Rückzug und Erholung für Kinder und Familien Legdener betreiben tiergestütztes Kinderhospiz

Gut Feismann: Legdener betreiben tiergestütztes Kinderhospiz in Darup
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Beim Durchschreiten des Hoftores ist es ein bisschen so, als verlasse man den Alltag. Direkt wird man freudig wiehernd von drei Pferden begrüßt, Hühner gackern, Kinder spielen. Überall sieht man Tiere, Spielgeräte und Sitzgelegenheiten, die zum Verweilen einladen. Die Liebe zum Detail ist spürbar.

Ein Rückzugsort, an dem sich Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern erholen und neue Kraft schöpfen können, das ist das Gut Feismann. Die ehemaligen Legdener Carolin und Stefan Feismann betreiben auf ihrem Hof ein tiergestütztes Kinderhospiz.

Schon immer träumte Carolin davon, auf einem Bauernhof zu leben. Viele Jahre hat sie mit ihrem Mann nach einem Ort gesucht, an dem sie mit ihren beiden Söhnen leben wollen und ihre Stärken sinnvoll einsetzen können. Das Gut Feismann ist das Ergebnis dieser Vision.

Im Jahr 2016 kauften die beiden den alten Hof Focke-Egbering mitten in Darup. Hätte es ein vergleichbares Anwesen in Legden gegeben, würden sie vermutlich noch heute dort wohnen, bestätigen beide. „Wir haben uns in Legden immer sehr wohlgefühlt“, betont Carolin Feismann.

An den Tag der Immobilienübergabe erinnert sie sich noch genau. „Das war im Oktober 2016. Ganze 5,4 Kilo Schlüssel zu den sechs Gebäuden auf dem Hofgelände hat man uns da überreicht.“ Natürlich unbeschriftet und nicht sortiert, ergänzt sie. Viele arbeitsreiche Jahre begannen an diesem Tag.

Tiergestütztes Kinderhospiz Gut Feismann
Mit dem Rollstuhl zu den Pferden und Schafen auf die Wiese. Feismanns ermöglichen Familien mit lebensverkürzend erkranktem Kind eine Auszeit vom Alltag. © privat

In einem Affenzahn sanierten Feismanns das Haupthaus, sodass nur zehn Monate später die ersten Mieter auf Gut Feismann einziehen konnten. Nach und nach wurden Fassaden, Dächer, Fenster und Innenleben des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes saniert.

„Dabei war uns immer wichtig, den Charakter und die alten Details zu erhalten und trotzdem ein modernes Wohnkonzept zu erschaffen“, erzählt die gebürtige Coesfelderin. Natürlich gab es auch Rückschläge während der Bauzeit. Nach einem Sturm im Februar 2018 musste das einsturzgefährdete Dach des „Schweinehauses“ erneuert werden.

Die Behörden verhängen einen Baustopp. „Lange war nicht klar, ob wir das auf der Grundstücksgrenze stehende Gebäude überhaupt wieder aufbauen dürfen“, erzählt die ehemalige Legdenerin sorgenvoll. Ganze 19 Monate hat es gedauert, bis der Baustopp aufgehoben wurde und Feismanns ein neues Dach auf das urige Häuschen bauen lassen durften.

Im Mai 2018 ziehen Carolin und Stefan dann endlich mit den beiden Söhnen auf Gut Feismann ein. Doch nicht, weil der Umbau abgeschlossen und alles fertig ist. „Nein, im Prinzip begann damals erstmal ein Leben auf der Baustelle“, erläutert die zweifache Mutter schmunzelnd.

Blick in den Innenhof von Gut Feismann.
Obwohl der frühere Hof mitten im Ortskern liegt, hat man das Gefühl, dem Alltag einen Moment entfliehen zu können, sobald man das Hoftor durchschreitet. © privat

Zur Familie Feismann gehörten da schon der cremefarbene Hund, Pudel und eine Katze. Und dabei sollte es nicht bleiben. „Ich liebe Tiere einfach über alles und freue mich jeden Tag, dass unsere Söhne das auch tun“, schwärmt sie. Heute wohnen mit den Feismanns auch Pferde, Schafe, Hühner, Meerschweinchen, Kaninchen und Schildkröten auf dem Hof.

Die Idee, einen Rückzugsort für Familien mit schwerkranken Kindern anzubieten, kam auf, nachdem eine Familie mit einem mehrfach behinderten Kind hier auf dem Hof in einer unserer Ferienwohnungen Urlaub gemacht hatte, so Carolin Feismann. Im Gespräch erfuhr sie, dass es für solche Familie nahezu unmöglich ist, das Zuhause mit allem Equipment, das diese Kinder benötigen, zu verlassen.

Die Idee des tiergestützten Kinderhospizes war geboren. Hospizarbeit bedeutet dabei nicht, dass alle Kinder mit ihren Familien zum Sterben hierherkommen, stellt Carolin Feismann klar. „Die Kinderhospizarbeit beginnt mit der Diagnose ‚lebensverkürzend erkranktes Kind‘“, erläutert sie. Das sei bei weitem nicht nur Sterbebegleitung, der Aspekt gehöre aber dazu.

Ab dem Tag, ab dem eine Familie weiß, dass ihr Kind lebensverkürzend erkrankt ist, kann sie die Angebote von Gut Feismann in Anspruch nehmen. Für die Familien ist das kostenlos. „Die Krankenkasse zahlt den Aufenthalt in einem Hospiz tatsächlich nur, wenn die Einrichtung über mindestens acht Plätze verfügt“, erklärt Carolin Feismann.

Der Kontakt zu den meisten Menschen beginnt mit der sogenannten Auszeit. „Die Familien verbringen hier ein oder zwei Wochen. Ganz so, wie man normalerweise in den Urlaub fährt“, sagt die Daruperin.

Zwei Kinder in einer Schaukel.
Wenn Familien mit kranken Kindern auf Gut Feismann sind, ist alles erlaubt, was Spaß macht. Davon auch mehr als sonst. Das gilt auch für Feismanns Kinder. © privat

Vorab wird genau abgesprochen, welche Maßnahmen benötigt werden. „Das können ein Pflegebett, technische Dinge oder Pflegekräfte sein“, zählt Carolin Feismann auf. Und auch der Begriff Familie ist dabei nicht in Stein gemeißelt. „Wenn zum Erholen die Pflegekraft von zu Hause, die beste Freundin oder der Familienhund nötig sind, sind sie bei uns herzlich willkommen“, erklärt sie. All das würde im Vorfeld genau besprochen und vorbereitet.

Neben einer traumhaften Umgebung und einer schönen Ferienwohnung steht den Familien auf Gut Feismann aber auch ein Team von Fachkräften zur Verfügung. Vom Heilerziehungspfleger über die Kinderkrankenschwester, von der Fachkraft für tiergestützte Intervention über die Reitpädagogin, von der Physiotherapeutin über die Kinderärztin bis hin zur Familientrauerbegleiterin.

„Die Betreuung ist immer genau auf die Bedürfnisse der Familienmitglieder abgestimmt und macht für viele Familien einen Aufenthalt außerhalb des gewohnten Umfelds erst möglich“, berichtet Carolin Feismann. Oft erlebe sie, wie Eltern seit langer Zeit endlich mal wieder ein paar Stunden für sich haben oder ihre Aufmerksamkeit auch mal ungeteilt dem Geschwisterkind widmen können.

„Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Betreuung der kleinen Gäste spielen aber auch unsere Kinder“, betont Carolin Feismann. Nicht nur, dass die beiden völlig ohne jegliche Berührungsängste auf jeden neuen Gast zugehen und enormen Einfallsreichtum dabei entwickeln, jedes Kind an allen Aktivitäten auf dem Hof teilhaben zu lassen. Die beiden Söhne seien schon oft gute Berater gewesen, wenn es darum gehe, Dinge aus Kindersicht zu betrachten, so die Zweifachmutter.

Außerdem wäre die Zeit auch innerhalb ihrer Familie ein ganz besondere, wenn Gäste auf dem Hof seien. „Dann ist hier alles erlaubt, was Spaß macht und von allem auch mehr als sonst“, erklärt sie schmunzelnd. Und ergänzt augenzwinkernd: „Auch für unsere Kinder.“ Selbstverständlich würden sie und ihr Mann regelmäßig mit den Kindern über das sprechen, was ihre Gäste ausmacht, erklärt Carolin Feismann. Der Umgang der Kinder damit sei beispielhaft. Für die beiden gehören Krankheit und Tod einfach zum Leben dazu.

Gute Feismann in DArup
Blick aufs Haupthaus des Gebäudekomplexes mitten im Daruper Ortskern. © privat

Der Aufenthalt auf Gut Feismann ist für die Familien kostenlos. Das Angebot wird zu 100 Prozent durch Spenden finanziert. „Wir freuen uns wirklich über jeden Betrag“, versichert die ehemalige Legdenerin. Interessierte finden alle nötigen Informationen dazu auf der Internetseite (www.gutfeismann.de/spenden) des Hospizes.

Wer das Anwesen der Feismanns und alles rund um ihre Arbeit gerne einmal persönlich kennenlernen möchte, ist dort herzlich willkommen. An bestimmten Besuchertagen öffnen Feismanns die Tore für alle Gäste. Die Termine sind ebenfalls auf der Internetseite (www.gutfeismann.de) des Gutes zu finden.

Diesen Artikel haben wir am 20. September 2024 veröffentlicht.