
© Laura Schulz-Gahmen
Später beruflicher Neustart: Legdenerin macht mit 48 eine Ausbildung
Späte Ausbildung
Das wagen nicht viele Leute, aber Birte Hemker aus Legden hat mit fast 50 Jahren einen beruflichen Neustart hingelegt. Sie hat eine Ausbildung zur Zahnärztlichen Fachangestellten gemacht.
Nicht alle Menschen lieben ihren Job, machmal ist er eben nur das notwendige Übel, um Geld zu verdienen. Vielen passen die Arbeitszeiten nicht, die Freizeit bleibt auf der Strecke oder die Bezahlung ist nicht so, wie man es sich wünschen würde.
So ähnlich ging es auch Birte Hemker aus Legden. Die damals 48-Jährige arbeitete in einer Bäckerei und war von der Situation alles anderes begeistert, „obwohl ich mich mit dem Team super verstanden habe“, betont sie. Aber sie hatte sich überlegt: „Ich muss noch etwa 20 Jahre arbeiten bis zur Rente, also warum soll ich nicht noch etwas Neues lernen?“.
Unverhofftes Angebot
An einem Sonntag bekam Birte Hemker einen Anruf von Dr. Petra Eversmann-Beumer (57). Die Zahnärztin war in einer personellen Notlage und die beiden Frauen kennen sich bereits seit Jahren. Ihr war die berufliche Situation von Birte Hemker bekannt.
Mit so einem Anruf und dieser Chance hatte die Zweifach-Mutter nicht gerechnet. Es dauerte zwei bis drei Tage, doch dann hatte Birte Hemker den Entschluss gefasst, das Angebot anzunehmen und eine Ausbildung zur Zahnärztlichen Fachangestellten zu machen. Ihre Familie unterstützte sie.
„Ich hatte eigentlich nur Bedenken wegen der Schule, weil ich da mit Abstand die älteste wäre“, erinnert sie sich. Aber ihre Sorge war unbegründet. Sie hat sich in der Berufsschule in Coesfeld wohlgefüht. „Eine war noch dabei, die war Mitte 30, aber auch sonst gab es keine Probleme.“
Jeder Tag ist anders
Los ging es für die heute 51-Jährige am 1. Juni 2018 in der Praxis von Petra Eversmann-Beumer. Dort wurde Birte Hemker beigebracht, was in der Schule blanke Theorie war. „Es war eine gute Hilfe, dass in der Praxis alles erklärt wurde“, so Hemker. Das habe ihr das Lernen erleichtert.

Sichtlich stolz ist Zahnärztin Petra Eversmann-Beumer auf ihre ehemalige Auszubildende und frische Zahnärztliche Fachangestellte Birte Hemker. © Laura Schulz-Gahmen
Am meisten Spaß macht der jetzigen Zahnärztlichen Fachangestellten der Kontakt mit Menschen, ob am Telefon oder in der Praxis. „Jeder Tag ist anders und man lernt immer dazu“, sagt die 51-Jährige.
Wissbegierig und ehrgeizig
Letzteres ist eine Eigenschaft, die auch Chefin an ihrer Mitarbeiterin schätzt. „Sie war von Anfang an sehr wissbegierig und ehrgeizig“, erinnert sie sich. Beeindruckt hat die Chefin vor allem, dass die damals 48-Jährige sich dieser Herausforderung gestellt hat.
Alles sei aber auch nicht leicht gewesen. In der Schule haben die jüngeren Mitstreiter vor allem bei der Nutzung von neueren technischen Hilfsmitteln wie Online-Kursen, Video-Unterricht und beim Datenaustausch mit einer Cloud die Nase vorn gehabt. Doch mit ein bisschen Übung gelang auch das.
„Einfach ausprobieren“
Dass Birte Hemker älter war als andere Auszubildende, habe auch Vorteile gehabt. Beispielsweise habe sie deutlich mehr Lebenserfahrung mitgebracht, die dafür sorgte, dass sie stets souverän mit Situationen umgehen konnte und wusste, wie ein höflicher Umgang mit Patienten funktioniert.
Wer sich unwohl in seinem derzeitigen Job fühlt und überlegt, etwas Neues zu beginnen, dem rät Birte Hemker: „Warum denn nicht? Man sollte sich nicht zu viele Gedanken machen und es einfach probieren.“
Birte Hemker hat seit Samstag, 28. August, ihre Urkunde in der Tasche und zwar mit Bestnote „seht gut“. Sie war in ihrer Schule die Jahrgangsbeste. Petra Eversmann-Beumer hat sie im Juni 2021 als Mitarbeiterin übernommen, so wie geplant. Für alle, die sich auch in späteren Jahren noch zu einer Ausbildung entscheiden, hat Birte Hemker noch drei Ratschläge:
- Das Arbeitsumfeld ist extrem wichtig, daher sollte man sich vorher das Team gut ansehen.
- Man sollte sich nicht selbst unter Druck setzen und die Familie muss mitziehen, denn Zuhause bleibt auch gerne mal etwas liegen.
- Eine späte Ausbildung bedeutet Doppelbelastung, das sollte einem klar sein. Das bedeutet für etwa drei Jahre weniger Freizeit, das muss man wollen.
Laura Schulz-Gahmen, aus Werne, ist Redakteurin bei Lensing Media. Vorher hat sie in Soest Agrarwirtschaft studiert, sich aber aufgrund ihrer Freude am Schreiben für eine Laufbahn im Journalismus entschieden. Ihr Lieblingsthema ist und bleibt natürlich: Landwirtschaft.
