van Haaren (4. v. l.) erst mal zum MSV Duisburg in die neu gegründete Bundesliga.
Nach seiner Zeit beim TSV Marl-Hüls ging's für Heinz van Haaren (4. v. l.) erst mal zum MSV Duisburg in die neu gegründete Bundesliga. © Archiv

Zwei Dinge sind bemerkenswert: Heinz van Haaren ist informiert („Was ist da beim TSV los mit der Platzanlage?“). Und obwohl er eine solch herausragende Karriere als Profi hinter sich hat, gibt es in der Wohnung keine Bilder, Trophäen oder sonstiges, die an die Zeit erinnern. „Das brauche ich alles nicht“, sagt der 84-Jährige. Nur ein Bild, das ihn zusammen mit Stan Libuda zeigt, hält er in Ehren. Mit Libuda, der absoluten Schalke-Ikone, war er 1972 nach Straßburg gewechselt.

Der Bundesliga-Skandal setzte auch ihm zu. Heinz van Haaren holt im Gespräch unaufgefordert ein Schreiben des Landgerichts Essen hervor mit Datum von 24. April 1974, mit dem die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn dokumentiert wird. Dass Mitspieler 1971 Schmiergeld erhalten hatten, um das Bundesliga-Spiel gegen Bielefeld zu verschieben („Die haben das dann im Löwenpark aufgeteilt“), versteht er nicht. Er stand damals mit auf dem Platz und war wie seine Mitspieler vom DFB gesperrt worden.

Gute Kontakte nach Duisburg

Fragen kann er niemanden mehr, die meisten Weggefährten sind tot. Und auch wenn Heinz van Haaren über einige Funktionäre spricht, wird klar: So golden, wie es oft scheint, war die Zeit auch vor gut 50 Jahren nicht. Oft genug, dass er Gelder einfordern musste, dass Zusagen nicht eingehalten wurden, wie er sagt. Oft genug, dass er aneckte, obwohl er später weitermachte auf Schalke, als Trainer deutscher B-Jugendmeister 1978 wurde.

Manchmal, nicht immer, ist er noch in der Arena, um sich Spiele anzuschauen. Kontakt hält er noch zu einigen alten Recken des MSV Duisburg, wie etwa Bernard Dietz, auch wenn sich die Reihen auch dort gelichtet haben. Er möchte nicht über den Fußball heute urteilen, der sich seit seiner aktiven Zeit radikal verändert hat. Eins aber ist ihm zuwider: „Die spielen einen Pass zehn Meter am Mitspieler vorbei und der reckt dann auch noch den Daumen hoch. Das machen die alle, immer! So ein Schwachsinn!“ Für ihn, den ehemals filigranen Strategen, steht fest: „Ein Pass muss ankommen.“