Alle waren hochzufrieden und wollen ab August eine Lehre als Maurer und Betonbauer antreten: Das ist das Ergebnis eines vierwöchigen Praktikums bei Bauunternehmen im Kreis Borken, die sechs junge Männer aus Mosambik absolviert haben.
Agostinho ist glücklich. Stolz trägt er mit Chef Ulrich Bogenstahl auf der Baustelle in Legden fürs Pressefoto einen stählernen Stützpfeiler und sagt: „Die Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich komme wieder.“
Agostinho Raive Samuel Jasse ist 20 Jahre alt. Der junge Mann aus dem ostafrikanischen Mosambik hat an einem Praktikantenmodell teilgenommen. Über die Kreishandwerkerschaft Borken lernten mit Agostinho fünf weitere Mosambiker vier Wochen lang bei sechs Unternehmen im Kreis Borken. Eines der Ziele: Fachkräfte gewinnen.
Projekt „ein voller Erfolg“
Nach eher fruchtlosen vorangegangenen Beispielen, zum Beispiel in der Pflege, scheint diesmal das Projekt „Rekrutierung von Auszubildenden aus Drittstaaten“ von Erfolg gekrönt zu sein. Unternehmer Ulrich Bogenstahl (61), Chef von 65 Mitarbeitern in Legden, ist nicht nur voll des Lobes über Ablauf und Ausführung: „Ich bin fasziniert“, sagt er.
30 Jahre sitzt der Obermeister der Baugewerke-Innung Ahaus in Ausschüssen, leitet seinen Betrieb bereits seit 1986 und hat schon viel erlebt. Das Mosambik-Projekt sei ein voller Erfolg, bilanzierte er – zwei Tage, bevor die Gruppe wieder nach Hause flog. Ihrem Bekunden nach wollen alle zurückkommen, um am 1. August oder 1. September ein dreijährige Ausbildung zum Maurer/Betonbauer anzutreten.
Außer Bogenstahl beteiligten sich die Unternehmen Gebrüder Brun aus Heiden, Heinrich Temmink aus Vreden-Ammeloe, Schweers Bau- und Stahlbeton aus Borken, Hilbring und Nienhaus Bau aus Ahaus sowie der Rheder Klinker- und Fassadenbau.
Fast familiär betreut
Die Praktikanten aus Afrika wurden fast familiär im Westmünsterland betreut. Vielleicht war dies der entscheidende Punkt für ihre Zufriedenheit. So ließen es sich Ulrich Bogenstahl und Stephan Brun von der Gebrüder Brun Bauunternehmung in Heiden nicht nehmen, die Praktikanten persönlich am Flughafen Frankfurt in Empfang zu nehmen. Jeweils drei wohnten zusammen in Ferienhäusern. Das fußballbegeisterte Team besuchte die Bundesligapartie Borussia Mönchengladbach gegen Union Berlin und spielte kurz aus Spaß beim TuS Wüllen. Auch ein gemeinsames Essen und Team-Aktivitäten in Gelsenkirchen standen an.

Gearbeitet wurde auch. Die Praktikanten waren jeweils eine Woche im Betrieb, zwei Tage in der Berufsschule und mauerten in der Berufsbildungsstätte (BBS) Ahaus. Bogenstahl: „Da zogen einige eine Mauer hoch – mannomann. Akkurat und richtig klasse.“ Zudem lernten sie zwei Tage lang den Ausbildungsgang Maurer und Formbau kennen. Integriert wurden die 19- bis 20-Jährigen dabei in den ersten Ausbildungslehrgang, informierte die BBS.
Landessprache Portugiesisch
Woran es dem Sextett aus Mosambik mit der Landessprache Portugiesisch hapert: Das ist die deutsche Sprache. Agostinho lernte ein wenig in seiner Heimat in der 500.000-Einwohnerstadt Beira. Doch auch hier könne es gute Lösungen geben, schwebt den Beteiligten vor, zum Beispiel ein vorgelagertes Sprachstudium.
Ulrich Bogenstahl: „Für uns hier im Münsterland ist das ein Pilotprojekt. Bevor wir die jungen Menschen aus Mosambik als Auszubildende einstellen können, müssen noch vertragliche Fragen zur Ausbildung, die weitere sprachliche Gestaltung und auch das Thema Integration geklärt werden.“
Branche verliert 200.000 Arbeitskräfte
Heinz G. Rittmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Vereins Bauverbände NRW Nordrhein mit Sitz in Düsseldorf, hat die Praktikanten-Aktion mit eingefädelt. Seiner Meinung nach können Betriebe wie die sechs aus dem Kreis Borken davon nur profitieren, auch wenn die Aktion für sie „komplettes Neuland“ sei. Seit Jahren gebe es Kooperationen mit Ländern in Afrika. Rittmann: „Unserer Erfahrung nach sind weniger als zehn Prozent der Arbeitskräfte zurückgegangen, die den Schritt zum deutschen Arbeitsmarkt zuvor gegangen waren.“
Neue Fachkräfte könnten gewonnen werden, wenn die Rahmenbedingungen wie Einwanderungsgesetz und mehr stimmten. Neue Arbeitskräfte zu gewinnen, sei elementar wichtig, meint der langjährige Verbandsexperte. 6000 bis 8000 Azubis würden etwa pro Jahr für die Baubranche gewonnen werden können. Und dennoch bliebe vermutlich ein großes Loch. Rittmann: „Wir verlieren in den nächsten zehn Jahren 200.000 Leute, die in den Ruhestand gehen.“