Z R F V - vier Buchstaben, drei Aktionsfelder und ein Verein: der Zucht-, Reit- und Fahrverein Legden und Umgebung. Vor genau 100 Jahren wird dafür der offizielle Grundstein gelegt. Bereits ein Jahr früher, also 1924, hatten sieben Pferdefreunde und Reiter in der Gaststätte Homeyer die Initiative ergriffen: Antonius Freiherr von Oer, Heinrich Hessel, Josef Bayer-Eynck, Heinrich Morbeck, Josef Schulze Vasthoff, Alois Schulze Vasthoff und Willi Herdering. Sie suchen weitere pferdebegeisterte Personen und gründen im Januar 1925 im Lokal Decker den ZRFV. Als Reitlehrer fungiert der örtliche Polizeimeister Fritz Klause (ebenfalls ehemaliger Kavallerist).
Der Beginn einer Vereinsgeschichte, in deren Mittelpunkt das Pferd steht, die gleichzeitig auch ein Jahrhundert gesellschaftlicher Veränderungen widerspiegelt. Wie sie ihren Verein erleben, berichten Hermann Terhörst (Jg. 1940), Karl-Heinz Meis (Jg. 1954) und Nina Schaten (Jg. 2004).
Eingetreten 1954 ist Hermann Terhörst jetzt das älteste Vereinsmitglied. Als aktiver Reiter, Trainer, Funktionär und besonders auch als Chronist. In etlichen Aktenordnern hat er all das gesammelt und sammelt weiter, was über „seinen“ ZRFV, aus dem Kreisreiterverband Borken und der Turniergemeinschaft St. Josef berichtet wird. Zum Beispiel, dass mit Antonius von Oer als erstem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter Wilhelm Decker (übrigens Großvater von Hermann Terhörst) beim Start gleich zwei ehemalige Kürassiere (Truppengattung der Kavallerie) an der Spitze des neuen ZRFV stehen.


Womit, so Terhörst, eine der Funktionen, die dem Pferd in der Zeit der Vereinsgründung zugedacht ist, deutlich werde: sein Einsatz mit und für das Militär. Wichtige Arbeit leistet es damals auch beim Transport von Gütern (Holz, Kohle), vor der Kutsche bei Hochzeiten oder Beerdigungen zum Beispiel oder auch bei der „normalen“ Beförderung von Menschen. Autos gibt es schließlich zuerst noch wenige.
Zentrale Bedeutung aber habe das Pferd in der Gründerzeit des Vereins in der ländlich geprägten Region rund um Legden als Arbeitstier in Feld und Wald gehabt. Reiterei und Jagd aber sei Anfang des letzten Jahrhunderts der sogenannten besseren Gesellschaft vorbehalten gewesen - sprich dem Adel und erfolgreichen Geschäftsleuten.
Dementsprechend liegt der Fokus bei der Zucht zuerst bei für den Arbeitseinsatz geeigneten Pferden, den Kaltblütern. Auch in Legden, Asbeck und Holtwick gibt es anfangs noch kaum sportliche Begegnungen. Die aktiven Reiter stammen meist von den Höfen der Gegend, was den Begriff der „ländlichen Reiterei“ erklärt.
Das soll sich nach der Vereinsgründung aber bald ändern. 1925 finden bei Hessel in Isingort erste Wettkämpfe statt, 1926 steht die Standartenweihe und mit Hamm das erste auswärtige Turnier im Kalender, 1927 kehrt „Coralle“ aus dem Besitz Willi Deckers mit etlichen Schleifen vom DLG-Turnier aus Dortmund zurück, bei dem die Legdener unter 54 Mannschaften einen beachtenswerten vierten Platz belegen. Für Pferd und Reiter ging es mit der Bahn dorthin und zu Fuß durch die Städte. Es ist der Beginn einer jahrzehntelangen Erfolgsserie des ZRFV.
Der Chronist des Vereins
An vielen Erfolgen hat Hermann Terhörst selbst aktiven Anteil und alle „Besonderheiten“ hat er sorgfältig dokumentiert. Zum Beispiel, dass es 1957 einen großen Wirbel um die Kreisstandarte gibt und die erst nach Protest Legden durch das Schiedsgericht des Provinzialverbands Münster zugesprochen wird. Auch die, dass seine Mutter Hedwig Terhörst geb. Decker 1925 als erste Reiterin im Herrensattel für Aufsehen im Ort sorgt und der Pastor die Unmoral der jungen Mädchen kritisiert, hat er festgehalten.
Ansonsten aber sind Frauen eher selten vertreten auf den Turnierplätzen der Umgebung. Reithallen gibt es noch nicht, die Legdener wird erst 1975 eröffnet, man trifft sich auf verschiedenen Höfen und Wiesen und nach 1947 auf den in Eigenleistung erstellten ersten Reitplätzen bei Vennstege-Harpert und danach bis zum Umzug ins heutige Sportgelände am von Freiherr von Oer zur Verfügung gestellten Reitgelände neben dem SUS-Sportplatz am Fliegenmarkt auf dem dann auch die von tausenden Besuchern verfolgten Turniere in den 50er-Jahren stattfanden. Heute kaum denkbar!
Überhaupt sei vieles nicht so perfekt, habe man oft auch improvisieren müssen. Gleichwohl schwärmt Terhörst von dem Geist der Gründerzeit, der ausgeprägten Kameradschaft der ländlichen Reiter. Und nach wie vor glaubt er an die „erzieherische Aufgabe“ des Vereins, der Vermittlung von Werten. Zum Beispiel „Höflichkeit, Ordnungssinn, Härte, Entschlusskraft, Gewandtheit und Gehorsam“. Auch wenn das inzwischen recht verstaubt klingt, geblieben ist bis heute der Respekt - an erster Stelle vor dem Lebewesen.
Strukturwandel rund ums Pferd
Im Laufe der Jahrzehnte wird der Sport mit dem Pferd auch in Legden intensiver und professioneller. Dementsprechend muss sich auch die Zucht umorientieren. Zumal in den 1950er-Jahren Maschinen zunehmend das Pferd in der Landwirtschaft verdrängen, jetzt auch sportliche Qualitäten der Pferde gefragt sind. Vom Kaltblut führt der Weg zum leichteren und eleganteren Warmblut. Und der ländliche Verein öffnet sich für private Reitsportler.
Karl Heinz Meis, erfolgreicher Turnierreiter, Ausbilder, Vorsitzender und seit 1965 Vereinsmitglied, erinnert sich wie Hermann Terhörst an die große Aufmerksamkeit auch von Nichtreitern, die die Reitturniere gehabt hätten: „Mitunter waren es 4000 und mehr Zuschauer.“ Neben den Klassikern wie Spring-, Dressur- und Fahrprüfungen gibt es auch dabei ein buntes Rahmenprogramm mit solchen Attraktionen wie „Rekordhochsprüngen“ bis über zwei Meter, Pony- und Römerkarrenrennen und vieles mehr.
Auch Charly Meis hat die Veränderungen rund ums Pferd, denn das steht ja immer im Mittelpunkt, hautnah miterlebt: „Das Tierwohl, die Gesundheit des Pferdes, steht inzwischen stark im Fokus.“ Das betrifft die Haltung ebenso wie Vorgaben für die sportlichen Wettkämpfe. Und: Es gibt mehr Kontrollen. Solche Sätze wie „der Gaul muss gebrochen werden“ gehörten jedenfalls klar in die Klamottenkiste. „Vieles, was früher üblich war, würden die Pferde heute nicht mehr mitmachen.“
Zeitloser Wert: Zusammenhalt
Als absolut zeitlos sieht er aber das hohe Maß an Verantwortung dem Pferd gegenüber, dessen sich jeder Reiter bewusst sein solle. Eine zentrale Aufgabe des Vereins sei es, das bereits in jungen Jahren zu vermitteln: „Der Umgang mit den Tieren bedeutet, fürs Leben zu lernen.“ Für ihn wie auch für seinen ehemaligen Ausbilder Hermann Terhörst ist die „Vorbildfunktion“ daher eine wichtige Aufgabe. Allerdings nach der Devise „fordern und fördern“.
Außerdem nennt er auch „Zusammenhalt“ als prägendes Element des Vereinslebens. Ja, der sei zwar früher mal anders gewesen, sei es vielleicht etwas gemütlicher zugegangen, den Zusammenhalt gebe es aber nach wie vor. Zwar sei Ehrgeiz immer ein Motor für die Reiter gewesen, aber: „Man kämpfte gegeneinander, aber eben immer auch als Mannschaft, als Team.“

Vom Zusammenhalt und gegenseitiger Hilfsbereitschaft spricht auch Nina Schaten, trotz ihres jungen Alters bereits mit einer beachtlichen reiterlichen Erfolgsliste: „Man hilft sich gegenseitig, auch über die Vereinsgrenzen hinweg.“ Und sie bestätigt ihren „Lehrer“ Charly Meis und seinen durchaus „fordernden Unterricht“, der für sie Ansporn sei: „Mir ist einfach wichtig zu lernen.“ Dazu gehöre auch, mit Niederlagen umzugehen. Gute Gelegenheit zum Einstieg in die Reiterei böten die Ponygruppen, die den Umstieg aufs Großpferd erleichterten, weiß sie aus eigener Erfahrung.
Gleichwohl weiß sie auch, dass zum Erfolg nicht nur der Trainer gehört, sondern auch Eltern und Freunde. Angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen und den nicht unerheblichen Kosten für Pferd und Reiter sei es mit der Unterstützung der Eltern aber nicht mehr so einfach.

Alle drei - Schüler und Lehrer - verbindet, dass sie ganz viel Herzblut für den Verein mitbringen. Auch wenn noch Wünsche offen bleiben. Charly Meis: „Ich wünsche mir, dass die Anlage noch lange so hält in diesen unruhigen Zeiten.“ Hermann Terhörst: „Dass der eine oder andere Bereich wie der Fahrsport und Voltigieren neu belebt wird. Und dass die wichtige Säule des Vereins der Mannschaftssport bleibt - zusammen für einen Verein.“ Nina Schaten: „Dass die Gemeinschaft so bleibt, dass das Engagement bleibt, oder noch gesteigert wird.“