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Expertin sagt: „Wer jetzt mit seinen Kindern Sport macht, tut sich selbst Gefallen“
Interview
Bewegungswissenschaftlerin Prof. Christine Graf erklärt im Interview, warum Sport besonders jetzt für Kinder wichtig ist - und macht Vorschläge, wie das daheim klappt.
Kita und Schulen sind geschlossen, das Training in allen Sportarten fällt in ganz Castrop-Rauxel aus. Das führt dazu, dass sich viele weniger bewegen. Besonders für Kinder ist das ungünstig. Prof. Christine Graf vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Sporthochschule Köln erklärt, wie Eltern Abhilfe schaffen können und sich damit selbst einen Gefallen tun.
Stimmt es, dass Kinder ihren Bewegungsdrang derzeit schlecht ausleben können?
Ja. Das ist jedem bekannt im Moment, durch alle Altersgruppen. Besonders wenn die Kinder klein sind, können sie ihren Bewegungsdrang nicht richtig ausleben. Gut, wenn man einen Garten hat. Wenn man aber zu Hause ist, müssen die Eltern erfinderisch werden und mit ihren Kindern zusammen aktiv werden.
Warum macht es Sinn, etwas zusammen zu machen?
Weil diese Zeit psychisch extrem belastend ist. Die Kinder merken den Stress der Eltern und ihnen fehlen die sozialen Kontakte, das Spiel miteinander. Außerdem verändert sich der Rhytmus. Das sind Dinge, die man nicht außer acht lassen darf.
Was kann man jetzt also zusammen unternehmen?
Manche haben vielleicht ein kleines Trampolin, das man auch drinnen aufbauen kann. Sonst gibt es im Internet auf YouTube verschiedene Bewegungsvideos oder man denkt sich selbst Übungen aus. Man kann auch zusammen tanzen. Für die Kleineren kann man das Wohnzimmer in eine Bewegungsbaustelle verwandeln, bei der man nicht den Boden berühren darf, oder eine Kissenschlacht machen. Diese Zeit fordert uns alle sehr und Bewegung wirkt dem entgegen. Außerdem schweißen gemeinsame Unternehmungen zusammen.
Warum ist Bewegung so wichtig?
Im Moment ist Bewegung wichtiger denn je, weil sie Stress abbaut. Generell sorgt jede Muskelkontraktion dafür, dass wir gesund bleiben. Das betrifft das Herz, aber auch die Atmung und Lunge. Bewegung fördert das Lernvermögen und sorgt in der Schule für ein besseres Klassenklima. Das gilt auch für daheim. Zu Coronazeiten ist der Abbau der psychischen Belastung jedoch das Wichtigste. In dieser Zeit kommen die Stärken von Bewegung dazu, die sonst nicht so sichtbar sind wie die psychische und soziale Komponente - zusammen Spaß haben.
Was kann man neben einer Bewegungsbaustelle und einer Kissenschlacht noch machen?
Hüpfekästchen aufmalen, Koordinationsspielchen machen oder die eigene Wohnung kann zu einem Abenteuerspielplatz werden - mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen. Man kann auch Seilchen springen oder Gummi-Twist spielen.

Prof. Dr. Christine Graf von der Sporthochschule Köln betont, dass gerade jetzt Bewegung für die ganze Familie wichtig ist. © K. Erdem, ctw D¸ren
Für welches Alter ist das wichtig?
Die Altersfrage entscheidet eher, wie man es auslebt. Es geht mit Einjährigen, aber auch mit Jugendlichen.
Besteht die Gefahr, dass in bestimmten Altersgruppen jetzt noch mehr am Computer abgehangen wird?
Ich glaube, manchmal geht gar nicht noch mehr. Aber ich stelle im eigenen Umfeld fest, dass Jugendlichen aktuell tatsächlich die Schule, das Soziale und der Anspruch, aber auch das geistige Futter fehlt. Und durch den PC kommunizieren sie mit ihren Freunden. Das heißt: Es kommt vor allem darauf an, wie man den Computer nutzt. Ob nur zum spielen oder auch zum Lernen und sich bewegen.
Setzt das nicht die Eltern unter Druck? Neben Home-Office, Home-Schooling und Haushalt jetzt auch noch Home-Sport?
Das muss man ausprobieren. Wir kennen das selbst. Wenn wir einen harten Arbeitstag hatten, geht es uns besser, wenn wir uns bewegen und rausgehen. So ist es bei den Kindern auch. Man macht das ja nicht stundenlang, tut sich aber selbst einen Gefallen, weil die Kinder und man selbst dann einfach ausgeglichener sind.
Wie lösen Sie selbst das Problem, dass man jetzt bewegungstechnisch etwas eingeschränkt ist?
Der einzige Hamsterkauf, den ich getätigt habe war ein Mini-Stepper. Ich halte es nicht aus, wenn ich mich nicht bewegen kann. Das ist bei Kindern genauso, die können das nicht äußern, werden aber rappelig.
Mein Ziel ist es, Sie gut zu informieren und gut zu unterhalten. Thematisch bin ich offen – Bildung, Familie und Nachhaltigkeit liegen mir besonders am Herzen.
