Kann es zu politischen Verhaftungen kommen, Herr Schwabe?

Kann es zu politischen Verhaftungen kommen, Herr Schwabe?

rnFrank Schwabe im Interview über die WM in Russland

„Wladimir Putin sitzt nicht im Stadion, weil er so ein großer Fußballfan ist“, sagt der SPD-Politiker Frank Schwabe. Warum dann? Der Castrop-Rauxeler Schwabe ist seit 2014 Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe seiner Bundestagsfraktion. Im Interview spricht er über die anstehende Fußball-WM in Russland und die Verstrickungen des Sports mit der Politik. Vor allem zur Politik von Russlands Staatschef Wladimir Putin hat er eine klare Meinung.

Castrop-Rauxel

, 05.06.2018, 11:38 Uhr / Lesedauer: 3 min

Frank Schwabe ist SPD-Politiker. Er begann im Kommunalen, im Ickerner Ortsverein, zog in den Stadtrat ein, ist aber inzwischen im Bundestag tätig und vor allem darüber hinaus ein Mann für internationale Angelegenheiten: Der heute auf Schwerin lebende Schwabe ist seit 2014 Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe seiner Bundestagsfraktion, Vorsitzender der SPD-Delegation und stellvertretender Leiter der Deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Damit ist er für uns ein idealer Ansprechpartner vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Unser Mitarbeiter Christian Woop traf ihn in seinem Heimatbüro an der Langen Straße.

Herr Schwabe, die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 findet im Sommer in Russland statt. Dort herrscht seit Jahren ein autoritäres System, die Menschenrechte sind eingeschränkt. Gleiches gilt für Katar, das 2022 die WM austragen wird. Warum sollten ranghohe Politiker und Sportfunktionäre Deutschland trotzdem dort vertreten?

Es ist wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann man nur zur Staffage wird. Ob und wann man fährt, muss jeder für sich entscheiden. Man sollte sich aber immer bewusst sein, dass die Gefahr besteht, für politische Zwecke missbraucht zu werden. Das bedeutet ebenfalls nicht, dass Sportereignisse dort nicht mehr stattfinden können, wo die politische Lage problematisch ist. Dann bleiben am Ende vielleicht noch fünf Länder übrig, die als Austragungsort überhaupt in Frage kommen.

Sportliche Großereignisse fanden immer schon teilweise in Nicht-Demokratien statt: Olympia in Nazi-Deutschland 1936, die WM 1978 in der argentinischen Militärdiktatur, zuletzt die Winterspiele 2014 in Russland. Warum sind die Wettkämpfe für solche Staats- und Regierungsformen so attraktiv?

Manche Länder verfolgen eine ganz offensichtliche Strategie, sich alles an Sportereignissen an Land zu ziehen, um die eigene Agenda zu stärken. Obwohl die vergangenen Olympischen Spiele und jetzt die Weltmeisterschaft in Russland stattfinden, würde ich den Staat nicht dazuzählen. Trotzdem sitzt Wladimir Putin dort nicht im Stadion, weil er so ein großer Fußballfan ist, sondern weil er dort Politik betreibt. In Europa trifft das aber definitiv auf Aserbaidschan zu. Im weltweiten Kontext ist es Katar. Die gehen ja so weit, sich eine ganze Handball-Nationalmannschaft zusammenzukaufen.

Gehen diese PR-Pläne immer auf?

Jedes Land versucht mit der Austragung eines Großereignisses, einen Prestigegewinn zu erzielen – auch Deutschland. Das ist völlig legitim. Mein Eindruck war, dass etwa in Aserbaidschan mit der Austragung der European Games nicht der gewünschte Effekt erzielt worden ist, da keine westlichen Politiker angereist waren und die Veranstaltung nicht wirklich in der Öffentlichkeit stattgefunden hatte.

Wie sieht Ihrer Meinung denn der angemessene Umgang mit Russland als Gastgeber der Weltmeisterschaft aus?

In Sachen Russland werbe ich für einen Dialog, aber auf der anderen Seite darf man keine Abstriche machen, wenn es um Verletzung der Menschenrechte geht. Das muss man auch immer wieder benennen. Politisch motivierte Morde gehören auf den Tisch und dürfen nicht verschwiegen werden.

Frank Schwabe ist seit 2014 Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe seiner Bundestagsfraktion.

Frank Schwabe ist seit 2014 Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe seiner Bundestagsfraktion. © picture alliance / Britta Peders

Vor wenigen Wochen sorgte Hajo Seppelt für Aufmerksamkeit. Dem Leiter der ARD-Dopingredaktion, der flächendeckenden Betrug in Russland aufgedeckt hatte, wurde kurzfristig die Einreise zur WM verweigert. Auf Twitter schrieben Sie anschließend, Russland zeige sein wahres Gesicht. Was bedeutet das?

Russland ist kein freies Land. Es herrscht keine Pressefreiheit, kein Klima, in dem sich Menschenrechtsorganisationen oder Oppositionspolitiker frei bewegen können. Wenn ein Land international keine freie Berichterstattung ermöglichen will, ist das inakzeptabel. Im Fall Seppelt hat Moskau gezeigt, was es wirklich von Pressefreiheit hält. Die russische Politik basiert auf tricksen, tarnen und täuschen.

Zum Beispiel?

Angeblich hat es ja keinen Einmarsch in die Ukraine gegeben, keine Beteiligung am Krieg in Syrien oder Staatsdoping, obwohl das Gegenteil offensichtlich ist. Erst auf Druck von Außenminister Heiko Maas hat Russland Seppelt die Einreise gestattet.

Sportfunktionäre gehen solchen Debatten relativ einfach aus dem Weg, indem sie sagen, Sport habe mit der Politik nichts am Hut. Haben sie recht?

Die Verstrickungen von Politik und Sport sind nicht von der Hand zu weisen. Der jetzige DFB-Präsident Reinhard Grindel (CDU) war zum Beispiel mein Kollege im Bundestag. Volker Beck von den Grünen, der mal in Russland für die Rechte von Homosexuellen demonstrierte und von der Polizei dabei attackiert worden ist, hätte sich in der Rolle Grindels zum Thema Russland vermutlich offensiver geäußert.

Wie sollten sich Politiker verhalten, wenn sie Staatsbesuche in Nicht-Demokratien abstatten?

Wenn ich das Programm von manchen Bundestags-Abgeordneten anschaue, bin ich skeptisch. Es ist richtig, in autoritäre Länder zu reisen. Aber dann muss auch das Programm dort stimmen. Ich muss immer wissen, zu welchen Umfeldern ich mich betrage.

Wie konkret ist die Gefahr, bei der WM mit der russischen Justiz aneinanderzugeraten? Kann es zu politischen Verhaftungen kommen?

Solche Fälle sind mir bislang nicht bekannt. Die Russen wissen genau, dass sie damit eine diplomatische Krise heraufbeschwören würden. Daher halte ich auch für unwahrscheinlich, dass es während der Weltmeisterschaft zu politischen Verhaftungen kommt, wie wir sie zuletzt etwa in der Türkei erlebt haben.

Obwohl die türkische Mannschaft für die Fußball-WM gar nicht qualifiziert ist, sorgte deren Präsident Recep Tayyip Erdogan zuletzt für Aufsehen, als er sich mit den deutschen Nationalspielern Mesut Özil und Ilkay Gündogan bei seinem Besuch in London ablichten ließ. Wie bewerten Sie das?

Ich hätte den Herren nicht empfohlen, dieses Foto schießen zu lassen. Es ging ja auch anders, wie Emre Can gezeigt hat. Dass Gündogan und Özil glühende Erdogan-Anhänger sind, würde ich nicht behaupten. Sie müssen aber wissen, für welche Zwecke so ein Bild missbraucht wird. Sport und Politik sind nicht zu 100 Prozent zu trennen. Dennoch darf sich der Sport nicht voll der Politik unterordnen. Denn dann kommt gar kein Sportereignis mehr zustande.

Das macht Frank Schwabe im Europarat

Frank Schwabe ist Vorsitzender der Sozialdemokratischen Fraktion in der parlamentarischen Versammlung des Europarates. In dieser Fraktion arbeiten 164 Politiker aus 42 Ländern zusammen. Der Europarat ist kein Gremium und keine Unterorganisation der Europäischen Union. Er hat mehr Mitglieder (47 Staaten) und ist älter, wurde schon im Mai 1949 gegründet und hat seinen Sitz in Straßburg. Er widmet sich vor allem der Wahrung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte.
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