Rassismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit? Schock-Urteil gegen Castrop-Rauxeler Coach

Heftige Strafen für Castrop-Rauxeler Coach: „Rassismus“ und „Nationalismus“ als Vorwurf
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Während eines Amateurfußballspiels in der Kreisliga B3 (Recklinghausen) soll sich der Trainer eines Klubs aus Castrop-Rauxel grob unsportlich gegenüber einem Spieler geäußert haben. In der Urteilsverkündung des zuständigen Verbandssportgerichts des Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) ist die Rede von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus.

Hunderte Euro Geldstrafe und eine lange Sperre für den Coach verhängten die Sportrichter. Doch das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Der Verein ist geschockt von den Vorkommnissen, widerspricht den schweren Vorwürfen entschieden und hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Heftige Vorwürfe, 500 Euro Geldstrafe und langes Innenraumverbot

Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht Trainer Danny Jordan vom TuS Henrichenburg. Dieser soll sich während der Partie bei GW Erkenschwick (8. September, Endstand: 0:1) diskriminierend gegenüber GW-Spieler Emircan Seymen geäußert haben. Darüber, was tatsächlich passiert ist, gibt es verschiedene Versionen der beteiligten Protagonisten.

Am 8. November fand die mündliche Verhandlung vor dem Verbandssportgericht statt. Den Vorsitz hatte Sportrichter Dr. Markus Seip, seine Beisitzer waren Georg Hein und Dierk Dunschen.

„Wir haben Zeugen mit unterschiedlichen Versionen angehört, davon waren drei Zeugen, die genau das, was wir festgestellt haben, so auch gehört haben. In der Gesamtschau waren wir deswegen davon überzeugt, dass Trainer Danny Jordan diese diskriminierende Äußerung getroffen hat, die zu dem Urteil gegen ihn geführt hat. Obwohl Danny Jordan von Anfang bis Ende bestritten hat, etwas Diskriminierendes gesagt zu haben“, erklärt Dr. Markus Seip gegenüber dieser Redaktion.

TuS Henrichenburgs Trainer Danny Jordan sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
TuS Henrichenburgs Trainer Danny Jordan sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert. © André Hilgers

Für das Sportgericht stellte sich die Situation wie folgt dar: In der 70. Spielminute sei es nach einem Foulspiel eines Erkenschwicker Spielers erst zu lauten Wortgefechten und dann zu einer Rudelbildung gekommen. An dieser war auch Emircan Seymen beteiligt. Danny Jordan allerdings nicht. Als sich Seymen im Anschluss der Rudelbildung an der Seitenlinie entlang in Richtung des TuS-Trainers bewegte, habe dieser zum Erkenschwicker erst gesagt: „Du Luftpumpe kannst doch eh nichts“. Als Seymen darauf nichts sagte, habe Danny Jordan hinterhergeschossen: „Was guckst Du so, Du scheiß Ausländer“.

Diese Aussage wertete das Sportgericht als dermaßen schwerwiegend, dass sein Verhalten in der Urteilsverkündung als rassistisch, fremdenfeindlich und nationalistisch eingeordnet wurde. Die Sanktion des Gerichts in diesem Fall: 500 Euro Geldstrafe und ein Innenraumverbot für die Dauer von fünf Meisterschaftsspielen.

Emircan Seyman (vorne) während der Partie gegen den TuS Henrichenburg.
Emircan Seyman (vorne) während der Partie gegen den TuS Henrichenburg. © Andreas von Sannowitz

Dass Danny Jordan und die Zeugen des TuS Henrichenburg dieser Darstellung allerdings vehement widersprochen hätten, dem folgte das Sportgericht bei der Urteilsfindung nicht. „Es gab eine umfangreiche Beweisaufnahme. Das Urteil drehte sich um die Glaubhaftigkeit der einzelnen Zeugen. Am Ende hielten wir die Zeugen-Aussagen des TuS Henrichenburg für nicht plausibel“, erklärt Dr. Markus Seip.

Bei der Sanktionierung (500 Euro Geldstrafe, fünf Spiele Sperre) gab es trotz der schwerwiegenden Vorwürfe am Ende die Mindeststrafe nach Rechts- und Verfahrensordnung des Westdeutschen Fußballbundes (WDFV). „Danny Jordan ist sportgerichtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Dass es die Rudelbildung gab und dadurch eine emotionale Komponente hinzukam, haben wir zu seinen Gunsten berücksichtigt“, erläutert der Sportrichter.

TuS Henrichenburg: „Größte Farce, die ich jemals im Bereich Sport erlebt und mitgemacht habe“

Beim TuS Henrichenburg selbst waren die Verantwortlichen vom Urteil und Verlauf der Sportgerichtsverhandlung „geschockt“, wie der stellvertretende Vorsitzende Carsten Ferlmann im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt. „Die größte Farce, die ich jemals im Bereich Sport erlebt und mitgemacht habe“, so der stellvertretende Vorsitzende.

In über 40 Jahren als Ehrenamtler im Verein habe er so etwas noch nicht durchlebt. „Wir sind keine Juristen, eine derartige Verhandlung hat noch keiner von uns miterlebt. Als Vereinsvertreter war ich bei der Verhandlung dabei. Worauf wir überhaupt nicht vorbereitet waren: Dass wir die Belastungszeugen befragen mussten und ein Plädoyer halten mussten. Wir sind davon ausgegangen, dass Danny freigesprochen wird. Weil er nichts dergleichen geäußert hat“, sagt Ferlmann.

Er betont: „Keiner unserer Zeugen hat gehört, wie Danny ‚scheiß Ausländer‘ gesagt hat. Danny hat überhaupt keine fremdenfeindliche Gesinnung. Er würde solche Worte nicht benutzen. Das Einzige, was er in der Situation zu Emircan Seymen gesagt hat, war, ‚Du Hafensänger‘“, so Ferlmann.

Was den TuS besonders pikiert: „Laut des Spielberichts des Schiedsrichters soll es sich komplett anders zugetragen haben, als hinterher in der Verhandlung festgestellt wurde. Ein kompletter Widerspruch!“, sagt Carsten Ferlmann.

Schiedsrichter verfasst Stellungnahme

Im Spielbericht und in einer weiteren Stellungnahme (diese Redaktion hat beide Dokumente vorliegen, Anm. d. Red.) äußerte sich der Schiedsrichter zu den Geschehnissen. Dort schreibt der Unparteiische, dass Emircan Seymen nach dem Spiel zur Schiedsrichter-Kabine gekommen sei, um ihm mitzuteilen, dass er „nach dem Spiel“ rassistisch beleidigt worden sei. Dies bestätigte Seymen demnach zweimal.

Der Referee notierte, davon „aber nichts mitbekommen zu haben“. Die Antwort von Seymen sei gewesen: „Das können Sie auch nicht mehr mitbekommen haben, da waren Sie nicht mehr auf dem Platz“.

Der Schiedsrichter habe dem Spieler daraufhin erklärt, dass diese Information nicht in den Spielbericht gehöre. Und der Klub eine Meldung an den Fußballkreis machen solle.

Zwei Minuten später habe ein anderer Verantwortlicher von Erkenschwick (Name der Redaktion bekannt) seine Kabine betreten und „übte verbal Druck auf mich aus, dass er das Recht hätte, auf den Eintrag zu bestehen“, ist in der Stellungnahme zu lesen.

Er habe, „um die Sache zu einem friedlichen Ende zu bringen“, daraufhin einen Vermerk unter „sonstige Bemerkungen“ vorgenommen. Der Schiedsrichter schreibt außerdem: „Auch während des Spiels habe ich keinerlei Anzeichen irgendwelcher rassistischen Äußerungen wahrgenommen“.

Der Schiedsrichter verfasste einen Sonderbericht.
Der Schiedsrichter verfasste einen Sonderbericht. © Andreas von Sannowitz

Dass die Stellungnahme des Unparteiischen nicht ausreichte, um entlastend für Danny Jordan zu wirken, ist aus Sicht des TuS Henrichenburg nicht nachzuvollziehen. „Da beginnt die ganze Farce. Er hat zweimal nachgefragt, ob es sich nach dem Spiel zugetragen haben soll. Hinterher heißt es, es wäre während des Spiels gewesen. Das ist alles schon sehr unschön und befremdlich aus unserer Perspektive“, sagt Carsten Ferlmann.

Eine Erklärung hierfür liefert Sportrichter Dr. Markus Seip. Grundsätzlich habe die Aussage eines Schiedsrichters erstmal keinen höheren Beweiswert, als die von anderen Zeugen. Zudem sei das Sportgericht zu dem Schluss gekommen, dass der Unparteiische die Aussagen von Seymen, was den Zeitpunkt betrifft, falsch verstanden haben könnte.

„Warum gehen wir davon aus? Es gab drei Zeugen, die die diskriminierenden Aussagen während des Spiels gehört haben. Außerdem gab es einen Zeugen von Henrichenburg, der direkt nach dem Spiel vom Spieler Emircan Seymen auf die rassistische Beleidigung angesprochen wurde. Dadurch wirkte das Ganze nicht wie ein Komplott, weil er unmittelbar nach dem Spiel darüber gesprochen hat“, so der Sportrichter.

GW Erkenschwick: „Er hatte Tränen in den Augen“

Der Coach von GW Erkenschwick, Timo Ostdorf, bekam von den angeblichen Äußerungen seines Trainer-Kollegen nichts mit. Warum es zu den widersprüchlichen Aussagen bezüglich des Zeitpunktes gekommen sein könnte, erklärt sich Ostdorf mit einer weiteren Rudelbildung nach dem Spiel.

Hat Emircan Seymen diese Situationen also eventuell vertauscht? Eine Spekulation, an der sich Erkenschwicks Trainer nicht beteiligen möchte. Was Timo Ostdorf aber betont: „Emircan war nach dem Spiel vollkommen aufgelöst. Er hatte Tränen in den Augen und hat mir von der Aussage ‚Du scheiß Ausländer‘ berichtet. Ich habe dann zu ihm gesagt, er soll zum Schiedsrichter gehen“, so der Coach.

Die Aussage ‚Du Hafensänger‘ habe auch er Danny Jordan sagen hören, allerdings zu einem anderen Spieler und in einer anderen Situation.

Für diese Redaktion war es abschließend also nicht gesichert festzustellen, was genau passiert ist. Es steht Aussage gegen Aussage. Über das Urteil entscheidet nun das Verbandssportgericht des WDFV in einem Berufungsverfahren.