Es ist ein unglaubliches Dickicht aus Coronatests, Rechnungen, unklaren Geldflüssen und gekränkten Eitelkeiten: Der Abrechnungsskandal bei den Maltesern aus Schöppingen und ihrer Ex-Coronateststelle im Ort ist noch immer nicht ausgestanden. Durch ein Berufungsverfahren werden neue Details bekannt. Details, die bisher noch mehr Fragen als Antworten liefern.
Es geht um den Betrieb der Corona-Teststelle im Kulturzentrum. Um einen möglichen Betrug von mehreren Zehntausend Euro sowie Urkundenfälschung in Form eines gefälschten Abrechnungsschreibens der Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), das digital an den Malteser-Diözesanverband in Münster ging. Ehe dort das Originalschreiben mit einer doppelt so hohen Summe auftauchte und den Stein ins Rollen brachte.
Strafanzeige
Mit Strafanzeige vom 21. November 2021 rückten der damalige Malteser-Kreisbeauftragte (61), dessen Bruder als Teststellen-Leiter (62) sowie ein Malteser aus Legden (59), der für die Abrechnungen (Schatzmeister) zuständig war, in den Fokus der Ermittlungen.
Vor dem Amtsgericht Ahaus wurde Ex-Teststellen-Leiter freigesprochen, das Verfahren gegen Ex-Kreisbeauftragte gegen einer Zahlung von 5000 Euro an den Stadtverband Schöppingen des Malteser-Hilfsdienstes (MHD) eingestellt. Damit können strafrechtlich nicht mehr belangt werden.
Berufung eingelegt
Der Legdener wurde wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer 7200-Euro-Geldstrafe verurteilt. Gegen das Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Legdener Berufung eingelegt. Runde zwei am Landgericht mit mehreren Sitzungstagen ist jetzt angelaufen.
Auch vor dem Landgericht lehnte der Legdener erneut eine vom Gericht ins Spiel gebrachte Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer vierstelligen Summe vehement ab. „Ich habe nichts gefälscht, habe keine Fehler gemacht. Ich möchte den Prozess nutzen, um meine Unschuld zu beweisen.“

Und der mit Anzug elegant gekleidete Legdener war gut vorbereitet. Inklusive Powerpoint-Präsentation, in der die Ereignisse, wie sie sich seiner Meinung nach zugetragen haben, chronologisch dargestellt wurden. Samt Screenshots der Abrechnungssoftware, die die Geldflüsse belegen sollen.
Problem: Es ist aktuell nicht gesichert, dass das Programm revisionssicher ist. Das bedeutet, dass Daten in elektronischer Form so aufbewahrt werden, dass sie ordnungsgemäß, vollständig, sicher, verfügbar, nachvollziehbar, unveränderlich und mit Zugriffsschutz abgelegt sind.
Das merkte auch die Richterin kritisch an. Die Revisionssicherheit wird zum nächsten Verhandlungstag geprüft. Ebenso, ob der Steuerberater des Legdeners, der als Unternehmensberater arbeitet, als Zeuge geladen wird.
Unterschiedliche Auffassungen
Um die Problematik des Ganzen zu verstehen, muss der Blick zurückgehen. Der damalige Malteser-Kreisbeauftragte stampfte auf Bitten des Schöppinger Bürgermeisters die Teststelle im März 2021 aus dem Boden und betrieb diese mit ehrenamtlichen Malteser-Helfern. Auch aus dem Kreisgebiet.
Bis heute ist allerdings nicht eindeutig geklärt, ob nun der Ex-Kreisbeauftragte der Betreiber war oder doch der Schöppinger Ortsverband der Malteser. Es gibt unterschiedliche Auffassungen.
Das wird auch daran deutlich, dass nach der Eröffnung der Teststelle die Zahlungen der KVWL zunächst auf das Konto des Kreisbeauftragten gingen und von dort eigenmächtig durch die Buchhaltung des Diözesanverbandes auf das Unterkonto der Schöppinger Ortsverbandes transferiert wurden.

So geschehen für März und April 2021. Dann „knallte“ es. Der Ex-Kreisbeauftragte wurde zur Diözesangeschäftsstelle nach Münster einbestellt. Dort wurde ihm klargemacht, dass der Betrieb der Teststelle seine „Kompetenz überschreite“, mit der Anweisung, den Testbetrieb einzustellen.
Laut des Schöppingers (61), der als Zeuge vor dem Landgericht aussagen musste, sei er darüber „nicht erfreut“ gewesen. Der Schöppinger Ortsverband der Malteser habe kein Interesse gehabt, den Betrieb fortzuführen.
Um „die Bürger in der Pandemie nicht im Stich zu lassen“, wurde der Betrieb der Teststelle ab dem 11. Juni auf den Verein „Soziales Ehrenamt im Münsterland“ (SEM) übertragen. Offenkundig, ohne darüber die Diözesangeschäftsstelle in Münster zu informieren. Der Beginn des Dilemmas.
Klare Anweisung?
Denn auch in diesem Verein war der vom Amtsgericht verurteilte Legdener für die Abrechnung der durchgeführten Coronatests zuständig. Seinen Angaben nach machte das Testzentrum Umsätze von 65.000 Euro pro Monat. Vom Ex-Kreisbeauftragten sei er dann gebeten worden, auch rückwirkend die Abrechnung für Mai und anteilig Juni an die Malteser zu übernehmen.
Für diese sechs Wochen gab es 79.000 Euro von der KVWL. Auf Anweisung des Schöppingers (61) habe er dann eine Abschlagzahlung an den Diözesanverband überwiesen. Über genau diese Anweisung gibt es eine Chat-Nachricht. Das war vor dem Amtsgericht Ahaus noch nicht bekannt.
Ebenso bestätigt eine Mitarbeiterin der Diözesan-Buchhaltung den Geldeingang vor Gericht. Die restliche Summe sollte dann laut des Legdeners anteilig auf die Malteser-Stadtverbände verteilt werden, deren Helfer im Testzentrum im Einsatz waren. So sei die Idee des Ex-Kreisbeauftragten gewesen.
Doch dafür sollen dem Legdener nicht die notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt worden sein. Darum überwies er dann „aus Frust“ 22.900 Euro auf das Konto des Schöppinger Ortsverbandes und behielt gut 19.000 auf dem SEM-Konto, also anteilig für die zweite Juni-Hälfte, wo die Malteser raus waren.
„Ich habe definitiv niemanden betrogen“, beteuerte der Legdener. Woher das laut KVWL „schlecht gefälschte“ Abrechnungsschreiben über 36.000 Euro (in Höhe der Abschlagszahlung) kam, ist nach wie vor unklar. Dafür zieht sich bis jetzt keiner der (Verfahrens-) Beteiligten den Schuh an.
Und damit bleibt auch noch unklar, ob dahinter eine Betrugsabsicht steckte oder es womöglich Teil eines laut Gericht „Rachefeldzuges“ wegen der internen Querelen bei den Maltesern war. Initiiert von wem auch immer.
Fortsetzungstermin
1. Februar 2024 um 9 Uhr in Saal A113 am Landgericht Münster