Fast schon unscheinbar steht das 3,50 Meter x 2,50 Meter große Wahlplakat („Wesselmann“) der Grünen auf der Rasenfläche Ecke Friedrich-Castelle- und Kirchstraße. Weit weg von der Straße selbst, hinter einer Hecke und leicht versetzt zur „Wilkommen-in-Legden-Stele“. Auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches, doch im Hintergrund brodelt es. Mit verhärteten Fronten.
Überall stehen/hängen aktuell wegen der anstehenden Europawahl (6. bis 9. Juni) Wahlplakate der unterschiedlichen Parteien. Von ganz klein bis sehr groß. Doch jenes der Grünen an beschriebener Stelle in Legden sorgt für Wirbel und ist seitens der Gemeinde nicht wirklich gewollt.
Genehmigung nötig
Da es sich um eine Fläche der Gemeinde Legden handelt, braucht der Ortsverband der Grünen eine entsprechende Genehmigung, damit die zuständige Firma aus Wattenscheid das große Wahlplakat aufstellen darf. Genau diese wollte die Verwaltung den Grünen aber zunächst nicht erteilen.
Jens Steiner, Fraktionschef der Grünen im Kreistag, erklärt im Gespräch mit der Redaktion: „Wir haben nicht wie andere Parteien private Flächen in Legden. Wir sind auf die öffentlichen für unsere Wahlwerbung angewiesen.“
Kommunalaufsicht greift ein
Daher die telefonische Anfrage an die Gemeinde am 18. April, die nach einigem Hin und Her zunächst „einfach abgelehnt“ worden sei. „Das war ein undemokratisches Verhalten“, wettert Steiner. Doch warum steht das Wahlplakat jetzt, obwohl zunächst die Genehmigung verweigert wurde?
Jens Steiner wählte den Weg über den Kreis Borken und die Kommunalaufsicht. Um Druck hinter die Sache zu bekommen. Der Kreis bestätigt auf Anfrage, dass dieser Schritt erfolgt sei und bestätigt ebenfalls, dass es im Nachgang ein Gespräch mit der Legender Gemeindeverwaltung gegeben habe.

Über den Inhalt des Gespräches wird nichts kommuniziert. Es hat aber seine Wirkung nicht verfehlt. Schließlich erteilte die Gemeinde Legden im Nachgang am 25. April die mündliche Genehmigung zum Aufstellen des Wahlplakates. Der Kreis teilt dazu mit, dass man „vermittelt“ habe.
Doch damit war der Ärger bei den Grünen noch nicht verflogen. Doch der Reihe nach. Zunächst zur Beantwortung der Frage, warum sich die Gemeinde bei der Genehmigung zunächst überhaupt so quergestellt hatte.
„Politischer Konsens“
Bürgermeister Dieter Berkemeier erklärt dazu auf Anfrage am Mittwoch (15. Mai), dass es bisher in Legden „politischer Konsens“ gewesen sei, keine „Wesselmänner“ auf öffentlichen Flächen aufzustellen. Die Beweggründe für diesen Konsens bleiben allerdings unklar. Zur Erläuterung: Die Firma Wesselmann ist marktführender Anbieter der großen Sondergroßflächen (DIN 18/1), die im Politjargon als „Wesselmänner“ bezeichnet werden.
Dass die Genehmigung seitens der Gemeinde – also eine Ausnahme vom Konsens – nach einem „Gespräch mit der Kommunalaufsicht“ erteilt wurde, bestätigt der Bürgermeister. Ohne auf Details einzugehen.

Nach der mündlichen Zusage der Gemeinde sendete Jens Steiner, so berichtet er, eine schriftliche Anfrage ans Rathaus. Die Genehmigung selbst sei dann per Mail am 29. April erteilt worden. Allerdings flatterte dem grünen Ortsverband damit auch eine Rechnung über (zunächst) 68 Euro ins Haus.
Diese liegt der Redaktion vor. Es geht daraus hervor, dass die Gebühr für die erteilte „Ausnahmegenehmigung“ erhoben wird. Ein Punkt, der Jens Steiner übel aufstößt: „Das ist so einfach ein Skandal, dass das Aufstellen von Wahlplakaten Geld kosten soll.“ So etwas gebe es in keiner anderen Kommune im Kreis. Und auch nicht in anderen Kreisen seiner Recherche nach.
NRW-Erlass
Dazu passt auch ein NRW-Erlass aus dem Februar 2022, der sich explizit auf Plakatwerbung bei Wahlen bezieht. Unter Punkt sechs heißt es: „Es wird ferner gebeten, von der Erhebung von Sondernutzungsgebühren abzusehen.“
Eine Stichprobe der Redaktion mittels Nachfrage in den Nachbarkommunen Ahaus, Heek und Schöppingen zeigt: Einen Konsens gegen „Wesselmänner“ auf gemeindeeigenen Flächen gibt es dort nicht. Zwar braucht es eine Genehmigung der jeweiligen Kommune für das Aufstellen, aber es werden keinerlei Gebühren erhoben. Das Aufstellen für die Parteien ist kostenlos.

Genau darauf pocht Jens Steiner im Namen der Grünen-Ortsgruppe Ahaus/Heek/Legden auch in Legden. Das bisherige Vorgehen der Gemeinde Legden bezeichnet er als „undemokratisch“. Seinen Unmut teilte er dem Bürgermeister auch per E-Mail mit. Auch dieser Schriftverkehr liegt der Redaktion vor.
Daraus wird deutlich, dass die Gemeinde mit Mail vom 13. Mai die erhobene Gebühr „nach erfolgter Beratung“ um die Hälfte halbierte, also auf jetzt 34 Euro. Für die Grünen immer noch nicht akzeptabel. Aus Prinzip. „Das ist rechtswidrig. Wir werden das nicht bezahlen“, stellt Jens Steiner klar.
„Alles Neuland“
Das letzte Wort ist ohnehin noch nicht gesprochen. „Für uns ist das alles Neuland“, versucht Bürgermeister Dieter Berkemeier den „unglücklichen Verlauf“ zu erklären. Bisher habe es eben noch keine „Wesselmänner“ auf Flächen der Gemeinde gegeben. Es sei eben vieles zusammengekommen.
Und der Verwaltungschef sichert zu, auch die Erhebung der Gebühr über 34 Euro „intern nochmal zu besprechen“. Schließlich wolle die Gemeinde Legden „kein Fass aufmachen“.
Es zeichnet sich also ab, dass am Ende der Gebührenbescheid komplett aufgehoben wird und die Wahlwerbung kostenlos ist. So wie in den Nachbarkommunen und vielen weiteren auch. Im Sinne der Demokratie.