
© Carina Strauss
Kandidaten-Porträt: Stephan Heitbaum zwischen Gänsen, Kunden und der Politik
Bundestagswahl 2021
Im Wahlkreis Coesfeld-Steinfurt II bewerben sich für die Bundestagswahl am 26. September acht Kandidaten für das Direktmandat. Wir porträtieren sie. Heute: Stephan Heitbaum (Freie Wähler).
Der Mann der über den Hof geschritten kommt, hat auf den ersten Blick überhaupt nichts von einem Politiker. Wie stellen Sie sich einen Politiker vor? Anzug, Hemd, Krawatte? Stephan Heitbaums Auftreten ist das genaue Gegenteil. Er trägt eine schwarze Arbeitshose mit passendem T-Shirt plus Gummistiefel. Sein Auftreten ist locker.
Heitbaum ist gerade damit fertig, die Tiere auf dem Hof der Familie zu füttern. Der Direktkandidat der Freien Wähler wohnt nicht hier, ist aber fast jeden Tag auf dem Hof. Sein Lieblingsplatz, etwas abgeschieden irgendwo zwischen Werne und Herbern. Hier ist er oft mit seinem 13-jährigen Sohn. Zusammen gehen wir in den Garten. Vorbei an schnatternden Enten, gackernden Hühnern und Schaf Emma, das im Schatten unter den Bäumen hinter dem Haus Schutz vor der Sonne gesucht hat.
Zwischen Tomaten und Grünkohl wartet ein gemütliches Plätzchen auf uns. Von dort kann man über das anliegende Feld blicken, auf dem Heitbaum mit seinem Sohn Grünkohl ausgepflanzt hat. „Mal schauen, ob das was wird", so Heitbaum. Er probiert einfach aus.
Stephan Heitbaum: Vater, Kaufmann, Politiker
1974 in Werne geboren, ist der heute 47-Jährige in Herbern aufgewachsen, besuchte hier die Mariengrundschule und anschließend die Hauptschule. „Ein Herberner Jung halt", sagt Heitbaum mit einem Schmunzeln. 1990 begann er eine Ausbildung als Tischler, konnte diese nach einem Autounfall im Jahr 1992 allerdings nicht abschließen. Also begann er eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann in einem Selmer Autohaus. Diese verkürzte er und wurde Verkäufer. „Dann bin ich durch viele verschiedene Umstände zu Decathlon gekommen, habe dort den Einzelhandelskaufmann und mein Fachabitur nachgeholt." Dort ist er seit 1995 beschäftigt, seit 1999 als Teamleiter.
Derzeit arbeitet er in der Dortmunder Innenstadt. Aber die Arbeit hat ihn nicht dazu gebracht, in die Stadt zu ziehen. Er ist seiner Heimat Herbern treu geblieben, seit mehr als 30 Jahren Mitglied im Spielmannszug, wenn auch derzeit eher passiv, und im Schützenverein. „Ich bin ein einfacher normaler Mensch aus der Mitte, habe Sorgen wie jeder andere, ich packe Dinge lieber direkt an, als lange darüber zu reden", beschreibt Heitbaum sich selbst und die Beschreibung passt zu dem Menschen, der an diesem Tag vor mir sitzt. Eben ein „Malocher".
Umweltpolitik als Hauptthema
Ein Mensch aus der Mitte - solche Leute würde sich Heitbaum auch mehr in der Politik wünschen. „Wir sollten die Politik nicht nur den Verwaltungsangestellten und Beamten überlassen. In der Politik sollte man jedes Klientel wiederfinden und das ist gerade einfach nicht gegeben", meint der 47-Jährige. Aber wie ist er denn eigentlich zur Politik gekommen? „Wie genau es passiert ist, weiß ich nicht." Es sei mehr oder weniger Zufall gewesen, so Heitbaum.
Sein Ansporn: „Mein Sohn. Ich möchte, dass wenn mein Sohn oder meine Enkelkinder mich irgendwann fragen, warum habt ihr uns sowas hinterlassen, dass ich wenigstens sagen kann: Ich hab es versucht." Und damit sind wir bei Heitbaums Hauptthema: der Umweltpolitik. „Ich will etwas Vernünftiges hinterlassen. So wie es im Moment ist, ist es eine Katastrophe und ich finde, so kann es nicht weitergehen." An dieser Stelle blitzt dann doch einmal der Politiker Heitbaum durch. Politik auf kommunaler Ebene sei eben das Minimum, was man machen kann. Jedenfalls ist er seit der Gründung der Freien Wähler Ascheberg e.V. im Dezember 2019 dabei. „Wir sind komplett parteiungebunden. Wir bekommen keine Order von oben."
Treffen mit der jungen Generation
Mittlerweile habe man die jungen freien Wähler in Ascheberg gegründet. An dem Tag an dem wir uns treffen, hat er auch noch ein Treffen mit der jungen Generation. „Die jungen Leute haben Wünsche und Anregungen, können diese aber nicht direkt einbringen. Also machen wir die Politik für die jungen Leute."
Nun steht Heitbaum als Direktkandidat für die Freien Wähler auf dem Wahlzettel. „Ich nehme meine Arbeit in der Politik sehr ernst." Auch wenn als Abteilungsleiter im Einzelhandel kaum Zeit bleibe, um die Termine, die im Vorfeld einer Bundestagswahl anstehen, alle wahrzunehmen. Der Herberaner ist ehrlich: „Dass ich die Mehrheit als Direktkandidat bekomme, ist sehr sehr unwahrscheinlich." Deswegen spricht er auch nicht von politischen Zielen als Mitglied des Bundestages, sondern als Kommunalpolitiker: „Dass zukünftige Generationen eine lebenswerte Gemeinde vorfinden", formuliert Heitbaum eines seiner Ziele.
Aber es gibt für ihn einen ganz bestimmten Grund bei der Bundestagswahl anzutreten: „Ich möchte den Leuten eine Option geben, dass die Protestwähler ihr Kreuz nicht bei der AfD machen. Mein Ansporn ist, dass die AfD zumindest im Kreis Coesfeld zurückbleibt."
Im Anschluss an unser Gespräch geht es dann noch zu den Tieren. Wasser geben, sauber machen, füttern - das ist der Ausgleich, den Heitbaum zu seinem beruflichen Alltag hat. „Das ist das, wo ich mich wohlfühle." Wir verabschieden uns, lässig lehnt Heitbaum an seinem Auto. Es scheint nun doch ein wenig Anspannung von ihm abgefallen zu sein. Er ist eben ein Mensch aus der Mitte der Gesellschaft, ein Malocher, kein ausgebildeter Medienprofi.
Geboren und aufgewachsen an der Grenze zwischen Ruhrpott und Münsterland, hat Kommunikationswissenschaft studiert. Interessiert sich für Tiere, Kultur und vor allem für das, was die Menschen vor Ort bewegt.