Der Wind auf den Fußballplätzen weht gegenüber Schiedsrichtern immer rauer. Verbale und körperliche Attacken von Spielern und Zuschauern mehren sich. Es ist zwar noch kein Orkan, der den Schiris ins Gesicht bläst, dennoch ging Gregor Werkle, der Vorsitzende des Kreis-Schiedsrichter-Ausschusses (VKSA), kürzlich in die Offensive.
Das Schreiben von Werkle an die Schiedsrichter im Fußballkreis beinhaltete diese Kernsätze: „Kein Schiedsrichter und keine Schiedsrichterin muss eine Mannschaft pfeifen, die derart negativ auffällig geworden ist. Wer angesetzt wird und aus diesen Gründen nicht pfeifen möchte, darf mich gerne kontaktieren.“ Als Auslöser für dieses Angebot nahm Gregor Werkle die Spiele Phoenix Bochum gegen CFK Bochum und SC Constantin-RW gegen Türkspor Herne II.
Beide Male waren Schiedsrichter tätlich angegriffen worden. Weiter hatte es Entgleisungen mit Anzeigen bei der Polizei im Jugendfußball gegeben. „Diese Anzeigen unterstützen wir ausdrücklich“, so Werkle. Im Kreispokalspiel (16. November) zwischen Marokko Herne und SV Wanne gab es den nächsten Zwischenfall: Nach einem Platzverweis in der Nachspielzeit wurde der Schiedsrichter vom Herner Rot-Sünder vor die Brust gestoßen - Spielabbruch.
Alle diese Vorfälle haben bei einem Fußballspiel rein gar nichts zu suchen. Gregor Werkle hatte auch die Vereine in einem Schreiben gebeten, den Schutz der Schiedsrichter noch einmal zu intensivieren - und positive Kommentare erhalten. Den Schiedsrichtern hat er ans Herz gelegt, alles im Spielbericht einzutragen, was auch von außen ins Spiel hineingetragen wird.
Angebot für Schiedsrichter
Hat schon ein Schiedsrichter das Angebot, Spiele von auffälligen Vereinen nicht mehr zu pfeifen, angenommen? „Nein, bisher noch nicht“, so Werkle. Es habe aber einen Schiedsrichter gegeben, der einen Verein nicht mehr pfeifen will, weil er dort überhaupt nicht zurechtkommt - was aber nicht mit verbalen oder körperlichen Attacken in Zusammenhang gestanden habe.
Werkle betont ausdrücklich: „Man darf Schiedsrichter kritisieren, es gibt aber Grenzen. Beleidigungen und körperliche Attacken gehen gar nicht.“ Es sei auch mit die Sache der Vereine, deeskalierend einzuwirken, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen drohe. Was zu tun ist bei Tumulten während eines Spiels, dafür werde Schiedsrichtern bald wieder ein Deeskalations-Training angeboten.
Zu einem Spieltag keine Schiedsrichter anzusetzen als letzte Warnung - wie schon in Essen passiert - schließt Gregor Werkle indes derzeit aus: „So stark sind die Übergriffe in unserem Fußballkreis zum Glück noch nicht.“ Zudem ist der VKSA-Vorsitzende optimistisch: „Die Hoffnung bei mir lebt, dass sich alles wieder in eine bessere Richtung entwickelt.“
Der im heimischen Fußballkreis jetzt als Kreispokal-Spielleiter fungierende Markus Häbel, hatte zuvor zwölf Jahre beim Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) gemeinsam mit anderen ein Deeskalationskonzept entwickelt für Schiedsrichter, Spieler und Vereinsvertreter. Das Ziel dabei: Reduzierung der Gewaltvorfälle und Spielabbrüche.
In einem RN-Artikel hatte Markus Häbel im Juli 2022 erklärt: „Vor rund acht Jahren hat man beim FLVW beschlossen, dieses Thema in professionelle Hände auszulagern. Es wurden Teams aus Polizei, Psychologen, Sozialarbeitern, Rechtsanwälten und Kreismitarbeitern zusammengestellt, um bestmöglich aufgestellt zu sein.“ Die Arbeitsgemeinschaft Gewaltprävention sei ein wichtiger Eckpfeiler.
Grundsätzlich merkte Häbel damals aus eigener Erfahrung an: „Ich kann nicht sagen, dass die Anzahl der Fälle gestiegen ist, aber die Qualität der Gewaltübergriffe ist gestiegen, das kann ich bestätigen.“ Laut Häbel hat das mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun: „Die Hemmschwelle ist deutlich gesunken.“ Markus Häbel war selbst Schiedsrichter bis zur Oberliga.
„Qualität der Gewaltübergriffe gestiegen“: Markus Häbel sieht Problem abseits des Sportplatzes
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