
© Stefan Heinzel
Wie der Legdener Hermann Heinzel (80) zu einem weltberühmten Vogelzeichner wurde
Legdener Ornithologe
Seinen Lebenslauf gibt es kein zweites Mal. Mit 17 zog Hermann Heinzel von Legden in die weite Welt hinaus. Sein großes Hobby, das Vogelzeichnen, machte ihn später berühmt.
Nein, gerade sei es ganz schlecht. Er backe gerade ein Brot, sagt Hermann Heinzel, als die Redaktion ihn nach Tagen ans Telefon bekommt. „Aber morgen passt es mir gut. Aber ja nicht zu früh!“ Dann lacht er kurz und herzlich auf. Den Neffen seines Neffen ein bisschen auf die Schüppe zu nehmen, daran hat er hörbar Spaß. Übel nehmen, kann ich es ihm nicht.
Hermann Heinzel ist mittlerweile 80 Jahre alt. Seine Jugend verbrachte er in Legden, bevor es ihn mit 17 in die weite Welt hinaus zog. Gemeinsam mit seinen Eltern wurde er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg aus Schlesien ins Münsterland vertrieben und auf einem Legdener Bauernhof untergebracht. „Jeder musste damals eine Familie aufnehmen“, erinnert sich Hermann Heinzel.

Die Bekassine ist eine sehr langschnäbelige, mittelgroße Art aus der Familie der Schnepfenvögel. © Hermann Heinzel
Faszination für Vögel früh entdeckt
Schon früh entdeckte er seine Faszination für Vögel. Er beobachtete sie genau, studierte jedes kleinste Detail. Noch bevor er lesen oder schreiben konnte, begann er damit, sie zu zeichnen. „Wir hatten damals nicht viel, womit wir uns die Zeit vertreiben konnten. Da musste man kreativ werden“, sagt der 80-Jährige.
Also wurde Hermann Heinzel kreativ. Weil er kein eigenes Vogelbuch besaß, begann er, seine eigene Sammlung anzulegen. Doch Papier war damals knapp, weshalb er die unbedruckten Ränder der Zeitungsseiten abschnitt und zusammenklebte.
In der Schule erkannten die Lehrer Hermann Heinzels Talent. Statt es zu fördern, wollten seine Lehrer ihm aber einen anderen Stil aufzwingen. „Sie drängten mich dazu, alles mit dem Lineal zu zeichnen. Das war nicht meine Welt und sorgte für den ein oder anderen Konflikt“, sagt Heinzel und klingt auch 70 Jahre später noch leicht verärgert.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem Hermann Heinzel nicht zeichnet. © Stefan Heinzel
Ansonsten läuft es für ihn in der Schule aber gut. Sein Wunsch, das Gymnasium in Ahaus oder Coesfeld zu besuchen, bleibt aber unerfüllt. Stattdessen begann er eine Lehre als Anstreicher. Danach startet seine Odyssee, die ihn über zahlreiche Umwege ins südfranzösische Gaujac führt – seine heutige Heimat.
Nach der Ausbildung trampt Hermann Heinzel durch Europa
Nach seiner Ausbildung trampt er zunächst durch Europa. Mit erst 17 Jahren landet er in Belgien und beginnt an der Universität Gent ein Biologiestudium – ohne Abitur. „Das wäre heute gar nicht mehr möglich. Ich habe eine Prüfung gemacht und schon war ich angenommen.“
Flämisch spricht Hermann Heinzel schon nach wenigen Wochen. Seine Plattdeutsch-Kenntnisse sind dabei Gold wert. „Das hat mir unwahrscheinlich viel geholfen. Es gibt sehr viele Parallelen“, sagt er. Die Zeit in Belgien bringt seine Karriere als Vogelzeichner und Ornithologe erst richtig ins Rollen. Hier lernt Heinzel, wie er sagt, „die richtigen Leute kennen“.

Hermann Heinzel bei einem Besuch in Hamburg in der Wohnung seines Neffen Stefan Heinzel. © Stefan Heinzel
Im berühmten Museum Koenig in Bonn erhält er sein eigenen Atelier und beginnt mit der Arbeit für sein erstes Buch. 1962 erhält er außerdem einen Platz an der Kölner Kunstschule. Doch auch dort gibt es Dissonanzen mit Mitgliedern des Lehrkorpus.
„Die Professoren haben immer wieder versucht, mir das Vögel-Zeichnen abzugewöhnen. Doch davon ließ ich mich nicht abhalten.“ Auch, weil sich seine Arbeit mittlerweile finanziell rentiert. Vom Verkauf seiner Bilder an Sammler und internationale Fachmagazine kann er bereits zu dieser Zeit gut leben.
Andorra, Kalifornien und schließlich Gaujac
Seinen endgültigen Durchbruch erlangt er 1972. In diesem Jahr illustrierte er den Vogelführer „The birds of Britain and Europe with North Africa and the Middle East“, der in 27 Sprachen übersetzt wurde und in Deutschland unter dem Titel „Pareys Vogelbuch“ bekannt ist. Allein die Erstauflage wird 110.000 Mal gedruckt.
An einem Ort hält es ihn in dieser Zeit nicht. Unter anderem in Kalifornien, London und Andorra werden Hermann Heinzels Bilder ausgestellt. Auch weitere Vogelbücher folgen. Für seine Recherche reist er durch Nordafrika, Australien, Südafrika und Indien. Fünf Sprachen spricht er heute fließend.

Hermann Heinzels Landhaus liegt in den Bergen. © Stefan Heinzel
Mit 40 Jahren wird der Vogelzeichner sesshaft. Im südfranzösischen Gaujac findet er ein abgelegnes Landhaus. Das nächste Haus liegt kilometerweit entfernt. Ein Ort, wie geschaffen für seinen Beruf und sein Naturell. Gut eine Stunde sind es mit dem Auto bis zum Mittelmeer, in drei Stunden ist man an der Atlantikküste.
„Ich bin sehr gerne alleine“, sagt Hermann Heinzel über sich. Doch montags, wenn es mit dem Fahrrad auf den Wochenmarkt geht, freut er sich auch über das ein oder andere Pläuschchen. In Frankreich – speziell in Gaujac – ist der Vogelzeichner eine kleine Berühmtheit.
1991 und 1999 drehte der französische Filmemacher Jacques Mitsch zwei Kurzfilme über Hermann Heinzel. Der erste wurden mit dem französischen Filmpreis César in der Kategorie „Bester Kurzfilm“ ausgezeichnet.
Hermann Heinzel: „Eine Zeichnung hat gegenüber des Fotos Vorteile.“
Die Faszination für die Welt der Vögel hat mit dem Alter keinen Deut abgenommen. „Ein Vogel-Liebhaber das ist man, das wird man nicht“, sagt der 80-Jährige. Bei der zugegeben provakanten Frage, ob es in Zeiten von hochmodernen Kameras und Bildbearbeitungsprogrammen wirklich noch Zeichnungen von Vögeln braucht, muss er erneut laut lachen.

Der Karmingimpel und der Hakengimpel sind Singvögel aus der Familie der Finken. © Hermann Heinzel
„Als Zeichner beobachtet man viel besser als ein Fotograf, der immer auf der Suche nach einem schönen Bild ist. Doch diese Fotos sind nur eine Sekunde, ein winziger Bruchteil des Lebens. Wenn ich alles abbilden möchte, das einen Vogel auszeichnet, brauche ich eine Zeichnung“, ist der 80-Jährige überzeugt.
Dabei greift der Ornithologe auch zu unorthodoxen Mitteln: „Als Zeichner erlaube ich mir in bestimmten Fällen, ein Merkmal ein wenig zu erhöhen, um den Fokus darauf zu legen, woran man den Vogel erkennen kann.“
Trotz seiner 80 Jahre hat Hermann Heinzel noch große Pläne
Hermann Heinzel denkt nicht ans Aufhören. Tage, an denen er nicht zeichnet, kann man pro Jahr an einer Hand abzählen. Dass er mit 80 noch einmal seine neue Heimat verlässt, hält er aktuell für ausgeschlossen. Trotzdem hat er noch große Pläne: „Ich träume davon, noch einmal nach Australien zu reisen.“ Auch weitere Bücher habe er schon im Kopf.
Den Bezug zum Münsterland hat Hermann Heinzel nie verloren. Seitdem seine Kinder erwachsen sind, trifft man ihn an Weihnachten manchmal in Legden bei der Familie seines Bruders Helmut. „Wenn man dann dem ein oder anderen Klassenkameraden von damals begegnet, ist das natürlich besonders“, sagt der 80-Jährige.
Sein großer Traum: Eine Ausstellung in seiner alten Heimat. Welcher Vogel dürfte da nicht fehlen? „Wenn ich an das Münsterland und meine Kindheit denke, habe ich den Kiebitz auf der Weide bei den Kühen vor Augen“, sagt Hermann Heinzel. Dann muss er auflegen; die Arbeit ruft.
1991 in Ahaus geboren, in Münster studiert, seit April 2016 bei Lensing Media. Mag es, Menschen in den Fokus zu rücken, die sonst im Verborgenen agieren.
