Beinahe sein ganzes Leben widmete der Kirchhellener Hans-Christoph Pocha dem Unterrichten. Mehr als 40 Jahre lang war er erst als Lehrer tätig, bevor er bis zu seiner Pensionierung im Januar 2020 als Schulleiter am Ratsgymnasium arbeitete. „Damals ahnte ich nicht, was noch alles passieren würde“, spielt er auf die Corona-Pandemie an.
Die hat er nämlich zufällig als Schulleiter knapp verpasst. Dennoch hielt sie ihn später vom Unterrichten ab – aber in Armenien. Den Gedanken, als Senior Expert ehrenamtlich im Ausland zu helfen, hatte Pocha schon seit einigen Jahren. „Meine Schwiegertochter ist Armeniern. Als dann im Herbst vor drei Jahren der kurze Krieg in Armenien mit Aserbaidschan entfachte, wusste ich: Dort muss ich hin“, erklärt er.
Vielsprachiges Land
Als Lehrer hat er Englisch und Russisch unterrichtet. Mit Deutsch als Muttersprache sind das gute Voraussetzungen, um in Armenien Sprachen zu unterrichten. „In den ersten Schuljahren lernen die Kinder dort drei Alphabete“, staunt Pocha, „armenisch, kyrillisch und lateinisch.“
Mit dem Armenian Volunteer Corps reiste er im Januar 2022 erstmals nach Armenien. Nach wenigen Tagen an einer Schule in der Hauptstadt Jerewan wurde diese wegen der anrollenden Corona-Welle geschlossen. Sporadisch gab er daraufhin Deutsch-Kurse an einer Universität und Sprachschule. „In der Zeit konnte ich Land und Leute schon gut kennenlernen“, resümiert der Kirchhellener.
Veraltetes Schulsystem
Im Frühjahr bewarb er sich dann für ein Stipendium. Sein Ziel: Lehrerbildung an dörflichen Schulen abseits der Hauptstadt betreiben. „Die Pädagogen dort verfügen nicht über solch eine Ausbildung, wie man das aus Deutschland kennt. Die Schulen sind nicht nur schlecht ausgestattet, es fehlt auch an modernen Lernmethoden“, führt Pocha aus.

Bei seinem ersten Besuch in der Gagarin-Region stellte er schnell fest: Hier gibt es einiges zu tun. „Es gibt zwar in jedem Dorf eine Schule, aber eben nur die eine. Früher hätten wir dazu Volksschule gesagt, es gibt keine Differenzierung“, so Pocha. Vor Ort gibt es Bänke, Tische, veraltete Lehrbücher und manchmal, aber nur manchmal, auch elektrisches Licht.
Durch den Austausch mit den Lehrern vor Ort wollte er die Schulen nachhaltig unterstützen. „Der Nachhaltigkeits-Gedanke ist ehrenwert, aber schwer umzusetzen“, sagt der Kirchhellener. Es sei schwierig, wirklich etwas zu bewirken. Deshalb bewarb er sich in diesem Jahr erneut für ein Stipendium und reiste kürzlich wieder in die Region.
Krisenzeiten vor Ort
Und das trotz der angespannten Lage im Krisengebiet Berg-Karabach sowie der stetigen Konflikte zwischen Armenien und Aserbaidschan. Dieses Mal wollte er eine digitale Lernplattform entwickeln, mit dem der Zugang zu Bildung für Lehrer und Schüler einfacher wird. „Dann ging der Beschuss auf Berg-Karabach los …“

Innerhalb weniger Tage flüchteten mehr als 100.000 Menschen nach Armenien. Eines Tages stand auch ein vollgepackter Lada vor dem Lehrerhaus, in dem Hans-Christoph Pocha wohnte: „Das war nicht einmal eine Woche nach meiner Ankunft. Ein älteres Ehepaar mit seinen zwei erwachsenen Töchtern hat seine Heimat zurückgelassen und nach drei Tagen auf den Straßen haben sie Schutz gesucht.“
Drei Wochen lang lebte er mit der Familie zusammen dort. Eine Erfahrung, die ihn nachhaltig geprägt hat. „Darauf war ich nicht vorbereitet. Aber man tut natürlich, was man kann. Auf russisch konnten wir uns verständigen“, erinnert sich Pocha. Sie hätten ihm Geschichten erzählt und seien so zumindest einen kleinen Teil der Last losgeworden.
Trotz der dramatischen Umstände widmete er sich in den Wochen weiterhin seinem Lehrauftrag vor Ort. Den Zugang zur digitalen Lernplattform haben die Schulen zwar jetzt, aber sie müssen ihn auch nutzen. Hans-Christoph Pocha hat noch nicht das Gefühl, das seine Mission in Armenien abgeschlossen ist.
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