„Man kann nie das alte Blatt rausnehmen, man muss immer ein neues nehmen“, so Karin Goßheger (52). „Jede Beerdigung ist anders und immer individuell.“ Seit über 150 Jahren besteht das Bestattungshaus Goßheger in Herbern – inzwischen mit Florian Goßheger (25) in fünfter Generation. Der Tischlermeister ist 2018 mit in den elterlichen Betrieb eingestiegen.
„Das war kein Zwang, sondern es ist tatsächlich mein Traumberuf.“ Tochter Patrizia (15) macht in diesem Sommer ihren Schulabschluss und hat bereits eine Ausbildungsstelle zur Malerin. „Aber auch sie interessiert sich schon sehr für unser Unternehmen“, weiß Karin Goßheger. Für Michael Goßheger (56) ist der Sohnemann ein Gewinn für das Unternehmen, das Uropa Franz-Hermann gegründet und Werkstatt nebst Wohnhaus in der Schützenstraße aufgebaut hat.
Bürokratie hat deutlich zugenommen
Wo früher Särge geschreinert wurden – inzwischen werden diese eingekauft – werkeln Vater und Sohn mittlerweile nur noch in ihrer Freizeit. „Das würde auch heute gar nicht mehr anders funktionieren. Früher baute man die Särge erst, wenn jemand gestorben ist. Da war Herbern aber noch ganz klein und wenn es sein musste wurde rund um die Uhr gearbeitet.“ Mit einer großen Handkarre ist man mit den Särgen zum Haus der Verstorbenen gefahren und hat diese dort abgeholt. Am Tag der Beerdigung wurde der Sarg mit einer Kutsche zum Friedhof gefahren. „Früher gab es für die ‚Dörfler‘ Fichtensärge und für die Bauern Särge aus Eiche“, erinnert sich Michael Goßheger an Erzählungen seines Vaters.
Auf die Frage, was sich im Laufe der vielen Jahrzehnte geändert hat antwortet Florian: „Zuerst einmal die Bürokratie. War es früher ein Zettel, sind es inzwischen fünf bis sechs, die ausgefüllt werden müssen.“ Für die beiden Männer ist Ehefrau und Mama Karin „die wichtigste Frau im Unternehmen“. Sie kümmert sich um den leidigen Bürokram, mit allem was damit verbunden ist. Seit kurzem hat sie hier Unterstützung durch Florians Lebensgefährtin Anna Kösters.

Veränderte Bestattungskultur
Auch die Bestattungskultur hat sich geändert. Gab es früher nur Erdbestattungen, sind es im Unternehmen inzwischen gut 70 Prozent Urnenbeisetzungen. Deutschlandweit sind es 77 Prozent. Hier liegt ein großes gesellschaftliches Problem. „Niemand möchte in seinem Ort ein Krematorium haben“, sagt Michael Goßheger mit Unverständnis. „Die Krematorien arbeiten heutzutage mit so vielen Filtern und Abgasreinigungsanlagen, da bemerkt man gar nichts.“
Gleichzeitig räumt der Tischlermeister mit dem Gerücht auf, dass oft mehrere Verstorbene gleichzeitig eingeäschert werden. „Dies ist gar nicht möglich. Jede Einäscherung erfolgt einzeln. Auf jeden Sarg kommt eine Schamottmarke mit einer Nummer, die den persönlichen Daten des Verstorbenen zugeordnet ist. Diese Marke kommt später mit der Asche des Verstorbenen in die Aschekapsel. Auf dieser Kapsel stehen die Daten des Verstorbenen. Anschließend legt der Bestatter die Kapsel in eine sogenannte Schmuckurne.“ Ein Sarg ist für die Einäscherung zwingend erforderlich. Er dient, ganz realistisch, als Verbrennungshilfsstoff. „Das schafft man mit keinem anderen Material.“

Trauerhalle seit 2019
Am 25. Oktober 2019 konnte Familie Goßheger eine eigene Trauerhalle an der Rankenstraße 8 einweihen. Das Gebäude diente vorher lediglich als Ausstellungsraum. „Wir sind froh, dass wir diesen Raum für die Angehörigen schaffen konnten. Ganz wichtig war uns, dass die Hinterbliebenen in einer schönen Atmosphäre Abschied nehmen können“, so Florian Goßheger.
Neben der Trauerhalle gibt es einen Verabschiedungsraum, einen Hygiene- und einen Kühlraum. „Bei der Gestaltung der Trauerfeier ist fast alles möglich. Hier haben die Wünsche des Verstorbenen absolute Priorität. Mit einer sogenannten Bestattungsvorsorge kann ein jeder Mensch zu Lebzeiten die Bestattung nach eigenen Vorstellungen planen. Blumenschmuck, Lieder, Ablauf – alles darf ausgesucht werden. Hier bemühen wir uns auf alle Wünsche einzugehen und diese umzusetzen. Eine Beerdigung muss nicht immer traurig sein.“
Bonsai-Bäume und Briefschlitze
Ob nun ein Sarg, auf dem ein Bonsai steht und an dessen Seite ein „Briefschlitz“ eingearbeitet wurde, so dass jeder Trauergast dem Verstorbenen noch eine persönliche Mitteilung mit auf den Weg geben konnte oder eine Schmuckurne in Ferrarirot lackiert und mit Kaffeebohnen beklebt. Der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Die Fülle der Dienstleistungen des Bestattungshauses umfasst neben Erd-, Feuer- und Seebestattungen auch die Überführung, Auslandsbestattungen, Beratung, Vorsorge und Begleitung. Gemeinsame Auszeiten sind der Familie ganz wichtig, ebenso Gespräche mit Freunden und Hobbys für den Ausgleich zum oftmals nicht einfachen Job.
Beim Frühlingsfest am 2.April öffnet das Unternehmen Tür und Tor für die Besucher. Jeweils um 11.30 Uhr und um 14.30 Uhr wird eine Trauerrednerin sprechen. Um 13 Uhr bietet sie eine Geschichte für Kinder an. „Wir haben zudem ein ‚Kaffeefahrrad‘ organisiert. Hier würden wir uns über eine Spende freuen, die wir 1 zu 1 weitergeben werden.“
Behindertenhilfe Herbern muss sich auflösen: Gemeinnützigkeit aberkannt, Kapital zwangsgespendet
Video mit Eindrücken von innen: Das bietet der Hit-Supermarkt in Ascheberg
Antrag in luftiger Höhe für Tinder-Paar: Laura und Alexander heiraten am Schloss Nordkirchen