„Dass ich in meinem gesegneten Alter hier mal sitzen würde, das hätte ich mir nie vorstellen können.“ Kopfschüttelnd saß ein 71 Jahre alter Legdener am Mittwochmorgen auf der Anklagebank im Amtsgericht Ahaus. Er war in eine Situation geraten, die nahezu jeder Autofahrer schon einmal erlebt hat.
Wegen des Vorwurfs der Nötigung musste sich der Legdener vor Gericht verantworten. Als Aushilfsfahrer für ein Busunternehmen war er am Morgen des 20. Mai 2022 mit einem Kleinbus auf der A31 unterwegs. Was dann passierte, bezeichnete der nachfolgende Autofahrer als „gefährliches Ausbremsen“. Der Angeklagte selbst sprach hingegen von „gefährlicher Drängelei“ des Hintermanns.
Kleinbus ohne Fahrgäste
In der Anklageschrift wurde das Geschehen so dargestellt: Der 71-jährige Legdener war mit einem Kleinbus auf der Autobahn A31 ausgeschert, um einen Lkw zu überholen. In dem Kleinbus saßen keine Fahrgäste.
Bei dem Überholmanöver habe der Kleinbusfahrer offenbar den sich von hinten auf der Überholspur nähernden BMW eines 71-jährigen Gronauers nicht gesehen. Als der Gronauer die Lichthupe betätigte, soll der Legdener den Kleinbus „heftig abgebremst“ haben. Die Staatsanwaltschaft warf dem Legdener daher „Nötigung mit Gewalt“ vor.
„Hallo, ich bin auch noch da!“
Als Zeuge sagte der ebenfalls 71 Jahre alte Gronauer aus, er sei etwa mit Tempo 150 unterwegs gewesen, als der Kleinbus unmittelbar vor ihm mit Tempo 80 oder 90 ausgeschert sei. Nach einer Vollbremsung habe er dem vorausfahrenden Legdener dann mit der Lichthupe signalisieren wollen: „Hallo, ich bin auch noch da!“
Die Ehefrau des Gronauers bestätigte diese Aussage. Sie saß auf dem Beifahrersitz. „Mein Mann musste stark bremsen und auf der Überholspur schon ganz links fahren. Dann hat der Wagen vor uns ganz abrupt abgebremst. Mein Mann musste noch einmal voll in die Bremsen gehen.“ Dann habe auch der automatische Bremsassistent eingegriffen. „Die Bremsen haben richtig gerubbelt“, erklärte die 69-Jährige.
„Wie ein Kamikazefahrer“
Der Angeklagte schilderte die Situation indes ganz anders. Er habe mit Tempo 110 einen Lkw überholt. Der BMW sei noch etwa 300 Meter hinter ihm gewesen und habe sich dann mit großer Geschwindigkeit genähert. „Wegen meines Überholvorgangs musste er garantiert nicht abrupt abbremsen.“
Dann sei der Gronauer ganz dicht aufgefahren. „Ich bin richtig nervös geworden. Er hat die Lichthupe betätigt und immer von links nach rechts gependelt. Er fuhr wie ein Kamikazefahrer.“
Fotos vom Kleinbusfahrer gemacht
Als der Legdener dann planmäßig an der Ausfahrt Legden abfuhr, habe ihn der BMW noch verfolgt. „Ich habe richtig Angst bekommen, weil ich ja nicht wusste, was die beiden Männer von mir wollten.“ Die Beifahrerin hatte der Legdener nach eigener Aussage für einen Mann gehalten.
Tatsächlich waren der BMW-Fahrer und seine Frau dem Legdener Kleinbus hinterhergefahren, um Fotos vom Kleinbus-Fahrer zu machen. „Wir wollten ja Anzeige erstatten“, sagte der Gronauer. Er betonte: „Ich bin viel auf Autobahnen unterwegs. Ich weiß, dass wir alle mal Fehler beim Autofahren machen. Da erstatte ich auch keine Anzeige. Aber das Ausbremsen war wirklich ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr.“
800 Euro Auflage
Auf Nachfragen der Richterin konnte der Angeklagte nicht ausschließen, ob er möglicherweise vor Schreck aufs Bremspedal getreten haben könnte. Diese Möglichkeit erwog auch die Anwältin des Angeklagten. Sie sah nach der Beweisaufnahme auf jeden Fall auch die „Drängelei“ des BMW-Fahrers als bestätigt und brachte eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage als Möglichkeit ins Spiel.
Diesem Vorschlag folgten schließlich auch Richterin, Staatsanwaltschaft und der Angeklagte. Gegen eine Geldauflage von 800 Euro, die der Angeklagte an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen hat, wurde das Verfahren schließlich eingestellt. Damit wurde ein bereits ergangener Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 1200 Euro hinfällig. Der Prozess fand statt, weil der Legdener gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte.