Es war der unbestrittene emotionale Höhepunkt des Abends. Als Björn Lohmann am Freitagabend bei der Sportlerehrung des Gemeindesportverbandes Schermbeck der Ehrenpreis des GSV überreicht wurde, hätte es der Aufforderung von Moderator Thorsten Schröder gar nicht mehr bedurft – die meisten Zuschauer im Saal des „Ramirez“ hatten sich auch so schon zu Standing Ovations erhoben.

Sie applaudiertem dem Sportler Björn Lohmann, der in seiner Karriere Erfolge gefeiert hat wie wohl kaum ein anderer Athlet aus der 14.000-Seelen-Gemeinde. Sie applaudierten aber auch dem Menschen Björn Lohmann, der über den Sport hinaus ein Vorbild ist.
Denn seine außergewöhnliche sportliche Laufbahn hat der 45-Jährige inzwischen beendet. Von Hause aus Handballer beim SV Schermbeck 1912, war Lohmann nach einem Verkehrsunfall querschnittsgelähmt und hatte in der Reha Glück.
„Meine Zimmernachbarin vom UBC Münster war Nationalspielerin im Rollstuhlbasketball“, erzählte er Thorsten Schröder und dem Publikum bei der Sportlerehrung: „Die Pfleger haben dann wohl gemerkt, dass mich das interessierte, haben mich einfach zu ihr rübergeschoben und gesagt: Da kannst du alle Fragen stellen, die du hast.“
Björn Lohmann fand in der Reha zum Rollstuhlbasketball
Lohmann fragte, und er fragte nicht nur, er begann 1997 selbst, Rollstuhlbasketball zu spielen. Ebenfalls beim UBC Münster. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die in die 1. Bundesliga und in die Nationalmannschaft führte, zu Europa- und Weltmeisterschaften, zu Deutschen Meistertiteln, Pokalsiegen und Champions-League-Triumphen und dreimal zu den Paralympics.

2008 erlebte Björn Lohmann die Weltspiele des Behindertensports in Peking zum ersten Mal mit. „Wenn du da vor 80.000 Zuschauern bei der Eröffnungsfeier ins Stadion fährst, ist das schon ganz was Besonderes.“

2012 ging es dann nach London, 2016 nach Rio de Janeiro. Bei allen drei Teilnahmen war fürs Team Deutschland im Viertelfinale Endstation. USA, Großbritannien und Spanien hießen die Gegner und besonders das Aus in Rio gegen die Iberer sei ein Trauma gewesen, verriet Lohmann: „Wir waren in unserer Gruppe Vierter geworden, Spanien hatte seine gewonnen und war klarer Favorit. Dann haben wir trotzdem 38,5 Minuten geführt und am Ende doch noch verloren.“
Nach Rio erklärte der Schermbecker, der längst in Köln lebte, seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Dort und auch in seinen Clubmannschaften – zuletzt der RSV Lahn-Dill, der FC Bayern des deutschen Rollstuhlbasketballs – verdiente er sich den Ruf des „ruhigen Drecksarbeiters“. Ein Ehrentitel, den Lohmann bei der Sportlerehrung natürlich erklären musste.

„Im Rollstuhlbasketball werden die Spieler je nach Behinderungsgrad mit Punkten versehen. Pro Team dürfen gleichzeitig maximal 14 Punkte auf dem Feld sein“, berichtete der 45-Jährige, der wegen seiner recht hoch ansetzenden Lähmung in diesem System nur einen Punkt bekam.
„Ich war deshalb nicht unbedingt fürs Werfen unterm Korb vorgesehen. Das war Sache der Großen. Aber ich habe Räume geschaffen, Blocks gesetzt, Drecksarbeit eben. Aber ich habe sie gern gemacht.“
Wertvolle Arbeit leistete Lohmann aber auch nach Ende seiner aktiven Laufbahn. Als Videoanalyst half er, gegnerische Spielsysteme zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Weitere sieben Jahre blieb er so dem Rollstuhlbasketball verbunden. Doch jetzt hat er eine neue Aufgabe: „Zum ersten Mal seit über 25 Jahren habe ich nichts mehr mit Rollstuhlbasketball zu tun.“

Björn Lohmann arbeitet bei der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland (FGQ) als Peer Counseler. „Das bedeutet eine Beratung auf Augenhöhe“, sagt Lohmann. Frisch Verletzte oder Erkrankte erhalten so Hilfe und Anregungen von ebenfalls Betroffenen, und das in einer entscheidenden Phase: „Wir beraten in der Reha und nach dem Nachhausekommen, tauschen uns aber auch ganz einfach über Alltagsdinge aus.“
Björn Lohmann weiß, wie wichtig diese Hilfe ist. Er selbst hat nach seinem Unfall neuen Lebensinhalt gefunden, hat außergewöhnliche Erfolge gefeiert. Und er hat auch den nächsten großen Wandel in seinem Leben gemeistert, ist nach dem Leistungssport nicht in ein Loch gefallen und gibt seine Erfahrungen nun an andere weiter. Einen würdigeren Ehrenpreisträger? Konnte der Gemeindesportverband Schermbeck schwerlich finden.