Derby - da denken Basketball-Fans im Kreis an einen Schlagabtausch von höchster Intensität. An leidenschaftlichen Einsatz um Rebounds. An hohes Tempo von der 1. bis zur 40. Minute. Doch wer am Samstagabend erst zur zweiten Halbzeit in die Sporthalle der Wulfener Gesamtschule kam, der hätte meinen können, ein Trainingsspiel in der Vorbereitung zu sehen - zu dem sich aus unerfindlichen Gründen knapp 500 Zuschauer verirrt hatten. Der Grund: Das „Duell“ zwischen BSV Wulfen und Hertener Löwen war schon vor der Pause entschieden.
Nach dem ersten Viertel ist Herten noch dran
Den Gästen war nach fünf Niederlagen in Serie zunächst zwar anzumerken, dass sie sich aggressiver präsentieren wollten. Auf dem Platz und daneben ging es sportlich wie verbal zur Sache. Das langte zu einem passablen Viertel - in der ersten kurzen Pause führte Wulfen mit 20:16. Und hätten Cody Schwartz oder Marco Buljevic bei freien Würfen etwas besser getroffen, so wäre für die Löwen leicht ein besseres Ergebnis möglich gewesen.
Im zweiten Abschnitt aber brauchte Wulfen nur fünf Minuten, um die nervlich angeschlagenen Gäste aus den Schuhen zu kippen. Zwar beschattete Faton Jetullahi BSV-Spielmacher Bryant Allen auf Schritt und Tritt ganz eng. Dafür hatten die Hertener die Scharfschützen des amtierenden Vizemeisters nicht im Blick. Und weil der Ball beim BSV jetzt flott und präzise lief, hatten Nils Strubich, Jonas Kleinert oder Gabriel Jung Zeit und Platz, den Ball aus der Distanz in den Hertener Korb zu feuern.

Zum Vergleich: In der ersten Halbzeit versenkten die Gastgeber acht Dreier in der Hertener Reuse (50 Prozent), die Löwen nur drei (25 Prozent). Aber auch am Korb oder von der Freiwurflinie rauschten die Hertener Quoten im zweiten Durchgang in den Keller. „Katastrophal“, befand Interimstrainer Besart Kelmendi hinterher.
Als dann Mitte des zweiten Viertels beim Stand von 33:24 drei Löwen gegen einen Wulfener einen Fastbreak liefen und nicht zum Abschluss kamen, Hertens Anführer Faton Jetullahi zwei seltsame Fouls kassierte und Casey Lopes sich über eine Auswechslung ärgerte, da lagen die Nerven bei den Gästen endgültig blank. „Bei Herten ist es heute sehr emotional gewesen“, befand BSV-Trainer Gary Johnson hinterher trocken. Sein Team nutzte das Durcheinander - und spielte bis zur Pause einen 51:33-Vorsprung heraus.

Damit war das Spiel entschieden. Ein paar Szenen in Durchgang zwei genügten, um allen in der Arena klarzumachen: Diese Löwen würden nicht die Kraft und die Klasse haben, eine Aufholjagd zu starten. Auf bis zu 25 Punkte wuchs der Vorsprung der Gastgeber an. Die Folge: Beide Teams spielten die zweite Halbzeit herunter. Wulfen versuchte noch die eine oder andere Zirkusnummer und wechselte viel, sonst hätte das Ergebnis auch dreistellig ausfallen können. Die Löwen vermieden den Eindruck, sie ließen sich abschlachten.
Auf der Tribüne saß der Hertener Vorsitzende Hermann Zechel und verfolgte das Spiel wie erstarrt: Der Plan, mit der Trennung von Trainer Cedric Hüsken eine Trendwende einzuleiten, ist bislang gescheitert. Die Wulfener Fans feierten derweil abwechselnd ihr Team oder drehten vergnüglich das Messer in der Hertener Wunde, indem sie den vor knapp zwei Wochen geschassten Löwen-Coach priesen: „Ohne Hüsken habt ihre keine Chance“, schallte es durch die Halle.
Durch die Niederlagen von Citybasket Recklinghausen und Ballers Ibbenbüren hat der BSV Wulfen nach Punkten (14) aufgeschlossen. Und in den beiden letzten Spielen des Jahres bei den Aufsteigern BG TVO/TV Jahn und BG Aachen haben die Münsterland Baskets nun beste Chancen, das Punktekonto weiter aufzufüllen und sich zur zweiten Regionalliga-Kraft hinter Spitzenreiter ETB Miners Essen aufzuschwingen. Auch wenn Trainer Gary Johnson nach dem Derby-Erfolg sogleich warnte: „Auch diese Spiele werden Herausforderungen.“
Löwen suchen einen Harry Potter mit Trainerlizenz
Ganz sicher sind das aber Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem, was die Hertener Löwen erwartet. Wie diese verunsicherte Mannschaft, die mit namhaften Basketballern oben mitspielen wollte, den Anschluss an die Play-off-Plätze herstellen will, ist nach der Leistung von Samstagabend rätselhaft. Vorerst dürfte es nur darum gehen, endlich mal wieder eine Spiel zu gewinnen und die Abstiegszone zu verlassen. Ein Job für den neuen Coach, der Anfang der Woche übernehmen soll. In der Basketball-Szene machen seit Tagen einige Namen die Runde - darunter auch der des ehemaligen Citybasket-Trainers Robin Singh.
Wer immer es wird - Hertens Interimscoach Besart Kelmendi prognostiziert: Auf seinen Nachfolger wartet eine kolossale Aufgabe. Es gehe nicht mehr nur um das Basketball-ABC. „Es ist inzwischen auch eine Mentalitäts - und Kopfsache“, sagt Kelmendi. „Aber vielleicht bringt der neue Coach ja einen Zauberstab mit.“ So ist die Lage bei den Löwen im Dezember 2022: Gesucht wird ein Harry Potter mit Trainerlizenz.
1. Regionalliga:
BSV Wulfen - Hertener Löwen 93:73 (20:16, 31:17, 26:19, 16:21)
Wulfen: Jung (16/2), Landewehr (3/1), Penders, Allen (18/1), Strubich (6/2), Kordel (6), Kleinert ( 13/3), Peters (6), Jakupovic (15/1), van Buer (2), Ludwig (1), Oshodin (7/1)
Herten: Kalongi (o.E.), Buljevic (3/1), Ober, Lopes (10), Schwartz (8), Severing. Köhler (2), Fiorentino (13), Steffens, Jetullahi (25/3), Alarashe (3/1), Verhülsdonk (8)

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