Legdener Spezialist für Antriebstechnik Marantec ist längst reif für die Insel(n)

Marantec-Standort Legden ist längst reif für die Insel(n)
Lesezeit

Legden, Neue Mühle 4. An der rechten Straßenseite ein unscheinbarer Klinker-Bau, die Verwaltung des Legdener Marantec-Sitzes, unweit davon hochmoderne Hallen. Kaum zu vermuten, dass das alles Teil eines global agierenden und höchst erfolgreichen Firmengeflechts der Marantec Group sein soll. Mit Hauptsitz im ostwestfälischen Marienfeld und mehreren Standorten in Deutschland, verschiedenen Zuliefererfirmen und Vertriebsniederlassungen in Europa und Übersee. Mit insgesamt 650 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Euro.

Die Marantec-Kernkompetenz ist die Antriebstechnik. Und längst nicht mehr „nur“ die für das private Garagentor oder große Industriehallen, sondern auch für komplexe Aufgabenstellungen. Beispiel: das Ein- und Auffahrsystem von Parkhäusern, überhaupt die Parkraumbewirtschaftung.

Zeit des Wandels

Aber zurück zu den Anfängen. Die Erfolgsgeschichte beginnt 1989 mit Michael Hörmann, der aus einem Teil des Torherstellers Hörmann nach und nach die Marantec-Unternehmensgruppe baut. Aktuell hat hier der „Wind of change“ Einzug gehalten, oder besser gesagt die Transformation, wie es die Unternehmensspitze nennt. „Regisseure“ dieses dynamischen Prozesses sind die beiden CEOs, Kerstin Hochmüller, Ehefrau des Firmengründers, und Andreas Schiemann.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin, die 2015 die Leitung der Marantec Group übernimmt, konkretisiert das und spricht von den „Open Champions“ des Mittelstands, dem sich Öffnen müssen für neue Wege. Ein Zitat von ihr auf der Firmen-Homepage: „Wir machen den Sprung vom Industrie- zum Digitalunternehmen. Dafür entwickeln wir neue Geschäftsmodelle und schaffen uns ein neues Ökosystem, in dem wir unsere Ideen realisieren.“ Und das ist gerade mittendrin. Auch in Legden. Was wieder zum Anfangs-Bild führt. Der rote Klinker steht für den Wertekatalog des Unternehmens und die hochmodernen Zweckbauten für die Innovationsbereitschaft.

Inhaltlicher Antrieb

Einer, der den Strukturwandel begeistert mit- und voranträgt, auch mit ganz vielen eigenen Ideen, ist André Hesseling, Betriebsleiter am Marantec-Standort Legden. Erst ein Jahr ist es her, dass hier aus MFZOvitor Marantec wurde, dem Antriebsspezialisten für die Industrie. Ein weiterer Schritt auf dem Weg des Zusammenwachsens aller Firmen unter einem Dach zur Marantec Group.

André Hesseling: „Wir wollen nicht mehr nur der Hersteller von Antriebstechnik sein, sondern der Spezialist für Lösungen.“ Ein Beispiel von vielen: Tore mit unterbrechungsfreier Stromversorgung. Bei einem Blackout, aus welchen Gründen auch immer, ist für den regelrechten Betrieb durch einen Akku-Puffer gesorgt. Notwendig für Feuerwehr- und Rettungswachen, überhaupt für alle sicherheitsrelevanten Bereiche.

Aber egal ob Schiebe-, Roll-, Falt- oder Schnelllauftor - Marantec sorgt für den gewünschten Antrieb. „Wir schaffen kundenspezifische Entwicklungen“, sagt der Betriebsleiter und nennt als Paradebeispiel ein Falttor für die Schweizer Bundesbahn mit einem ganz speziellen Regelmechanismus. In Legden arbeiten 130 Mitarbeitende, davon 85 in der Produktion, an solchen Lösungen. Allerdings seit dem Ukraine-Krieg nicht mehr für Kunden in Russland, auch wenn das den Umsatz gebremst hat. André Hesseling: „Das war eine klare Entscheidung von Frau Hochmüller.“

30 Prozent des Umsatzes wird in Deutschland erwirtschaftet, der Rest in Großbritannien, Dänemark, aber auch in Indien, in Puerto Rico. Für Legden nennt Hesseling 48,5 Millionen Euro als Jahresumsatz. „Wir haben den Umsatz steigern können.“ Anders sei das aber beim Privatsektor: „Der schwächelt leider aktuell etwas.“

Montage von Steuerungen im "Einzelstückfluss"
Ein Blick in die Produktionshalle und hier auf die Montage von Steuerungen im so genannten "Einzelstückfluss". © Markus Gehring

Keine Spuren hat übrigens Corona bei Marantec hinterlassen, sagt der Legdener Betriebsleiter. „Wir waren durchgängig lieferfähig.“ Vorteil sei die hohe Wertschöpfung, die sich durch die Gruppe ergebe. Nur an Spiralkabel sei zwischen zeitlich schwer ranzukommen gewesen. Die Preissteigerungen beim Material sind allerdings schon ein Thema. „Man kann nicht alles an Kunden weitergeben.“

Übrigens: André Hesseling ist selbst der lebende Beweis für die Innovationsbereitschaft: Der Technische Betriebswirt ist nämlich vom Holz aufs Metall gestoßen und hat 2019 die Aufgabe der weiteren Prozessoptimierung übernommen. Wie er sagt ein „Dauerauftrag“, der ein klares Ziel hat: 2030 „coolster Antriebshersteller“ zu werden.

Offen für neue Wege

Cool, das bedeutet nicht nur, dass die Abläufe in der Fertigung ständig überprüft und an modernste Entwicklungen angepasst werden. Einige Schlüsselbegriffe, die Hesseling nennt: One piece flow und Lean Management. Das bedeutet, dass alle Mitarbeiter alles wissen und können.

Sichtbar wird das im Legdener Werk an zurzeit sechs Fertigungsinseln, die die ehemaligen Werkbänke ersetzen und die Arbeitsabläufe digital steuern. Hinter Lean Management steht das strategische Prinzip der Prozess-Optimierung mit dem Ziel, Ressourcen zu schonen und die Wertschöpfung nachhaltig zu steigern. Bei One piece flow (Einzelstückfluss) wird ein Werkstück einzeln gefertigt, transportiert und (fließend) an den nächsten Arbeitsschritt weitergegeben

Ein Marantec-Mitarbeiter montiert Rollantriebe.
Ein Marantec-Mitarbeiter montiert Rollantriebe. © Markus Gehring

Dass man neuer Technik, auch Künstlicher Intelligenz (KI) offen begegnet, wird an vielen Stellen sichtbar. 3D-Drucker und Transportroboter gibt es schon, ein weiterer Assistenzroboter ist geplant. Auch mindestens drei weitere Fertigungszellen stehen auf der Wunschliste. Geplant ist zudem ein „Werkerassistenzsystem“, über das die Mitarbeitenden konkrete Arbeitsanweisungen per Beamer erhalten. Dafür ist eine Kooperation mit einem Startup aus Osnabrück beabsichtigt. Für Hesseling auch ein Weg, um dem anhaltenden Fachkräftemangel zu begegnen.

Diese Mitarbeiterin erledigt die Kommissionierung nach dem System "Pick by Light", scannergestützt.
Diese Mitarbeiterin erledigt die Kommissionierung nach dem System „Pick by Light“, scannergestützt. © Markus Gehring

Von alldem hat man die eigene Belegschaft überzeugen können, auch wenn es nicht für alle so einfach gewesen sei, den langjährigen Arbeitsplatz zu wechseln. Heißt für Hessling: mitnehmen und überzeugen.

Weiterer Einsatz von KI ist denkbar. Vieles trägt bereits die Handschrift von André Hesseling, der für das Unternehmen brennt und so etwas wie ein Daniel Düsentrieb ist. Sein aktuelles „Kind“: Die Drehung der Fertigung um 90 Grad. Schon jetzt ist er sich sicher, dass auswärtige Besucher überrascht sein werden, was sie allein am Marantec-Standort Legden zu sehen bekommen. oder wie er es nennt: „Was für eine geile Fabrik!“

Dorfbäckerei Eihsing unter dem Hammer: Inventar und Ausstattung wurden online versteigert

Karin Doedt und Bruno König vermitteln zwischen Zerstrittenen: Verwaltung sucht Schiedsleute

Schlachthof Legden schließt Ende März: Tönnies-Gruppe hält Entscheidung für unumgänglich