
Die deutschen Korfballer bekamen 2003 zu viele Vorschuss-Lorbeeren
Korfball
Die Jahrhundert-Weltmeisterschaft 2003 sollte auch ein Fest für die deutsche Korfball-Nationalmannschaft werden. Am Ende gab es eine Platzierung, mit der niemand rechnen konnte.
Genau 100 Jahre nach der Geburtsstunde des Korfball-Sports trafen sich 2003 Korbjäger aus acht Nationen zu ihrer A-WM, der sie dem Anlass entsprechend den Namen „Jahrhundert-Weltmeisterschaft“ gaben. Gespielt wurde in Rotterdam, im Korfball-Mutterland Niederlande. In der deutschen Nationalmannschaft standen überwiegend Akteurinnen und Akteure aus Castrop-Rauxel.
Trainer der Auswahl des Deutschen Turnerbundes (DTB) war der gelernte Bäcker und Konditor Uli Augat (KC Grün-Weiß). Er hatte Rabea Cramer, Saskia Strothmann, Thorsten Cramer, Sebastian Jäger (alle damals KC Grün-Weiß), Gabi Schroll (HKC Albatros), Antje Damaschke, Antje Elverich, Christine Lipperheide, Claudia Wasielak, Stefan Strunk, Jan Krüger (alle KV Adler Rauxel), Rüdiger Dülfer, Detlef Dülfer (beide Selmer KV), und als einzigen Rheinländer Fabian Rodenbach (TuS Schildgen) nominiert.
Deutschland blamiert sich, der Trainer tritt zurück
Augat backte bei der WM-Zielsetzung kleine Brötchen. Was der Artikel, der auf den Tag genau vor 15 Jahren in dieser Zeitung stand, belegt. Dieser war überschrieben: „Platz sechs Minimalziel“. Am Mittwoch erinnerte sich Uli Augat an das Turnier und verriet: „Meine Mannschaft war eigentlich stark genug, um um eine Medaille mitzuspielen.“ Was folgte, war eine Negativ-Überraschung. Deutschland wurde Achter und hatte sich als Letzter blamiert.
Nach der Weltmeisterschaft war ein Text mit den Worten überschrieben „Augat tritt zurück“. Der Trainer klärte jetzt darüber auf, dass er sich nicht wegen des schlechten Abschneidens zum Rückzug entschieden habe. Er berichtete: „Ich habe es der Mannschaft bereits vor der Weltmeisterschaft mitgeteilt, dass ich aus beruflichen Gründen aufhöre.“ Ulrich Augat hatte damals in Dortmund einen neuen Arbeitgeber bekommen. Dieser räumte ihm keine freie Zeit für seine Übungsleiter-Aufgaben ein. Augat: „Der vorherige Arbeitgeber hat mich jahrelang unterstützt.“
Veränderte Prinzipien wurden zum Bumerang
Rückblickend habe der letzte WM-Platz wohl mehrere Gründe gehabt, meint Uli Augat: „Ich kreide mir das selbst an. Leider habe ich vor dem Turnier eines meiner Prinzipien über Bord geworfen.“ Diesmal habe er die besten deutschen Einzelspieler – unabhängig von ihrer Teamfähigkeit – nominiert. Das wurde zum Bumerang. Augat: „Das hatte ich im DTB und im Verein noch nie so gemacht. Wichtig war mir stets gewesen, dass alle Mosaiksteine gut zueinander passten.“ Eine Beobachtung habe er seit den 1990er-Jahren im deutschen Korfball-Sport gemacht, sagte der Trainer, der jetzt im Rheinland lebt: „Wenn ein talentierter Spieler vom niederländischen Bondscoach gelobt wurde, war er für uns deutsche Übungsleiter danach untrainierbar.“
Neben dem Riss, der sich 2003 offenbar durch das Team zog, führte ein weiterer Faktor zum Misserfolg: das Pech. Denn zum Auftakt verlor das Augat-Team vor 2500 Zuschauern denkbar knapp mit 16:17 (16:16, 11:7) nach Golden Goal gegen Großbritannien. Nach dem 15:14 (52.) von Stefan Strunk rettete Rüdiger Dülfer zwei Minuten vor dem Ende sein Team mit dem 16:16 in die Verlängerung. In der Extra-Zeit hatte Deutschland seine Chancen. Sechs Mal gingen die Angriffe hin und her, ehe die Briten „goldig“ trafen.

Ulrich Augat war damals Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Nach der Weltmeisterschaft trat er von seinem Posten zurück. © Jens Lukas
Im zweiten Vorrundenspiel gegen Taiwan musste ein Sieg her, um das Halbfinale zu erreichen. Die Partie ging aber trotz eines 10:9 zur Halbzeit mit 14:16 verloren. In einem Testspiel wenige Monate zuvor hatte die DTB-Auswahl die Asiaten noch deutlich besiegen können.
Dabei hatte Augat mit einem Bluff kurz vor dem WM-Auftakt den Taiwanesen die Spionage-Suppe versalzen. Denn zum Testspiel der Deutschen in Dordrecht als Gast des niederländischen Teams De Regenboog war unerwartet Taiwan-Trainer You-Jen Cheng, mit einer Videokamera angerückt und hielt jede Sekunde der Partie fest. Als Augat das merkte, wurde er zum Sepp Herberger. Wie der „Chef“ seinerzeit auf dem Weg zum „Wunder von Bern“ schonte er seine besten Akteure und ließ auch nicht jene Spielzüge zeigen, die bei der WM auf das Parkett gelegt werden sollten. Augat sagte damals: „Den Film kann der Trainer getrost auf ,Taiwan 1‘ als Comic ausstrahlen lassen.“
Der Physiotherapeut im doppelten Stress
Am Minimalziel „Platz sechs“ warfen die Deutschen durch ein deutliches 12:19 (6:11) im Halbfinale um die Plätze fünf bis acht gegen Portugal vorbei. Hier hatten die Deutschen das Pech, dass sich Antje Damaschke und Christine Lipperheide binnen weniger Sekunden schwer verletzten. Uli Augat erinnert sich und sagte: „Unser Physiotherapeut Freddy Kivelitz wusste gar nicht, wie ihm geschah. Als er Antje behandelte, schrie plötzlich Christine auf. Ich glaube, damals hat uns ein Betreuer eines anderen Teams zum Glück geholfen.“
Der Tiefpunkt war die 13:14 (5:6)-Niederlage im Spiel um Platz sieben gegen Australien. Hier hatten die Deutschen durch einen Korb von Antje Elverich (heute Menzel) fünf Minuten vor dem Ende noch mit 13:12 geführt.
Der achte Platz bedeutete damals das schlechteste Ergebnis für Deutschland bei einer Weltmeisterschaft. Drei Mal wurde Deutschland Dritter, 1991 und 1999 langte es jeweils zum vierten Platz. Das damals schwächste Abschneiden der DTB-Auswahl war Rang sechs 1995 in Indien.
Augat trainierte auch den Erzrivalen
Augat war in seiner Laufbahn überwiegend Trainer beim KC Grün-Weiß. 1996 machte er einen Abstecher zum Ickerner KC. Von 2001 bis Mitte 2003 war er Trainer beim Erzrivalen der Grün-Weißen, beim KV Adler Rauxel. Den Gewinn der EM-Silbermedaille des aktuellen DTB-Teams sieht Augat als „tollen Erfolg“ an.
Nicht nur durch die 25-Sekunden-Regel pro Angriff habe sich der Korfball-Sport mittlerweile verändert. Seine Ideologie sei stets gewesen mit langen, einstudierten Spielzügen auf Fehler des Gegners zu warten und dann mit einem garantierten Abfänger unter dem Korb den Wurf zu nehmen. So wie es offenbar vor über 100 Jahren die Erfinder des Korfballs sich ausgedacht hatten.
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
