Seit mehr als einer Woche steht Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der Freien Wähler und stellvertretender Ministerpräsident in Bayern, unter Beschuss. Ihm wird vorgeworfen, als Jugendlicher ein Flugblatt mit antisemitischem Inhalt hergestellt zu haben. Der Politiker bestreitet die Vorwürfe. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärt am ersten Septemberwochenende, dass er seinen Vize nicht aus dem Amt entlassen werde, obgleich die Forderungen danach immer lauter werden. Es gebe keine eindeutigen Beweise, dass das Flugblatt von Aiwanger verfasst wurde. Außerdem sei eine Entlassung „nicht verhältnismäßig, da das Ereignis 35 Jahre her ist“, so Söder wörtlich.
Rückendeckung bekommt der Bayer am 4. September (Montag) auch aus NRW, so beispielsweise aus dem Münsterland. Frank Holtrup, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Ascheberg, erzählt im Telefonat mit der Redaktion, er habe den Bundesvorsitzenden als „pragmatischen Typen“ kennengelernt, „der nie den Eindruck machte, als sei er antisemitisch“.

„Schreiben ist unterirdisch“
Das Flugblatt, das nachweislich aus der Schulzeit stammt, „also einem geschützten Raum, wenn man es genau nimmt, jetzt auszugraben, wenn die Partei bekannter wird, finde ich komisch“, so Holtrup. Das zeige „was Politik macht“. Mit solchen Methoden gehe er, egal, um welchen Politiker es sich handle, überhaupt nicht konform. Gleichzeitig verurteilt er den judenfeindlichen Inhalt aufs Schärfste: „Das Schreiben ist selbstverständlich unterirdisch, das ist nicht zu entschuldigen. Ich spreche von einer ganz klaren Distanzierung von der braunen Sauce.“
Seiner Ansicht nach werde dem Vorgang zu viel Bedeutung beigemessen, was wiederum den „echten rechten Fällen, der AfD“ in die Hände spiele. Die reiben sich wieder einmal die Hände. Auch wenn Aiwanger „ungünstiger Weise schon einmal mit sehr konservativen Äußerungen aufgefallen ist“, stehen die Freien Wähler Ascheberg „zu 100 Prozent hinter den Werten der Freien Wähler“, so Holtrup.
„Rechtspopulistischer Geisterfahrer“
Am Montag treffen sich die bayerischen Politiker im Rahmen des Landtagswahlkampfes – am 8. Oktober wird in Bayern gewählt – beim traditionellen Gillamoos in Abensberg. Hier fällt laut den Kollegen der Süddeutschen Zeitung, die einen Live-Ticker auf ihrer Website veröffentlichen, bei CSU und Freien Wählern keine Silbe zur Flugblatt-Affäre. Woanders aber schon: Florian von Brunn, Spitzenkandidat der SPD in Bayern, bezeichnet Aiwanger als „rechtspopulistischen Geisterfahrer“, der „nicht länger die Hand am Lenkrad Bayerns haben“ dürfe. Das Flugblatt sei keine Jugendsünde, sondern „eine Sauerei, rechtsradikal – und nichts anderes“. Ob die Affäre Auswirkungen auf die Wahl hat, wird sich zeigen. Hubert Aiwanger jedenfalls sieht sich selbst als Opfer einer Hetzkampagne.
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