Marlis und Hermann Terhörst am Stall bei ihrem Erfolgspferd Chacalacca T aus eigener Zucht.

© Markus Gehring

Seit sieben Generationen gehört das Pferd zur Familie Terhörst

rnVon der Postkutsche zum Turniersport

Sie sind nicht verwandt und haben doch eine ähnliche DNA. Hermann und Marlis Terhörst tragen beide das „Pferde-Gen“. Seit Generationen wird es in den Familien des Ehepaars vererbt.

Legden

, 30.12.2021, 17:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Wer das Haus von Hermann und Marlis Terhörst an der Ahauser Straße betritt, kommt am Pferd nicht vorbei. Ob Bilder, Fotos, Porzellanfiguren, ein zum Nadelkissen umfunktionierter Pferdehuf oder die vielen Turnierschleifen, die die reiterlichen Meriten des Hausherrn dokumentieren – all das macht deutlich, wem die große Leidenschaft der Bewohner gehört: dem Pferd. Wie es dazu kam, warum sie sie bis heute nicht loslässt und bereits die nächsten beiden Generationen das Erbe angetreten haben, dazu kann das Ehepaar viele Geschichten erzählen.

Und nicht nur das. Das private Archiv der Terhörsts ist eine wahre Fundgrube - an lokaler Historie, Familien-Tradition und zahlreichen Anekdoten rund ums Pferd. Hier liegt nicht nur der Schlüssel für die Dominanz des Pferdes in der Familie, die Lebensgeschichten der Vorfahren zeigen auch die wechselnde Nutzung und Bedeutung des Pferdes für den Menschen im Laufe der Jahrhunderte.

Mit dem Postillon fing alles an

„Angefangen hat alles mit meinem Ururgroßvater mütterlicherseits“, sagt Hermann Terhörst. Heinrich Decker (*1809) war Postillon. Er lenkte über 30 Jahre lang die Postkutsche über die Distanz Braunschweig-Königslutter-Braunschweig, setzte somit die Pferde als Fortbewegungs- und Transportmittel ein. Dass auch Heinrich Decker schon eine besondere Beziehung zu seinen Tieren gehabt haben muss, erzählt sein Ururenkel: „Die Strecke gingen die Pferde ohne Leinen, auf Pfiff.“

Marlis und Hermann Terhörst in ihrem Element: Er auf dem Bock, sie als charmante Begleiterin vor der Kutsche.

Marlis und Hermann Terhörst in ihrem Element: Er auf dem Bock, sie als charmante Begleiterin vor der Kutsche. © Privat

Sohn Wilhelm (*1853) stieg dann aufs Pferd, zog Uniform und Pelzmütze mit einem eindeutigen Emblem an. Als „Totenkopf-Husar“ (Regiment Nr. 17) stand er im Dienst des Herzogs von Braunschweig, beendete seinen Militär-Dienst und seinen zivilen als berittener Gendarmerie-Wachtmeister. Er war es übrigens, der die Familie nach Legden brachte. 1897 kaufte er hier die alte Poststelle und baute sie zum Hotel Decker (1902) um. Seine neue Stellung führten ihn dann auch zu neuen Aufgaben. Er und Kollegen gründeten 1902 den Wirteverein Legden.

Die ganze Familiengeschichte rund ums Pferd hängt als Fliesenbild im Hause Terhörst an der Wand.

Die ganze Familiengeschichte rund ums Pferd hängt als Fliesenbild an der Wand. © Privat

Doch zurück zum Pferd. Großvater Wilhelm (Willy) Decker (*1882) war beruflich auch in doppelter Mission unterwegs. Der spätere Hotelier diente als Königs-Ulan und als Kürassier in Münster. Gemeinsam mit August Grüneklee (Schwiegervater von Hermann Terhörst) und Antonius Freiherr von Oer war Willy Decker 1924/25 Mitbegründer des Zucht-, Reit- und Fahr-Vereins (ZRFV) Legden.

Furore im Herrensattel

Für Furore im Ort sorgte Hedwig Decker (*1909). „Meine Mutter sollte eigentlich ein Junge werden“, plaudert Hermann Terhörst aus der Familiengeschichte. Auf einem Foto sitzt sie als kleines Mädchen auf einem Pony – in Kürassier-Uniform. Ihre reiterlichen Ambitionen riefen seinerzeit aber sogar den Pfarrer auf die Kanzel. Hermann Terhörst: „Der kritisierte die Unmoral der jungen Mädchen.“

Warum? Hedwig Decker war die erste Turnierreiterin des Ortes. Rittlings im Herrensattel, was zu der Zeit als unschicklich galt, war doch für weibliche Reiter der Damensattel vorgesehen.

Hedwig Decker in Uniform auf dem Pony zusammen mit ihren Eltern.

Hedwig Decker in Uniform auf dem Pony zusammen mit ihren Eltern.

Durch die Mutter kam es auch für Hermann Terhörst zu den ersten direkten Kontakten mit Pferden. Ein eigenes konnte sich die Familie allerdings nicht leisten. Vater Wilhelm (*1909), Holzkaufmann, war 1941 in russischer Gefangenschaft gestorben, die Mutter alleinerziehend mit drei Kindern. Also machte der junge Hermann erste Reiterfahrungen mit Pferden, die er sich von Bauern ausgeliehen hatte. Als ständiger Besucher auf dem Reitplatz nutzte er zudem die Gelegenheit, wenn die Reiter nach getaner Arbeit zur Theke gingen: „Dann durfte ich die Pferde trockenreiten.“

Sorgte für Aufsehen: Hedwig Decker im Herrensattel.

Sorgte für Aufsehen: Hedwig Decker im Herrensattel. © Privat

So verdiente er sich nach und nach seine Sporen und intensivierte sein reiterliches Können. Sein erster Reitrock fürs Turnier wurde aus einem Hochzeitsanzug des verstorbenen Vaters geschneidert. Um den Sport zu finanzieren, bildete er auch junge Pferde aus.

Sterntaler war das erste eigene Pferd

An sein erstes eigenes Pferd, einen Schimmel, erinnert er sich besonders gerne. Mit „Sterntaler“ holte er sich zahlreiche Turnier-Schleifen, wovon über Jahrzehnte noch etliche folgten. Die reiterlichen Erfolge in 40 Jahren sind kaum alle aufzuzählen. Einige Stichworte: zahlreiche Einzel-Erfolge, aber auch mehrfach Gewinne der Kreis- und Jugendstandarten sowie Mannschaftspokale. Zudem war er nicht nur selbst im Sattel oft vorne dabei, sondern auch als geprüfter DSB-Ausbilder für Reiten und Fahren im Einsatz.

Hermann Terhörst ist es mit zu verdanken, dass Legden 1972 eine Reithalle bauen konnte. Nicht zu vergessen, dass er auch für den Schützenverein aufs Pferd stieg und dort zahlreiche Funktionen bis hin zum 1. Vorsitzenden, Präsidenten und Ehrenpräsidenten übernahm. Von seiner Zeit als berittener Offizier sagt er heute: „Eine Parade zu reiten, war mehr als eine Turnierteilnahme.“

Abschied vom Sport, nicht von der Zucht

Wenn er auch im Alter von 50 Jahren aus dem aktiven Sport absattelte, seine zweite intensive Beschäftigung, an der er zusammen mit seiner Frau Marlis weiter festhält, ist die Pferdezucht. Noch heute ist der Gang zum benachbarten Pferdestall ein tägliches Ritual.

In besonderer Erinnerung ist die Stute „Tosca“, die zuerst einen Stall am Wohnhaus hatte. „Mit der konnte ich richtig sprechen“ sagt Marlis Terhörst. Dass sie ihren Mann zum ersten Mal ausgerechnet bei einem Reiterball traf, ist im Grunde fast zu erwarten. Auf dem Kostümball auf Schloss Raesfeld fanden der Gentleman à la Johannes Heesters und die Charleston-Dame zusammen.

Der Kürassier Wilhelm Hubert Decker.

Der Kürassier Wilhelm Hubert Decker. © Privat

Und die trägt als Tochter des Rittmeisters August Grüneklee (*1882) ebenfalls das Pferde-Gen in sich. Von dem weiß man, dass er Mitglied der Kaiserlichen Leibgarde war und den Kaiser auch ins Exil in die Niederlande begleitete. Auch er war Kürassier und galt als bester Dressurreiter seines Regiments. Bei einem Turnier in Frankfurt gewann er 1911 sogar die Goldene Uhr des Kaisers, die sich noch im Familienbesitz befindet.

Seine Ausrüstung – Schutzschilde (Kürasse), Stiefel und Säbel – sorgte in Legden sogar Jahre nach seinem Tod für Aufsehen, wie sich Hermann Terhörst erinnert: „Beim 50. Jubiläum des Reitvereins 1975 wurden sie bei einer Schaunummer eingesetzt, die für großen Applaus sorgte.“

Im Ersten Weltkrieg hat er sich als Lebensretter des Grafen von Landsberg-Velen verdient gemacht, ritt mit seinem Pferd „Unkas“ bis vor die Tore von Paris. Eindrucksvoll ist seine Lebensgeschichte, die er zu Papier gebracht hat, in der er auch die schlimmen Kriegserlebnisse im eiskalten Winter 1916 in Polen und Litauen schildert: „Es gab nichts zu fressen für unsere braven Pferde, die fielen um wie die Fliegen.“ Graf Landsberg-Velen holte ihn nach dem Ersten Weltkrieg als Verwalter seiner Güter nach Westfalen. Nach erneutem Einsatz im Zweiten Weltkrieg und Gefangenschaft übernahm er die Landwirtschaft der Schwiegereltern.

Die Tochter des Rittmeisters

Tochter Marlis wäre auch gerne reiterlich aktiv geworden, die Lebensumstände verhinderten das aber.

Der Rittmeister: August Grüneklee.

Der Rittmeister: August Grüneklee. © Privat

Die Liebe und die Nähe zum Pferd sind ihr aber geblieben. Und natürlich ist sie wie ihr Mann auch stolz auf ihr gemeinsames Erbe: Sohn Alexander und seine Frau Franziska Thiersch lernten sich als Studenten kennen. Sie und die Enkel Carlotta und Janis beweisen, dass das Pferd zur Familie gehört. Carlotta wurde 2020 Deutsche Meisterin der Ponyreiter und in diesem Jahr Westfalenmeisterin der Juniorenspringreiter. Auf „Chacalacca“, einem Pferd aus der Zucht ihres Opas. Enkel Janis ist ebenfalls im Ponysattel erfolgreich, aber auch als Fußballer.

Sie werden sicher ihren Großeltern zustimmen: „Das Pferd ist ein Lebewesen, das, wenn man ihm mit Respekt und Liebe begegnet, sein Leben lang alles zurückgibt. Der Reitsport ist der einzige Sport, bei dem der Sportler sich auf einen lebendigen Partner verlässt und die Fürsorge für dessen Wohlergehen seine höchste Pflicht ist.“