
Christian Bomberg, Vorsitzender des WLV-Ortsverbands Legden, sieht sich ganz genau an, wie die computergesteuerte Spritze gearbeitet hat. Zusammen mit etlichen Legdener Landwirten hat er sich über Robotik auf dem Acker informiert. © Stephan Rape
Legdener Landwirte begeistert vom Roboter auf dem Acker - gezielt Herbizid einsetzen
Digitalisierung
Digitalisierung ist ein riesiges Thema. In der Landwirtschaft. Längst sind Roboter dort keine Science Fiction mehr. Dort liege die Zukunft. Auch wenn sie Legdenern im Moment noch zu teuer sind.
Die breite, weiße Kiste hinter dem Traktor sieht aus der Entfernung nach nichts Besonderem aus. Irgendein Anbaugerät, das gerade auf einem kleinen Stück Grünland in Legden seine Runden zieht.

Ampfer, ein Unkraut auf dem Grünland, wird an diesem Abend simuliert mit einem Herbizid besprüht. Tatsächlich ist bei der Vorführung nur Wasser im Tank. Die Maschine könnte auch andere Pflanzen erkennen. Das allerdings würde das Aufpreis kosten. © Stephan Rape
Doch hinter der Maschine läuft an diesem Abend eine Gruppe Landwirte her. Sie filmen, sie fotografieren und sie scheinen fasziniert: Denn die weiße Kiste ist Hightech.
Auf sechs Metern Breite erkennen automatische Kameras jede Ampferpflanze zwischen dem Gras. Unter flackerndem Licht nehmen sie den Boden auf. Die Bilder verarbeitet ein Computer. Aus 156 Düsen wird das Unkraut dann zielgerichtet mit einem Herbizid besprüht.
„In sechs mal sechs großen Quadraten“, betont André Thiemann von der Agravis. So könnten bis zu 90 Prozent der Herbizide eingespart werden, da sie extrem zielgerichtet eingesetzt werden können. Die computergesteuerte Technik hat ihren Preis: Gut 100.000 Euro soll das Gerät kosten.
Die sogenannte Spotspritze, eine Entwicklung aus der Schweiz, ist an diesem Abend nur ein Teil eines Themenstammtisches auf dem Hof Heuser in der Legdener Bauerschaft Wehr.
Digitalisierung in der Landwirtschaft ist keine Science Fiction
Auf dem Hof Heuser lassen sich an diesem Abend etliche Landwirte aus Legden und Umgebung computergesteuerte Technik zeigen. „Feldrobotik ist längst keine Science Fiction mehr“, betont Robert Everwand, Geschäftsführer des Agrotech Valley Forums. Zusammen mit Vertretern der Leader Region Steinfurter Land, der FH Münster, der Firma Holtmann-Saaten und Prof. Arno Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück will er einen Impuls für die Digitalisierung in der Landwirtschaft geben.
Der Professor aus Osnabrück brennt für seine Themen: Sensorik, Feldroboter, Agrarelektronik. „Wir können inzwischen einzelne Pflanzen auf dem Feld wiederfinden“, sagt er. Das sei beispielsweise für die Bewässerung in Zukunft eine kaum zu überschätzende Funktion.
Denn schon in wenigen Jahrzehnten komme auch die Landwirtschaft in unseren Breitengraden ohne regelmäßige Bewässerung nicht mehr aus. Durch die neue Technik könne das Wasser genau wie Dünger oder Pflanzenschutzmittel aber viel ökonomischer eingesetzt werden.
Autonome Arbeit stellt große Hürden dar
Dabei stelle die Landwirtschaft eine besondere Herausforderung an die Technik: „Autonome Arbeit ist noch einmal etwas völlig anderes als nur autonomes Autofahren“, sagt er lächelnd. Schon Staub oder unterschiedliche Sonneneinstrahlung könne einen Sensor völlig aus dem Takt bringen. Entsprechend kompliziert sei die Entwicklung.

Hightech unter der Haube: Mit speziellen Kameras erkennt der Computer das Unkraut – in diesem Fall Ampfer. Zielgerichtet geben dann 156 Sprühdüsen in bis zu sechs mal sechs Zentimeter kleinen Quadraten das Herbizid ab. © Stephan Rape
Allerdings betont er, dass Technologie nur ein Hilfsmittel und nicht Selbstzweck seien dürfe. „Technologie löst kein einziges Problem“, macht er deutlich. Allerdings verändere die Technologie beispielsweise auch die Arbeitsabläufe.
Bei einer automatisierten Maschine habe Geschwindigkeit beispielsweise nicht mehr unbedingt etwas mit Wirtschaftlichkeit zu tun. Ein Roboter könne langsam arbeiten. Wenn er dafür aber 24 Stunden ohne Unterbrechung arbeite, sei das immer noch extrem wirtschaftlich.
Innovation ebnet Weg zu nachhaltiger Landwirtschaft
Innovative Technologien würden den Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft weisen. Schlüsseltechnologien seien dabei Sensorik, Datenmanagement und -interpretation, Simulation und Robotik.
Der Professor ist gedanklich schon einige Schritte weiter: Spricht über völlig autarke Roboter, selbstfahrende Maschinen, ganze Maschinenparks, die aus der Entfernung gesteuert die Arbeit auf einem landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen.
Das Problem: die Zulassung. Wann autarke Maschinen in den Einsatz kommen dürfen, sei längst noch nicht klar. Für einige Probleme gebe es noch nicht einmal die passenden Prüfverfahren. Zukunftsmusik.

André Thiemann von der Agravis erklärt das neue Anbaugerät, das per Tablet programmiert wird. Die Landwirte aus Legden und Umgebung hörten interessiert zu, bis die erste Spotspritze in Legden im Dienst sein wird, vergeht aber wohl noch einige Zeit. © Stephan Rape
Auch Christian Bomberg, Legdens Ortsverbandsvorsitzender im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband, nimmt an diesem Abend das neue Gerät genau unter die Lupe. Fasst die besprühten Ampferblätter an, rupft hier, zupft da. „Das ist bald bestimmt auch etwas für die Legdener“, sagt er später im Gespräch mit unserer Redaktion. Von der Entwicklung selbst ist er begeistert. Kaufen würde er es für den eigenen Betrieb aber noch nicht.
Kosten sind für Legdener Landwirte noch der Knackpunkt
Die Kosten stehen ihm im Weg: „Das Gerät ist klasse, keine Frage“, sagt er. 100.000 Euro seien aber im Moment noch etwas viel Geld. Noch dazu, weil die spezielle Spritze aktuell nur ein Unkraut zu diesem Preis bekämpfen kann. Dennoch sei die Digitalisierung ein riesiger und wichtiger Schritt für die Landwirtschaft. „Das entwickelt sich ja überall enorm“, betont er.
Eine Entwicklung, die keinen Moment zu spät kommt: Bei den münsterländischen Betrieben sei es ja wegen der kleinteiligen Struktur noch meist so, dass die Inhaber die meiste Arbeit machen würden. Aber natürlich fehle auch in der Landschaft das Personal. Automatisierung und Digitalisierung könne da helfen, die Arbeit trotzdem zu schaffen.
Der Abend in Wehr endet konservativ – bei Getränken und Grillwurst. Doch die Begeisterung für die neue Technik ist allen Teilnehmern anzusehen.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
