Seit 140 Jahren wird das Brezelfest schon im Anschluss an das dreitägige Schützenfest in Kirchhellen gefeiert. Im Laufe der Zeit haben sich Traditionen entwickelt, verändert und neu etabliert. Heute ist der blaue Brezelkittel das Markenzeichen der Brezelbrüder und von den Bildern der Festlichkeit gar nicht mehr wegzudenken. Doch wie kam diese Tradition überhaupt zustande? „Es begann im Jahr 1957…“, fängt der Brezel-Chronist Christoph Wrobel an zu erzählen.
Der erste Kittel auf dem Fest
„Auf den Fotos von 1957 sieht man, wie die Männer noch in Sonntagskleidung, also schicken Anzügen, am Brezelfest teilnehmen. Damals war es noch üblich, die Schützenmütze an diesem Tag verkehrtherum zu tragen. Nur nicht der damalige Brezelbäcker Hans Weber. Er trug einen Kittel und ein Halstuch“, so der Chronist. Dabei handelt es sich um den typischen Bauernkittel, der im 19. Jahrhundert mit den ersten mechanischen Webmaschinen für Baumwolle seinen Weg nach Deutschland fand.

Traditionell ist dieser Kittel blau. Über die Jahrzehnte veränderte er Stil und Aussehen. Der Brezelkittel, ebenfalls blau, hat Bordüren und wird mit einem roten Tuch getragen. Heute schickt es sich eigentlich nicht mehr, die Schützenmütze am Dienstag aufzusetzen. Einige können sich wohl aber auch nach drei Tagen noch nicht davon trennen und führen sie zum Brezelfest noch einmal aus. Erst seit Anfang der 1990er-Jahre ist der Brezelkittel das offizielle Outfit für die Brezelbrüder. „Das war ein schleichender Prozess. Den klassischen Brezelorden gab es hingegen schon viel früher“, sagt Wrobel.
Nähen bis zur letzten Sekunde
Kaum haben die blauen Kittel Einzug im Dorf gehalten, haben sich natürlich auch die Schneidereien darauf eingeschossen. So zum Beispiel Bernadette Behrendt von der Stoffwiese an der Hackfurthstraße: „Seit 26 Jahren nähe ich bereits die Brezelkittel. Wir sitzen noch bis zur letzten Sekunde in der Nähstube. Es kam auch schon vor, dass am Brezelfest jemand sogar den Kittel aus dem Schaufenster haben wollte.“

Der Stoff für die Kittel ist ganz traditionell aus reiner Baumwolle. Kunden können die Schnittmuster erhalten, den Stoff zuschneiden lassen und sich selbst daran versuchen oder die Kittel auf Maß bestellen. „Den kleinsten Kittel habe ich dieses Jahr für ein Neugeborenes geschneidert. Der Stichtag ist wenige Tage vor dem Fest“, sagt die Schneiderin. „Die Monate und Tage vor dem Brezelfest sind sehr stressig. Aber es macht auch Spaß.“ Aufträge werden auch kurz vor knapp noch angenommen.
Außergewöhnlich viele Aufträge
Auch Mustafa Ucar schneidert in seinem Änderungsatelier an der Hauptstraße unzählige blaue Kittel. Die Bordüre dafür hat er vor etwa 20 Jahren entworfen und extra anfertigen lassen. Seine Kittel sind aus einem Mischstoff und werden von ihm vorproduziert. In der Schneiderei hängen viele Kittel in unterschiedlichen Größen, die fertig oder angepasst mitgenommen werden können. „Auf der Brusttasche sind ein Brezelbruder sowie das Kirchhellener Wappen. Die werden in einer Stickerei in Kirchhellen angefertigt“, so Ucar.
In diesem Jahr ist der Ansturm besonders groß. „In den vergangenen sechs Jahren sind gerade die Kinder gewachsen und brauchen jetzt neue Kittel“, erklärt er. Manche Brezelbrüder tragen ihre Kittel seit mehreren Jahrzehnten. Mustafa Ucar näht übrigens nicht nur die Kittel, sondern ist auch der Brezelnäher: „Beim Fest nähe ich die Wappen oder Brezel auf die Kittel der Offiziere oder Anwärter.“ Generell ist es üblich, die Wappen der einzelnen Gruppen auf dem Kittel zu tragen. Viele Kittel zieren auch Vereinsembleme.
Auch in der Kirchhellener Nähstube an der Bottroper Straße laufen die Maschinen heiß. „Das Interesse ist dieses Jahr riesig. Wir nehmen schon gar keine Aufträge für Kittel mehr an“, sagt Inhaberin Sigrid Demond.
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