„Das war das Geilste, was ich in meinem Leben je erlebt hab.“ Es war nicht irgendwer, der das am späten Samstagabend zu Ilias Essaoudi sagte. Denn Promoter Ulf Steinforth vom Berliner SES Boxing ist seit 22 Jahren im Geschäft und gilt als einer der ganz Großen. Doch Essaoudi hatte sich das Lob redlich verdient.
Zusammen mit Ronny Gabel, seinem Gegner. Die beiden waren in der Berliner Verti Music Hall zum Kampf um den Europameister-Titel der World Boxing Organization (WBO) im Superweltergewicht angetreten. Zum zweiten Mal. Denn im vergangenen Mai hatte das Duell, das zugleich Ronny Gabels letzter Kampf in seiner 18-jährigen Profikarriere sein sollte, wegen einer Platzwunde des 39-jährigen Berliners ohne Entscheidung und ohne Sieger geendet.
Noch im Ring hatten sich Gabel und Essaoudi damals auf einen Rückkampf verständigt. „So sollte meine Karriere nicht enden“, sagte Gabel. „Dieses Duell braucht einen Sieger“, erklärte Essaoudi. Beide zollten einander großen Respekt, begegneten sich wie Freunde und erklärten vor dem Rückkampf: „Wenn es vorbei ist, gehen wir beide zusammen gepflegt einen trinken.“ Doch vorher lieferten sie dem Publikum in der Verti Music Hall einen wirklich denkwürdigen Abend.
Ronny Gabel wollte seine Karriere natürlich mit einem Titel beenden, Ilias Essaoudi hatte seinen Kindern versprochen: „Ich bringe diesen Gürtel mit nach Hause nach Dorsten.“ Beide waren auf den Punkt topfit, und der 39-jährige Gabel setzte seinen fünf Jahre jüngeren Gegner gehörig unter Druck.
„In der fünften Runde dachte ich, er hat mich gebrochen“, erzählt Ilias Essaoudi, wie ihn der Dauerdruck des Berliners allmählich mürbe machte. Nur seiner Ecke habe er es zu verdanken gehabt, dass er aus diesem Loch noch einmal heraus fand.
Körpertreffer brachte die Wende
„In Runde sieben habe ich dann einen Körpertreffer gelandet“, erinnert sich Ilias Essaoudi: „Ich habe gespürt, dass der Treffer Wirkung bei ihm hatte. Das hat mich wieder zurück ins Gefecht gebracht, hat mir die zweite Luft gegeben.“
Und spätestens ab da war der Dorstener der klar aktivere Kämpfer im Ring. Doch ein Niederschlag wollte ihm bis zum Ende nicht gelingen. Beide Boxer gaben alles, animierten immer wieder ihre Fanlager, doch als der Gong für die letzten zehn Sekunden der zwölften Runde ertönte, da ließen sie plötzlich die Fäuste sinken.
„Wir haben uns angeschaut und uns dann einfach umarmt“, schildert Ilias Essaoudi den außergewöhnlichen Moment, der zeigte, dass zwei Kontrahenten zu Freunden geworden waren. Noch vor der Verkündung des Urteils brach der Dorstener in Tränen aus. Emotionale Höhepunkte eines emotionalen Abends. Der zum Glück auch mit einem gerechten Urteil endete: Zwei der drei Kampfrichter sahen Ilias Essaoudi klar vorn.
Der spürte auch zwei Tage nach dem Kampf noch „Freude pur“. Was der WBO-Titel für ihn bedeutet? „Das ist einer der vier großen Verbände“, sagt Essaoudi, „auf deren Seite zu stehen mit all den anderen großen Namen, das ist einfach toll. Das kann ein echter Türöffner für mich werden.“ Doch im Moment macht Ilias Essaoudi die Tür erst einmal zu: „Ein, zwei Monate will ich mit Boxen jetzt nichts zu tun haben.“
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