„Besorg‘ mir erst mal ne Pfeife“ Wenn der Schiri nicht kommt - Realität in der Kreisliga C

„Besorg‘ mir erst mal ne Pfeife“: Wenn der Schiri nicht kommt - Realität in der Kreisliga C
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Sonntagmittag, kurz vor 13 Uhr, Sportplatz Am Leiterchen: Die Mannschaften von SF Stuckenbusch II und Genclikspor Recklinghausen II stehen bereit fürs Kreisliga-C-Duell. Der Rasen ist abgekreidet, die Tornetze hängen akkurat. Was fehlt, ist der Schiedsrichter. Bruno Ruch, seit 22 Jahren Geschäftsführer bei den Sportfreunden, geht um die Platzanlage. Wer will pfeifen? Laut Spielordnung müssen sich beide Mannschaften in der Kreisliga C auf einen Spielleiter einigen, ansonsten gilt das Spiel für beide als verloren. Dazu hagelt es ein Ordnungsgeld.

Es kommt, wie es kommen muss: Nachdem alle Anwesenden abgewunken haben, steht Bruno Ruch selbst für einen Einsatz auf dem Rasen bereit. „Besorg‘ mir erst mal ‘ne Pfeife“, ruft der Geschäftsführer. Die wird aufgetrieben, Gelbe und Rote Karte dafür nicht. Aber die Zeit drängt, im Anschluss soll Stuckenbuschs Erste noch ran. Bruno Ruch, in akkurater Sommer-Sonntagskleidung, pfeift die Kreisliga-C-Partie pünktlich an.

Der Funktionär, der 15 Jahre Mitglied im Kreissportgericht war, fünf Jahre davon als Vorsitzender, kennt kein Erbarmen: Zwei Elfmeter verhängt er gegen Stuckenbusch. „Ich habe zwar ein lädiertes Knie und kann mich nicht so gut bewegen gerade“, sagt der 67-Jährige. „Aber wenn ich die Pfeife in der Hand habe, bin ich neutral. Und für mich waren das Elfmeter.“

Eine WhatsApp-Gruppe, die „brummt“

Am Ende verläuft das Spiel ohne Karten und ohne große Probleme, Stuckenbusch II unterliegt mit 0:4. Das Team sinniert beim Pils danach, woran es gelegen haben mag. Am Schiedsrichter nicht. Was sich am vergangenen Sonntag in Recklinghausen zugetragen hat, geht nicht immer so glatt. Dass Schiedsrichter fehlen, dass die Unparteiischen nicht erscheinen - für Steffen Schröder, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses, ist das Alltag. „Es kann ja immer was passieren: Krankheit oder ein defektes Auto. Für solche Fälle haben wir Schiedsrichter eine WhatsApp-Gruppe, die brummt dann.“

Am vergangenen Sonntag sei es schon haarig gewesen, räumt Schröder ein: Acht oder neun Partien seien mit Schiedsrichtern nicht besetzt worden – bei 78 Seniorenspielen im Kreis sind das gut zehn Prozent. „Es gibt Wochenenden, da passt das gut. Und es gibt Wochenenden, da ist das knapp“, sagt Schröder, der selbst als Ansetzer aktiv ist. Einen Schiri-Engpass sieht der Schiri-Boss bei rund 200 aktiven Schiedsrichtern aber nicht. „Natürlich gibt es Schiedsrichter, die mehrere Spiele am Wochenende pfeifen. Die brauchen wir auch weiterhin. In der Gesamtheit betrachtet sind wir aber eigentlich ganz ordentlich aufgestellt.“

Steffen Schröder, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses, räumt kurzfristige Engpässe bei den Ansetzungen ein. Diese seien aber nicht die Regel, so der Funktionär.
Steffen Schröder, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses, räumt kurzfristige Engpässe bei den Ansetzungen ein. Diese seien aber nicht die Regel, so der Funktionär. © Thomas Braucks

Schröder räumt allerdings ein: Zwar geht der Schiri-Ausschuss in die Vereine, nutzt verstärkt Social Media, um an potenzielle neue Leute zu kommen. Zwar bildet er erfolgreich aus – aus den vergangenen drei Lehrgängen kamen 60 neue Schiedsrichter hervor. Aber die Fluktuation sei schon hoch. „Aus jedem Lehrgang hören zwei, drei Leute binnen eines Jahres wieder auf“, berichtet Steffen Schröder. Aus zum Teil nachvollziehbaren Gründen: Einigen ist der Aufwand an den Wochenenden zu groß. Andere sehen sich sofort Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt, denen sie sich nicht weiter stellen wollen. „Natürlich spielt das eine Rolle. Wir versuchen gegenzusteuern mit einer besonderen Betreuung von Jung-Schiedsrichtern. Erik Timmer steht hier mit Rat und Tat zur Verfügung.“

Ausbildung ist das A und O

Steffen Schröder sagt: Es gebe viele Bausteine, um die Zahl der Schiedsrichter zu erhöhen im Kreis. Aber letzten Endes sei Voraussetzung immer erst die Ausbildung. Für den kommenden Anwärterlehrgang, angesetzt für das Wochenende 24. bis 26. November beim FC Marl, gebe es bereite erfreulich viele Anmeldungen. „Wir gehen von 20 bis 25 Teilnehmern aus“, sagt der Schiri-Chef. Aber Engpässe wie am vergangenen Wochenende seien damit nicht zu vermeiden – auch wenn die eher die Ausnahme als die Regel sind, wie Steffen Schröder sagt.

Bruno Ruch, der das Schiedsrichterwesen mit Baseballkappe und kariertem Hemd am vergangenen Sonntag zumindest modisch revolutioniert hat, will vorbauen. Demnächst will sein Klub SF Stuckenbusch sich Pfeife und Karten besorgen und im Vereinsheim deponieren – für den nächsten Einsatz. Der dann aber kaum so hart sein wird wie der letzte bei mehr als 30 Grad im Schatten. Bruno Ruch: „Da kommst du in Sonntagsklamotten zum Platz und bist nach dem Spiel der zweiten Mannschaft klitschnass geschwitzt.“

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