Paris ist eine Reise wert. Diese Feststellung hat für Anna-Lena Niehues seit den Paralympics eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Als sie sich am 30. August mit dem deutschen Dressur-Team auf den Weg in die französische Hauptstadt machte, hatte sie die vage Hoffnung, eine oder zwei Medaillen mit nach Hause bringen zu können. Nach rund achtstündiger Fahrt kehrte sie am Sonntagabend mit ihrer Stute Quimbaya („Maya“) und drei Medaillen zurück. Unsere Mitarbeiterin Angelika Hoof sprach mit der Dressurreiterin über ihre Eindrücke bei den Paralympics.
Herzlichen Glückwunsch zu Deinen herausragenden Erfolgen in Versailles. Was hat Dir besonders an diesen Paralympics gefallen?
Ich muss den Franzosen ein riesengroßes Kompliment aussprechen. Den Organisatoren ist es wirklich gelungen, alle Sportarten richtig gut in Szene zu setzen. Es war einfach fantastisch und eine tolle Werbung für den Parasport. Auch die Zuschauer haben die Paralympics geliebt und gefeiert, was man täglich bei den gut besuchten Wettkämpfen feststellen konnte. Ich hoffe, dass dieser Schwung auch bei den nächsten Paralympics 2028 in Los Angeles zu spüren sein wird. Paris hat Sportlern mit einer Behinderung gleich welcher Art eine internationale Bühne geboten, auf der sie sich und ihren Sport präsentieren konnten. Wir alle trainieren hart für unseren Erfolg und sollten öffentlich Respekt dafür empfangen.
Wurdet ihr im Olympischen Dorf untergebracht?
Nein. Da unsere Wettkämpfe im Schlossgarten von Versailles stattfanden, hatten wir Zimmer in einem nahe gelegenen Hotel.
Wie wurde im „Deutschen Haus“ gefeiert?
Jeder deutsche Paralympics-Teilnehmer, der eine Medaille gewonnen hatte, durfte sich abends im Deutschen Haus feiern lassen. Jeder Sportler und seine Sportart wurde noch einmal vorgestellt, sodass im Anschluss die Möglichkeit bestand, auch die anderen deutschen Paralympics-Teilnehmer kennenzulernen.
Wie bist Du mit dem „Medienrummel“ klargekommen?
Ich hatte schon im Vorfeld gehört, dass sich die Medienanfragen bei den Paralympics im Vergleich zu Olympischen Spielen doch in Grenzen halten. So war es dann auch. In der sogenannten Mixzone wurde ich nach jedem Ritt von der ARD interviewt und musste zusätzlich ein Interview in Englisch für das internationale Publikum geben. Außerdem durfte ich am Samstag ein Live-Interview beim ZDF führen.

Was dachtest Du nach Deiner Kür-Darbietung, bei der Du letztendlich sogar Deine persönliche Bestleistung von bisher 80,5 % toppen konntest?
Die Kür war mein letzter Start in Versailles, den ich eigentlich genießen wollte. Als ich dann jedoch auf dem Abreiteplatz von unserer Teamführung erfuhr, dass sowohl Kate Shoemaker (USA) mit 80,17 %, als auch Sanne Voets (NL) auf Demantur mit 79,88 % hohe Wertungen erhalten hatten, dachte ich mir zunächst: Das war’s mit der Medaille für mich. Zugleich war es aber auch ein Anreiz, ein letztes Mal noch einmal alles zu geben. Während Maya die Pflichtlektionen super absolvierte, schlich sich bei einem fliegenden Wechsel ein Fehler ein und der andere fliegende Wechsel ist uns auch nicht so gut gelungen. Diese Fehler fallen zwar nicht so schwer ins Gewicht, ärgerten mich aber und trübten zuerst meine Stimmung ein wenig. Am Ende hat es aber doch zu 80,9 % und dem Gewinn der Silbermedaille gereicht.
Wie wurdest Du in Gronau empfangen?
Meine Reitschülerinnen, Freunde, Mitarbeiter und Familie haben mir einen sehr emotionalen Empfang bereitet – Gänsehautfeeling pur inbegriffen. Sie hatten drei riesige Medaillen, die Olympischen Ringe und Fotos an einem Stalltor befestigt. Beim Betreten des Stalls durfte ich zu meiner Kür-Musik durch ein Menschenspalier gehen. Danach wurde erst einmal gefeiert.
Und wie hat Quimbaya den Trip nach Paris verkraftet?
„Maya“ war richtig entspannt. Wir sind mit der Mannschaft schon fünf Tage vor dem ersten Start angereist, damit sich die Tiere an die neue Umgebung gewöhnen konnten. Gemeinsam mit den übrigen Pferden war sie in einem Stallzelt untergebracht. Auch im Dressurviereck hat Maya ihre Lektionen bravourös gemeistert und sich nicht von der Kulisse mit so vielen Zuschauern irritieren lassen. Dafür hat sie sich jetzt eine Auszeit redlich verdient, in der sie einfach mal nur Pferd sein darf. Und ein paar extra Bananen sitzen sicher auch noch drin.