Vom Luxusklasse-Reisebus oder dem Flieger, mit denen Profis reisen, können unsere heimischen Sportler nur träumen. Aber wie organisieren die Amateure eigentlich ihre Auswärtsfahren? Wir haben 2019 nachgefragt.
Wer sich vorstellt, wie Sportler reisen, denkt schnell an die Mannschaftsbusse der Fußball-Bundesligisten. Oder an Flugzeuge in Vereinsfarben wie den BVB-Flieger der Firma Eurowings, der in dieser Woche Schlagzeilen schrieb, weil er beim Anflug auf den Airport in Madrid durchstarten musste. Man denkt an Luxus aus dem Reisebus des DFB, bekannt aus dem Film „Die Mannschaft“ - mit viel Beinfreiheit, Tischen zum Doppelkopf-Spielen und Sitzen, die man so weit zurückklappen kann, dass es fast ist wie zu Hause auf der Couch.
Das wahre Bild im Amateursport aber ist anders. Ganz anders, nüchtern, sachlich, schlicht. Wir haben uns mit den Vereinen über ihre Auswärtsfahrten unterhalten und stoßen auf zum Teil spezielle Rituale. Und: Wer bezahlt eigentlich den Sprit?
Die Mannschaft mit den weitesten Wegen
Die Castrop-Rauxeler Amateursportler sind durchweg in Nordrhein-Westfalen unterwegs - bis auf ein Verein: Die Billardspieler des ABC Merklinde überschreiten für ihre Punktspiele mehrmals die Landesgrenze. Die weiteste Fahrt führt die Mannschaft in der 1. Dreiband-Bundesliga in die bayerische Landeshauptstadt zum BC München. Das sind 621 Kilometer für einen Auftritt, der für den jeweiligen Akteur bereits nach weniger als einer Stunde zuende sein kann.
ABC-Spieler Christian Pöther erklärt zu der Planung der langen Fahrten, die Dreiband-Experten auch zum BC Stuttgart (440 km) sowie zum BC International Berlin (500 km) führt: „Zumeist machen wir es vor weiten Fahrten so, dass wir uns zuvor bei einem der Teamkameraden treffen, frühstücken und dann mit einem Auto zu viert losfahren.“
Während bei Heimspielen in der ehemaligen Marienschule an der Johannesstraße das Spiellokal und der Zuschauerraum rappelvoll sind, nehmen Fans als Zuschauer die längeren Ausfahrten nicht auf sich - dort bleiben die Sportler unter sich.
Die Kilometer-Rangliste der heimischen Sportler

© Martin Klose
Mit 165 Kilometern die zweitlängste Anreise haben in der Sommersaison die Tennis-Herren 75 des RV Rauxel. RVR-Mannschaftsführer Rolf Harms erklärt, wie ein Trip zum TV Espelkamp-Mittwald (Minden-Lübbecke) in den Nordosten von NRW auf die Beine gestellt wird: „Wir fahren mit den Autos der Spieler mit bis zu vier Spielern in einem. Nach Espelkamp sind wir mit sechs Spielern in zwei Autos gefahren - das ist für die weite Strecke mit Gepäck angenehmer.“ Harms betont: „Wir versuchen, uns mit dem Fahren zu Auswärtsspielen abzuwechseln.“ Es geht stets morgens früh auf die Autobahn. Nach dem Duell in Espelkamp sind die RVR-Oldies erst am Abend wieder in Castrop-Rauxel. Rolf Harms sagt: „Kosten entstehen unserem Club keine, da wir alles selbst tragen.“ Jeder Fahrer trägt die Benzinkosten selbst.
Trainer sammelt Spielerinnen ein
Die Bezirksliga-Handballerinnen des TuS Ickern haben im Laufe der vergangenen Jahre ihren gemeinsamen Treffpunkt auf dem Parkplatz nahe der Sporthalle an der B235 abgeschafft. TuS-Trainer Fabian Wolf sagt: „Oft haben die Spielerinnen damals gesagt, dass sie bei Auswärtsspielen lieber direkt zur Halle kommen.“ Einige Ickernerinnen fahren gemeinsam. Wolf: „Oft nehme ich meine Co-Trainerin Gisela Klöpping mit, aber im Grunde treffen wir uns immer eine Stunde vor Anpfiff an der Halle. Bei besonders weiten Fahrten nehme ich dann noch die ein oder andere Spielerin mit; aber da unsere Spielerinnen ja mittlerweile in Castrop-Rauxel, Dortmund, Bochum oder noch weiter weg wohnen, sind ihre Anfahrtswege unterschiedlich lang.“ In der vergangenen Saison war die Fahrt zur SG Menden ins Sauerland mit 50 Kilometern die weiteste.
Langstrecke nach Gladbeck
Keinen großen Aufwand stellen die Auswärtsfahrten für die Bezirksliga-Handballer der HSG Rauxel-Schwerin dar. So beschreibt es ihr Trainer Sebastian Clausen: „Wir sind in der glücklichen Situation, dass Castrop-Rauxel inmitten unseres Handballkreis Industrie liegt.“ Die Fahrten zum TV Gladbeck, TuS Hattingen sowie HSC Haltern-Sythen sind mit etwas mehr als 30 Kilometern Entfernung schon die HSG-Langstrecken. Diese Gegner sind in bis zu 30 Minuten mit dem Auto erreichbar. Clausen meint: „Da möchte ich nicht mit den Hattingern tauschen. Denn diese fahren ja nach Haltern doppelt so lange wie wir.“
Ein Teil der HSG trifft sich zur gemeinsamen Abfahrt mit dem Auto an der ASG-Sporthalle. „Es fahren aber auch viele direkt zu den Auswärtshallen von zu Hause aus, ich zum Beispiel fast immer“, sagt Clausen. Denn er selbst wohnt in Recklinghausen. Für ihn wäre der Abstecher nach Castrop oftmals ein Umweg.
Postlerinnen feiern unterwegs
Die Tischtennisspielerinnen des Post SV wohnen allesamt in verschiedenen Städten. Vor allem mit Blick auf die 129-Kilometer-Fahrt zu Germania Salchendorf in den Kreis Siegen-Wittgenstein sagt Spielführerin Nicola Schuchardt: „Wir treffen uns stets und fahren mit nur einem Auto. Anders als ein Tischtennis-Männer-Team sind wir ja nur zu viert - und passen somit in ein Auto.“ Vor dem Antritt der Reise werde stets ausgelost, wer die Fahrerin ist und ihren Pkw zur Verfügung stellt. Nicola Schuchardt erklärt: „Nach den Spielen bleiben wir zumeist für ein gemeinsames Essen zusammen. Und es gibt Sekt auf der Fahrt - bei einem Sieg.“

Bei den Korfballern des KV Adler Rauxel, hier mit Lucas Frohnhöfer (r.), bekommen die Fahrer, die ihre Teamkameraden mitnehmen, Spritgeld. © Volker Engel
Adleraner zahlen Spritgeld
Der Vorstand der Regionalliga-Korfballer des KV Adler Rauxel beteiligt sich an den Spritkosten, die den Spielern, die Teamkameraden einsteigen lassen, entstehen. Für die 86-Kilometer-Fahrt nach Bergisch Gladbach ins Rheinland werden 25 Euro vergütet, sagt der Adler-Vorsitzende Bastian Held. Der Treffpunkt der Korbjäger ist zwei Stunden vor Anpfiff stets der Parkplatz der Sporthalle der Willy-Brandt-Gesamtschule. Wenn es keinen Stau auf der Autobahn gibt, sind die Rauxeler planmäßig rund eine Stunde vor Beginn der Begegnung vor Ort. Dort geht dann auch die Mannschaftsbesprechung mit Trainer Patrick Fernow über die Bühne. Manchmal fahren die Rauxeler auch früher los - wenn etwa ihre zweite oder dritte Mannschaft am gleichen Ort vor ihnen spielt. Held: „Dann sind wir zum Anfeuern da.“
Sportkegler bezahlen Benzin aus der Mannschaftskasse
In der Westfalenliga führt der weiteste Weg die Sportkegler Castrop-Rauxel über 118 Kilometer zum ESV Siegen. SK-Sprecher und Mitspieler Joachim Müller sagt: „Aber nicht nur bei solchen Strecken ist unser Treffpunkt immer unsere Heimatadresse: das Keglerheim an der Wartburgstraße.“ Von dort fahren er und sein Team mit zwei Autos los. Müller: „Wer fährt, organisieren wir rotierend. Die Kosten werden aus unserer Mannschaftskasse beglichen, die nach einem festen System an jedem Spieltag aufgefüllt wird.“ Da bleibe dann auch zum Saisonabschluss noch etwas übrig, zum Beispiel für ein gemeinsames Essen. Alle Entfernungen lassen eine tagesaktuelle Anreise zu, so Müller, auch wenn das im Fall Siegen eine Abfahrt morgens um 8 Uhr bedeute: „Eine Anreise mit vorangehender Übernachtung würde uns finanziell zu sehr belasten.“

Udo Sternemann, der Vorsitzende des BGSV Castrop Rauxel, trainiert mit seinem Team oftmals vor dem Spieltag auf der Auswärtsanlage. © Volker Engel
Bahnengolfer scheuen keine Übernachtung
Die Bahnengolfer des BGSV Castrop-Rauxel, die in der 3. Bundesliga beheimatet sind, haben in MSC Bad Godesberg den Gastgeber, der am weistesten von ihnen entfernt ist - 127 Auto-Kilometer. In der Vergangenheit haben die Bahnengolfer zur Vorbereitung auf das Duell sogar auswärts übernachtet, berichtet der BGSV-Vorsitzende und -Spieler Udo Sternemann. Die Mannschaft besteht in der 3. Liga aus sieben Spielern. „Da die meisten Spieler berufstätig oder schulpflichtig sind, kann ein vorbereitendes Training für den jeweiligen Spielort in der Regel nur an Samstagen oder an Feiertagen stattfinden“, so Sternemann. Man versuche, Fahrgemeinschaften mit dem Pkw zu organisieren. Treffpunkt ist dabei die Minigolfanlage in Ickern - oder die Personen, die eine Fahrgemeinschaft bilden, treffen sich beim Fahrer zu Hause. Sternemann erklärt: „Wir benötigen meist nur zwei Pkw, um alle Spieler zum Training zu fahren. Auch zum jeweiligen Turniertag werden in ähnlicher Weise Fahrgemeinschaften gebildet, soweit nicht aus persönlichen Gründen eine eigene Fahrt notwendig wird.“
CSC startet um 13 Uhr an der Bahnhofstraße
Die Verbandsliga-Squashspieler des 1. CSC Forum Castrop-Rauxel sind für ihre längste Anreise - zum Squash-Park Team Rheydt - 102 Kilometer unterwegs. Sie fahren an der Bahnhofstraße um 13 Uhr los, damit sie gegen 14.15 Uhr in der Nachbarstadt von Mönchengladbach anzukommen, berichtet Sportwart und Spieler Peer Dany. Damit sei ein Aufwärmen und Einspielen gewährleistet. „Wir fahren mit einem Auto, um Kosten zu sparen und die Umwelt zu schonen. Im Ausnahmefall machen sich manche Spieler direkt auf den Weg zum Spielort, weil wir nicht alle in Castrop-Rauxel wohnen.“ Eine Hotelübernachtung sei aus finanziellen Gründen nicht drin. Peer Dany meint: „Das ist auch nicht unbedingt notwendig, um den sportlichen Erfolg zu gewährleisten. Die Spielorte sind ja nicht so weit weg.“

Martin Böhnke ist einer von sechs SV23-Akteuren, die in der ersten Mannschaft des Fusionsvereins SK Sodingen/Castrop spielen. Der weiteste Weg führt die Schachspieler nach Köln. © Volker Engel
Denksportler fahren zwei Langstrecken
Immerhin 128 Kilometer nehmen die Schachspieler des SK Sodingen/Castrop auf sich, um beim Godesberger SK (Stadtbezirk Bonn) punkten zu können. Die erste Mannschaft des Fusionsvereins aus dem Jahr 2015 zieht in der NRW-Klasse die Figuren über die Tische. Ihr Vorsitzender, der Herner Georg Waldschmidt, berichtet, dass es neben der Godesberg-Fahrt noch eine weitere Langstrecke gibt: die 100 Kilometer zum Kölner SK. Zu solchen Begegnungen bilden die Denksportler Fahrgemeinschaften und sind dann mit zwei oder drei Autos unterwegs. Waldschmidt sagt: „Da wir im Ruhrgbiet sehr zentral in NRW liegen, sind die Orte am Spieltag zu erreichen, eine Übernachtung ist nicht nötig.“
Im Kader der ersten Mannschaft des SK Sodingen/Castrop stammen aktuell sechs von zehn Akteuren vom einstigen Bundesligisten SV Castrop-Rauxel 23.
Und was ist mit den Hunderten von Fußballern in unserer Stadt? Die haben es weitgehend komfortabel. Die beiden klassenhöchsten Männer-Mannschaften FC Frohlinde und SV Wacker Obercastrop spielen in der Landesliga und müssen maximal 50 Kilometer weit fahren - bis nach Hamm, wobei die Hammer Spvg II jetzt ihre Mannschaft zurückzog. Etwas weiter haben es da die Frauen von Arminia Ickern: Sie schaffen ihren Weg bis nach Vreden, etwas mehr als 80 Kilometer, aber auch in knapp einer Stunde.
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
