wenn man glaubt, dass der letzte Wettkampftag der vergangenen Saison spannend und dramatisch war, dann hätte man sich diesen Wettkampf ansehen müssen. „So was habe ich in 50 Jahren Turnen noch nicht erlebt“, staunte Jürgen Schalk, Trainer des TuS Wüllen. Sein Team erlebte ein Wechselbad der Gefühle: Nach der letzten Turnerin eigentlich alles aus der Hand gegeben und dann doch gewonnen und am Grünen Tisch den Gesamtsieg zugesprochen bekommen.
Und trotz aller Freude die Sorge um den Fuß von Lea Marie Hils, bis dann um 23.30 Uhr aus dem Krankenhaus Entwarnung kam.
Ohne die Leistungsträgerinnen Leonie Schmedthenke und Frederieke Seidel, dafür mit der 14-jährigen Debütantin Vivienne Hennink war der TuS angetreten. Zum jungen Team zählten außerdem die Nachwuchsturnerinnen Paula Klöpper und Elisabeth Simon plus die Jugendturnerinnen Nele Schulke und Hanna Becker. Entsprechend nervös wirkte das Team beim Einturnen. Zu allem Übel verletzte sich Anna Schalk dabei am Boden und musste durch Nele Schulke ersetzt werden. „Nach dem letzten Einturnen am Sprung habe ich gedacht, das gibt heute überhaupt gar nichts“, schildert Jürgen Schalk. Seine Mannschaft belehrte ihn aber eines Besseren und turnte schon am Sprung traumhaft.
Paula Klöpper war noch leicht nervös, legte aber solide vor und die anderen vier Turnerinnen standen ihren Sprung jeweils sicher. Das ehemalige Zittergerät wurde somit zur Paradedisziplin. Elisabeth Simon zeigte null Nerven bei ihrem Tsukahara gehockt, Vivienne Hennink erturnte für den Überschlag Salto vorwärts mit 12,60 die Tageshöchstwertung und Lea Marie Hils zeigte einmal mehr, dass sie eine der stärksten Springerinnen in der 3. Liga ist.
TuS Wüllen legt Messlatte hoch
Somit wurde der Sprung mit über 48 Punkten gewonnen und die Messlatte für die Konkurrenz war hoch. Am Stufenbarren sollte es für den TuS genauso weitergehen. Fünf Übungen mit maximal kleinen Unsauberkeiten. Fünfmal über neun Punkte waren ein Topwert. Vor allem Anna Schalk und Hanna Becker überraschten mit persönlichen Bestwertungen an diesem Gerät.
Und die Wüllenerinnen machten einfach so weiter. Am Schwebebalken, wo für gewöhnlich eine Vorentscheidung fällt, setzte sich der Lauf der jungen Wüllenerinnen fort. Wo eine Stunde vorher noch beim Einturnen gehadert wurde, trat das Quintett nun voller Selbstbewusstsein und mit dem Willen, für eine Überraschung zu sorgen, auf.
Katharina Schalk turnte mit einer fehlerfreien Übung, mit der sie Rang vier an diesem Gerät belegte, befreit auf und sorgte für noch mehr Selbstbewusstsein in der Wüllener Mannschaft. Elisabeth Simon zeigte abermals keinen Nerven und Nele Schulke tat es ihr gleich.
Abzug nach Absteiger
Allerdings musste Vivienne Hennink in ihrer mit Schwierigkeiten gespickten Übung einen Absteiger und damit einen Punkt Abzug hinnehmen. Da dann aber auch Hanna Becker den Balken nicht verlassen musste, war auch das Balkenergebnis für einen ersten Wettkampftag und die junge Besetzung perfekt. Damit war alles für ein perfektes Bodenfinish angerichtet. Eigentlich …
Paula Klöpper startete am Boden mit kleinen Unsicherheiten und einer Wertung unter 10. Nele Schulke, die mit ihrem Dreikampf überzeugte, turnte sehr solide, ebenso Hanna Becker. Trotzdem blieben die ganz hohen Wertungen der Kampfrichter aus.
Mitgerechnet war vor den zwei letzten Bodenturnerinnen Lea-Marie und Vivienne Hennink klar: Eine musste mit ihrer Bodenübung ohne Sturz oder größeren Fehler durchkommen. Für die beiden Bodenspezialistinnen normalerweise kein Problem. Bis zur letzte Akro lief bei Lea Marie Hils alles rund. In der letzten knickte sie dann aber um und stürzte. Erinnerungen ans Saisonfinale 2023 werden wach.
Nun musste, bei aller Sorge um Lea-Marie Hils, Vivienne Hennink es richten. Ihr Doppelsalto rückwärts top in den Stand sorgte für Jubel bei der gesamten Mannschaft. Doch dann unterlief auch der jungen Niederländerin ein Sturz. „Da alles super knapp war, war eigentlich klar, dass wir eine Topplatzierung vergeben hatten“, so Jürgen Schalk. Doch auch die anderen Mannschaften ließen dann noch einmal Federn.
Punktgleich am Ende
Am Ende lagen die Wüllenerinnen also punktgleich mit Bodenheim-Pflugscheid, einem totalen Außenseiterteam, auf Rang eins und nur 0,10 Punkte dahinter Kassel auf Rang drei. „Einige Stunden später wurde uns dann der alleinige Sieg am Grünen Tisch zugerechnet, weil in einer letzten Verästelung einer Verordnung noch ein Paragraf regelt, wer bei Punktgleichheit gewinnt“, erklärt der Trainer. „Verdient hätten es beide Mannschaften gehabt. Da gab es Sonntag keinen Unterschied.“
Auf jeden Fall kannte der Jubel beim TuS keine Grenzen. Der Sieg weckt Hoffnungen und ist eine Top-Ausgangsposition für die weitere Saison 2024